GesetzCannabis als Medizin – Apotheker aus Kreis Euskirchen ist sauer auf Karl Lauterbach

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Das Bild zeigt ein Medikamentendöschen mit der Aufschrift „Cannabis“. Die Medizin wird mit einer Pinzette herausgezogen.

Cannabisblüten dienen auch zur medizinischen Behandlung.

Das Cannabis-Gesetz sei „schlampig umgesetzt“, sagt Thomas Göbel, Apotheker-Sprecher im Kreis Euskirchen. Dabei gehe es um Schmerztherapie.  

Auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist Dr. Thomas Göbel nicht gut zu sprechen. Über das Für und Wider der Cannabis-Teillegalisierung will der Sprecher der Apotheker im Kreis Euskirchen auch gar nicht mehr groß sprechen. „Es gibt Argumente dafür und Argumente dagegen“, sagt er. Schließlich aber handele es sich um ein Gesetz, das demokratisch beschlossen worden sei. Das habe man zu akzeptieren.

Worüber Göbel aber sehr wohl sprechen will, ist die aus seiner Sicht „schlampige Umsetzung“. Weil alles sehr schnell gehen musste und ziemlich knapp vor dessen Gültigkeit das Gesetz durch den Bundesrat ging, seien die Patienten vergessen worden, die auf Cannabis aus medizinischen Gründen angewiesen seien. Davon seien auch viele Patienten im Kreis Euskirchen betroffen.

Cannabis wird auch in der Schmerztherapie eingesetzt

Es gehe um Menschen, die so unter so schweren Schmerzen leiden, dass ihnen nichts anderes mehr helfe. „Cannabis wird seit Jahren in der Schmerztherapie eingesetzt“, so Göbel.

Dabei handele es sich um einen Stoff, den man nicht so einfach erwerben kann. „Cannabis in Form als Medizin weist eine definierte Anbauqualität auf, die Schadstofffreiheit ist zertifiziert und die Konzentration der Wirkstoffe festgelegt“, so Göbel. Schließlich sollen in der Regel chronische neurologische Schmerzen gelindert werden. Kurzum: Man bekommt es auf Rezept.

Das Bild zeigt Dr. Thomas Göbel in seiner Apotheke.

Dr. Thomas Göbel, Sprecher der Apotheker im Kreis Euskirchen, kritisiert die „schlampige Umsetzung“ des Cannabis-Gesetzes.

Und genau hier liege, so Göbel, das Problem seit dem 1. April. Cannabisöle oder -blüten etwa fielen bis dahin unter das Betäubungsmittelgesetz. Nun ist Cannabis aber kein Betäubungsmittel mehr. Es braucht also folgerichtig auch kein verwaltungsaufwendiges BTM-Rezept mehr. „Das sind dreiteilige Formulare, die der Dokumentation dienen“, erklärt Göbel: „Die müssen die Ärzte in der Bundesdruckerei anfordern.“

Apotheker aus dem Kreis Euskirchen übt Kritik an Gesundheitsministerium 

Die Teile eins und zwei werden in der Apotheke vorgelegt. Teil eins mussten die Apotheken drei Jahre lang ab Abgabedatum für Prüfzwecke aufbewahren.  Teil zwei diente zur Abrechnung mit den Kassen. Weil das ganze aufwendig war, erhielten die Apotheken eine zusätzliche Gebühr in Höhe von 4,26 Euro pro Abgabe von den Krankenkassen. BTM-Rezepte gelten auch nur für sieben Tage.

Angesichts dieser Formalien dürfte die abgeschaffte BTM-Einstufung von Cannabis für Erleichterung sorgen, sollte man meinen. Das Problem sei nur, so Göbel: „Die Verordnungs-Software in den Arztpraxen ist darauf noch nicht eingestellt.“

Auch Menschen im Kreis Euskirchen sind auf Cannabis-Mittel angewiesen

Gebe ein Arzt nämlich ein Cannabis-Produkt ein, erscheine automatisch ein BTM-Rezept auf dem Monitor. Die Verschreibung mit einem E-Rezept oder einem Rosa-Druck-Rezept lasse das System aktuell nicht zu.

Das bestätigt auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO). „In der Verordnungssoftware werden die Änderungen erst zum 1. Mai eingepflegt werden“, heißt es in einer Mitteilung. Und auf Anfrage der Redaktion erklärte die Pressestelle der KVNO:  „Bei den Praxen sind dies insbesondere die Praxisverwaltungssysteme und im Fall von Cannabis die dahinterliegenden Medikamentendatenbanken, also die Verordnungssoftware.“

Erfahrungsgemäß benötigten die Hersteller eine gewisse Zeit, um Änderungen technisch umzusetzen und den Praxen zur Verfügung zu stellen. „Darauf haben die Praxen keinen Einfluss“, so ein KVNO-Sprecher.

AOK-Regionaldirektor rechnet mit einer baldigen Lösung

Für Göbel ist das ein weiteres Beispiel für eine übers Knie gebrochene Einführung eines Gesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium. Den  Apotheken stelle sich nun die Frage, ob sie die Abgabe angesichts dieses Rezepte-Wirrwarrs auch mit den Kassen abrechnen können.

Cannabis-Medizin sei vergleichsweise teuer, in der Regel gehe es um mehrere Hundert Euro pro Abgabe. „Viele, die darauf angewiesen sind, sind wegen der Krankheit berufsunfähig, können also die Medizin nicht selbst bezahlen“, sagt der Apotheker.

Dieses Problem ist auch Thema bei den Kassen, wie Helmut Schneider, Regionaldirektor der AOK Rheinland/Hamburg, auf Anfrage bestätigte. Er rechne aber mit einer baldigen Lösung.

Auch die Gesetzlichen Krankenkassen wollten die Versorgung ihrer Patienten gewährleisten und die auf einem BTM-Rezept ausgestellten Verschreibungen für Cannabis und Dronabinol sowohl geliefert als auch abgerechnet werden, versichert Schneider. Das habe der Spitzenverband der Gesetzlichen Kassen mitgeteilt. Die BTM-Gebühr für die Apotheken werde künftig aber wohl wegfallen, denn die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht falle ja auch weg.

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