Klage gegen BlankenheimWer zahlt die Rechnung für den Feuerwehreinsatz?

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Zahlreiche Einsatzkräfte kümmerten sich im Juni 2017 auf der B 51 um die Unfallopfer. Mit der Kostenberechnung beschäftigte sich nun das Verwaltungsgericht.

Zahlreiche Einsatzkräfte kümmerten sich im Juni 2017 auf der B 51 um die Unfallopfer. Mit der Kostenberechnung beschäftigte sich nun das Verwaltungsgericht.

  • Nach einem schweren Unfall im Juni 2017 gab es einen Großeinsatz der Feuerwehr.
  • Grundsätzlich sind Notfall-Einsätze kostenlos. Doch die Gemeinde Blankenheim stellte eine Rechnung aus. Darf sie das?

Eifelland – Regelmäßig rücken die Feuerwehrleute zu Unfällen aus, um Verletzte aus Wracks zu befreien oder Unfallstellen abzusichern. Auch wenn die Wehrleute ehrenamtlich aktiv sind, fallen für die Kommune als Träger der Feuerwehr Kosten an. Ein Fall, in dem die Gemeinde Blankenheim diese Kosten in Rechnung gestellt hat, wurde nun vor dem Verwaltungsgericht Aachen verhandelt. Die Versicherung des Autofahrers hatte gegen den Gebührenbescheid wegen des Feuerwehreinsatzes geklagt. Wir haben alle Fragen und Antworten hier zusammengetragen.

Um welchen Unfall geht es?

Am 28. Juni vergangenen Jahres, einem Mittwoch, geriet gegen 16.50 Uhr ein damals 26-jähriger Mann aus der Gemeinde Blankenheim mit seinem Golf Kombi auf der viel befahrenen B51 in Höhe Mülheim in den Gegenverkehr und prallte frontal in einen Lastzug aus Bulgarien.

Es folgte ein Großeinsatz der Rettungskräfte. Denn der Autofahrer war schwer verletzt in seinem Wagen eingeklemmt. Die Feuerwehr befreite den Mann mit hydraulischen Geräten aus dem Wrack, nach der notärztlichen Erstversorgung wurde der Autofahrer mit einem Rettungshubschrauber in ein Kölner Krankenhaus geflogen.

Was steht im Gesetz?

„Grundsätzlich sind Feuerwehreinsätze kostenlos“, betont Erwin Nelles, der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters. Dies gelte zum Beispiel, wenn es brenne – egal, ob es ein Wohnhaus, ein Schuppen oder ein Wald sei. Doch es gebe Ausnahmen, die im NRW-Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) festgelegt seien. Zahlen muss etwa, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig ein Feuer legt oder einen Schaden verursacht. Dies gelte auch, wenn Gefahr oder Schaden beim Betrieb von Fahrzeugen entstanden sei. Bei Unfällen im Straßenverkehr, Flugzeugabstürzen oder Zugunfällen müsse der Halter beziehungsweise dessen Versicherung für die Kosten aufkommen.

Hat ein Notruf teure Konsequenzen?

„Keine Kostenangst vorm Notruf!“, sagt Kreisbrandmeister Udo Crespin klipp und klar. Und betont, dass die Bürger zur Meldung eines Schadenereignisses verpflichtet seien. Wer einen Brand oder einen Unfall bemerke, müsse die 112 wählen. Und wer dies tue, werde keine Rechnung über den Einsatz erhalten. Das gilt laut Crespin auch für den Fall, dass die Feuerwehr mal umsonst kommt, wenn sich eine Lage nicht so darstellt, wie es ein Anrufer möglicherweise annahm.

Die Feuerwehr habe ein hohes Interesse daran, so früh wir möglich am Einsatzort sein zu können. Ein Entstehungsbrand verursache beispielsweise nur einen geringen Aufwand – je länger es brenne, desto komplexer werde der Einsatz für die Wehr.

Wie hoch war die Rechnung?

Im besagten Fall stellte die Gemeinde Blankenheim eine Rechnung für einen gebührenpflichtigen Einsatz über 2469,98 Euro aus. Denn die Wehrleute hatten unter anderem die Unfallstelle abgesichert, eine eingeklemmte Person gerettet, Verletzte betreut und den Rettungsdienst unterstützt.

Wie kommt es zu dem Betrag?

„Kommunen sind verpflichtet, den Kostenersatz nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu berechnen“, erläuterte Nelles. Es wird unterschieden nach Kosten für Personal, Fahrzeuge und Material. Die Personalkosten der gesamten Feuerwehr an der Oberahr betrugen im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre rund 114 000 Euro. „Dabei wurden durchschnittlich 2806 Einsatzstunden geleistet“, so Nelles. Teilt man Personalkosten durch Einsatzstunden, ergibt dies einen Stundensatz von 40,68 Euro. Ähnlich berechnete die Verwaltung die Kosten für Fahrzeuge. Je nach Typ ergibt sich ein Stundensatz zwischen 30,72 und 71,74 Euro.

