Abo

KriminalstatistikHäusliche Gewalt im Kreis Euskirchen nahm 2021 zu

Lesezeit 5 Minuten
Besonderer Einsatz: Die Polizei verhinderte die Sprengung eines Geldautomaten in Marmagen und fasste die Täter.

Besonderer Einsatz: Die Polizei verhinderte die Sprengung eines Geldautomaten in Marmagen und fasste die Täter.

Kreis Euskirchen – Die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe prägten im Kreis Euskirchen das Jahr 2021 – nicht nur für die Bürger, sondern auch aus kriminalpolizeilicher Sicht. „Eine richtige Bewertung fällt schwer“, sagt Harald Mertens, Abteilungsleiter der Kreispolizei, bei der Vorstellung der Kriminalstatistik für das vergangene Jahr. Besonders durch die Kontaktbeschränkungen habe es zeitweise einen deutlichen Rückgang der Straftaten gegenüber 2020 gegeben. Mit den Lockerungen seien die Zahlen   dann aber wieder angestiegen. 

Die Zahl der Wohnungseinbrüche blieb auf niedrigem Niveau, „weil die Menschen zu Hause waren“, erklärt Mertens. Diebstähle gab es deutlich weniger als noch 2020. Hier sieht der Polizeidirektor die Flut als Hauptgrund: „Wenn die Geschäfte, beispielsweise in Euskirchen, nicht aufhaben, dann kann es auch keinen Ladendiebstahl geben.“ 

Keine Plünderungen

Die Flutgebiete seien nicht nur von Helfern oder Schaulustigen besucht worden, sondern auch von Menschen, die „zum Ausbaldowern“ gekommen seien, wie Mertens es ausdrückt. Durch die hohe Präsenz der hiesigen Polizei und  der vom Land abgestellten Bereitschaftspolizei in den Flutgebieten sei es aber nicht zu Plünderungen im Sinne der Begriffsdefinition gekommen.

Allerdings sei es in den Flutgebieten zu verwerflichen Taten gekommen. So seien Helfer bestohlen worden und es habe Einbrüche in betroffene Wohnungen gegeben. Die Zahl der Diebstahlsdelikte sei im Flutmonat Juli im Vergleich zum Vorjahr um 18 gestiegen.  In Euskirchen sei beispielsweise ein Mann erwischt worden, der sich mit einer Axt Zugang zu drei Geschäften verschafft hatte. Er ist mittlerweile zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. 

Anonymität des Internets

Mehr Verbrechen habe es aus der Anonymität des Internets heraus gegeben. „Den Tätern wird es leichter gemacht, im Netz zu agieren“, sagt Friedhelm Weimann, stellvertretender Leiter der Direktion Kriminalität bei der Kreispolizei. Auch die häusliche Gewalt ist um 18 Prozent auf 249 Fälle angestiegen. „Man lebt coronabedingt mehr im häuslichen Umfeld zusammen“, so Weimann.

Insgesamt wurden im Kreis 9604 Straftaten  im Jahr 2021 verübt. Das sind 103 mehr als  im Vorjahr. Diese Entwicklung ist  gegenläufig zum Landestrend, wo in den vergangenen Jahren die Fallzahlen sanken, während sie im Kreisgebiet nun zum zweiten Mal in Folge gestiegen sind.

Neues Verfahren bei Kinderpornografie

Eine extreme Zunahme gab es darüber hinaus im Bereich der Kinderpornografie. Das hat aber rein arbeitstechnische Gründe, wie Weimann erläutert. Durch eine geänderte Verfahrensweise bei Verdachtsfällen (die bisher unter anderem über die US-Behörde NCMEC an die deutschen Kollegen gemeldet wurden) können diese  schneller  bearbeitet   werden. „Alles, was auf Halde lag, wird jetzt abgearbeitet“,  so  Weimann.  Es habe im Jahr 2021 keinen drastischen Anstieg der Fallzahlen gegeben, wie die nackten Zahlen suggerieren.

Abgenommen hat die Zahl der Betäubungsmitteldelikte. Dabei handelt es sich laut  Weimann   um sogenannte Kontrolldelikte. Heißt: Wenn die Polizei weniger kontrolliert, gibt es   weniger Fälle. Unter anderem durch die Flutkatastrophe ist genau das geschehen. Der Rückgang sei   auf andere Einsatzschwerpunkte zurückzuführen.