Die Löschgruppe Blankenheim war bei besagtem Unfall mit zehn Kräften 2 Stunden und 37 Minuten im Einsatz. Dafür wurden 1064,46 Euro berechnet. Die Löschgruppe Mülheim war mit acht Leuten 2:17 Stunden aktiv. Dies ergab 743,09 Euro, macht in Summe 1807,55 Euro. Für die vier Fahrzeuge, die zum Unfall ausgerückt waren, berechnete die Gemeinde 496,53 Euro, für drei Säcke Ölbindemittel und dessen spätere Entsorgung 165,90 Euro. Das alles ergibt besagte Summe von 2469,98 Euro im Gebührenbescheid.

Was bemängelte die Versicherung?

Die Versicherung des Autofahrers wollte diesen Betrag nicht zahlen. Sie bemängelte die Berechnung der Personalkosten. Die jährlichen Kosten in Höhe von 114 000 Euro für Personal dürften nicht auf die 2806 Einsatzstunden verteilt werden. Kommunen seien verpflichtet, Tag für Tag und rund um die Uhr eine Feuerwehr vorzuhalten. Deshalb müsse man die Jahreskosten auf die 8760 Stunden aufteilen, die ein Jahr habe. In Blankenheim ergebe dies einen Stundensatz von 13,03 Euro.

Ist dies ein Einzelfall?

„Es passiert immer wieder, dass Versicherungen gegen Gebührenbescheide klagen“, berichtete Crespin. Dabei würden Versicherungen nicht nur gegen die Höhe der Stundensätze vorgehen, sondern auch gegen andere Rechnungsbestandteile. „Oft wird kritisiert, dass viel zu viele Feuerwehrleute im Einsatz waren“, nannte Crespin ein Beispiel. Doch dies lasse sich nicht ändern. Wenn zum Beispiel ein Anrufer einen schweren Unfall melde, würden Rettungskräfte nach einem festgelegten Plan alarmiert. „Ob nun drei Feuerwehrleute oder zehn zu dem Unfall kommen, das kann man vorher nicht wissen“, so Crespin. Falls es zu viele seien, würde der Einsatzleiter die überzähligen wieder nach Hause schicken.

Wie endete das Verfahren in Aachen?

Beide Seiten akzeptierten den Vergleichsvorschlag der Richterin, die einen Stundensatz von 25 Euro anregte. „Es gibt zahlreiche Klagen gegen die neuen Gebührensätze, bislang wurde aber noch kein einziges Urteil gesprochen“, berichtete Nelles. Denn die Summen, um die es bislang gehe, seien viel zu gering für ein Grundsatzverfahren, das bis zu einem endgültigen Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht ausgetragen werde.

Unterschiedliche Stundensätze im Kreis

Träger der Feuerwehr sind in NRW die Kommunen. Daher sind auch sie für die Berechnungen kostenpflichtiger Einätze zuständig. Die Kosten, etwa fürs Personal oder Fahrzeuge, sind in Feuerwehrsatzungen festgelegt.

„In jeder Kommune gelten andere Gebührensätze“, erläuterte Kreisbrandmeister Udo Crespin. Denn die örtlichen Voraussetzungen seien in jeder Kommune unterschiedlich. Unterschiede gebe es zum Beispiel auch bei den Gebühren für die Rettungsdienste. „Im Kreis Euskirchen gelten andere Sätze wie im Kreis Düren“, sagte er.

Im Internet sind die Satzungen der einzelnen Kommunen einsehbar. Dabei präsentiert sich kreisweit ein sehr uneinheitliches Bild. Bei Löschfahrzeugen schwanken die Sätze etwa zwischen rund 50 Euro in mehreren Kommunen und 137,84 in der Spitze, die Bad Münstereifel in Rechnung stellt.

Fürs Personal – das unabhängig vom Dienstgrad berechnet wird – hat die Stadt Bad Münstereifel mit 49,82 Euro den höchsten Stundensatz, gefolgt von 40,68 Euro in Blankenheim. Den mit 19,80 Euro geringsten Satz hat die Gemeinde Dahlem festgelegt. In Euskirchen sind 22 Euro fällig, in Hellenthal 20, in Mechernich 26, in Nettersheim 34,50, in Schleiden 31, in Weilerswist 30 und in Heimbach 23,50 Euro. In Kall werden 25 Prozent auf den Stundensatz von 26,50 Euro aufgeschlagen, wenn die Einsätze nachts (zwischen 22 und 6 Uhr) oder an Sonn- und Feiertagen sind. Zülpich sieht in diesen Fällen einen Aufschlag von 50 Prozent auf den Satz von 21,55 Euro vor.

Eine vorsätzliche und grundlose Alarmierung der Feuerwehr ist zum einen ein Straftatbestand (Paragraf 145 StGB) und kann mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden. Zudem kann das auch von den Kommunen mit einer kräftigen Rechnung quittiert werden. Einige Städte und Gemeinden haben auch hier die Sätze in der Satzung festgelegt.

Wenn ein Löschzug aufgrund einer solchen vorsätzlichen Falschalarmierung in Marsch gesetzt wird, berechnet die Stadt Bad Münstereifel beispielsweise 1100 Euro, bei einer Löschgruppe sind es 300. Pauschal 896 Euro setzt die Stadt Mechernich an. In zahlreichen weiteren Kommunen liegen die Sätze bei um die 300 Euro für eine Löschgruppe und 450 Euro je Löschzug. (rha/jop)

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