Kreis Euskirchen ist sicher

Landrat Markus Ramers als oberster Dienstherr der Kreispolizei kommt zu dem Schluss: „Der Kreis Euskirchen zählt immer noch zu den sichersten Kreisen im Land NRW.“  Vor allen Dingen liege die Aufklärungsquote, trotz eines leichten Rückgangs, immer noch über dem Landesdurchschnitt. Gleichzeitig wies Ramers auf neue Phänomene des Jahres 2021 hin: Coronaleistungs-Betrug und gefälschte Impfzertifikate. „Wir nehmen kriminelles Handeln nicht hin“, spricht Ramers stellvertretend für die 75 Mitarbeiter in der Kriminalpolizei.

Mit den  Auswirkungen der Flut hat die Polizei  auch selbst zu kämpfen. Durch die Beschädigungen ist das Gebäude in Schleiden derzeit nicht nutzbar. Die Wache ist daher vorübergehend in Container gezogen, um weiterhin vor Ort präsent zu sein, das Kriminalkommissariat 3  ist aktuell in   Euskirchen. „Dort mussten wir enger zusammenrücken“, so Ramers. In einigen Wochen könnten die Schleidener Kollegen  hoffentlich  zurückkehren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Verteilung der Straftaten richtet sich größtenteils nach der Bevölkerungsdichte. 41,6 Prozent der Delikte ereignen sich in Euskirchen, es folgen Mechernich (12 Prozent) und Zülpich (10,6 Prozent). Fast genau zwei Drittel aller Fälle wurden im Nordkreis registriert. Dieser Anteil lag in den vergangenen Jahren meist bei 70 Prozent. „Es gibt eine minimale Verschiebung in den Südkreis“, so Weimann.

Einbruchsdiebstähle

Mit nur 184 Wohnungseinbruchsdiebstählen oder Tageswohnungseinbrüchen wurde die ohnehin schon niedrige Zahl von 2020 (186) noch einmal unterboten. In den Jahren zuvor lag  sie  bei 239 und 240, 2017 sogar bei 363. Dabei wird der aktuelle Wert noch durch einen Serieneinbrecher verfälscht, der in Campingwagen und Wochenendhäuser eingestiegen war und dort Alltagsgegenstände gestohlen hat. Dieser war für 41 Einzeltaten verantwortlich. Weil er festgenommen wurde   und die Polizei ihm die Straftaten nachweisen konnte, stieg auch die Aufklärungsquote auf ungewöhnlich hohe 33,7 Prozent an. In den Jahren zuvor hatte sie in dem Bereich bei 12,5 bis 16 Prozent gelegen.

Gewaltkriminalität

Die   Zahlen lassen die Vermutung zu, dass Kinder gewalttätiger werden, schließlich hat sich ihr Anteil an der Gewaltkriminalität fast verdoppelt. Das ist aber der Fluch der kleinen Zahl: Sie  stieg von 9 auf 17. „Wir sehen hier keinen Grund zur Besorgnis“, sagt Weimann. Insgesamt gab es 364 Fälle. Dazu zählen auch die insgesamt sechs Tötungsdelikte, von denen es bei vier beim Versuch blieb.

Straßenkriminalität

Hier sieht die Polizei schon einen Zuwachs der Fallzahlen bei Kindern (von 17 auf 34) und Jugendlichen (von 67 auf 83). Als Gründe vermutet die Polizei die Ausfälle von Schule und anderen Freizeitaktivitäten. Insgesamt gab es 1920 Fälle. Nur jeder fünfte Fall wird aufgeklärt. „Es handelt sich um schwer aufklärbare Delikte, oft ohne Zeugen oder ein großartiges Spurenbild“, sagt Weimann.

Tatverdächtige

Etwa drei von vier Tatverdächtigen sind männlich, jeder zweite Verdächtige ist polizeibekannt. Acht Prozent  sind während einer Tat betrunken, 6,5 Prozent  konsumieren harte Drogen. Knapp 23 Prozent haben keine deutsche Staatsbürgerschaft. 

KStA abonnieren