Faszination HeimatDie seltenen und weniger seltenen Schmetterlinge im Kreis Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten
Ein Brombeer-Perlmuttfalter sitzt auf einer verblühten Wiesen-Flockenblume.

Die Sistiger Heide ist ein idealer Lebensraum für viele Schmetterlinge. Ein Brombeer-Perlmuttfalter sitzt auf einer verblühten Wiesen-Flockenblume.

In der Reihe „Faszination Heimat: Das Leben vor der Haustür“ stellt Horst Klein die Schmetterlinge der Eifel vor.

Horst Klein holt mit seinem Kescher aus, macht eine schnelle Bewegung und guckt nach: Treffer. Ein Schmetterling ist ihm ins Netz gegangen. Er greift in seine Tasche und nimmt ein durchsichtiges Döschen heraus. Vorsichtig bugsiert er den Schmetterling in das Gefäß, ohne dabei die sensiblen Flügel zu berühren.

Es ist ein Schachbrettfalter. „Woher er den Namen hat, sieht man“, sagt der Biologe. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologischen Station des Kreises Euskirchen und kennt sich mit Schmetterlingen aus. Die Flügel des Schachbrettfalters sind weiß-schwarz gemustert, wie ein Schachbrett eben.

Flächen wie die Sistiger Heide sind ideal für Schmetterlinge

Der Schmetterling möge Flächen wie die Sistiger Heide, so Klein. Gräser, verschiedene Blumen, Disteln – eine ideale Umgebung für Eier, Raupen und ausgewachsene Schmetterlinge. Doch solche Flächen werden immer weniger. Der Schachbrettfalter gehört zwar nicht zu den gefährdeten Arten, aber: „Es ist eine Art, die generell viel Lebensraum verloren hat“, sagt Klein.

Ein Mann steht auf einer Wiese mit hohen Gräsern. Er fängt Schmetterlinge, um sie zu bestimmen.

Geschickte Bewegung: Horst Klein weiß, wie man Schmetterlinge behutsam einfängt.

Und da ist er schon bei einem großen Problem vieler Schmetterlingspopulationen: der Landwirtschaft. Schmetterlinge können nicht so recht mit, aber auch nicht ohne sie. Erst die landwirtschaftliche Nutzung und Kultivierung von Grünland habe die artenreichen Wiesen entstehen lassen, die viele Schmetterlinge zum Leben brauchen, erläutert Klein. Das Mähen sei dabei sehr wichtig, sonst würden die Flächen verbuschen und zuwuchern. Die floristische Vielfalt würde verloren gehen.

Es ist generell so, dass die Landnutzung entscheidend ist für die Schmetterlingsentwicklung.
Horst Klein

Doch die Landwirtschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Grünland wurde mehr gedüngt sowie häufiger und früher gemäht. Nun führt die landwirtschaftliche Nutzung zum Verlust von floristischer Vielfalt und damit zu einem Verschwinden von Lebensräumen vieler Schmetterlingsarten. „Es ist generell so, dass die Landnutzung entscheidend ist für die Schmetterlingsentwicklung“, betont der Experte.

70 Prozent der Schmetterlingsarten in NRW sind gefährdet

In NRW gebe es insgesamt rund 100 verschiedene Schmetterlingsarten. Lediglich 30 Prozent davon seien nicht gefährdet. Die großen Einschnitte in die Entwicklung der Schmetterlinge liegen laut Klein aber schon länger zurück. „Es hat sich auf einem geringen Niveau stabilisiert.“ Und es gebe auch positive Beispiele.

Der Kreis Euskirchen gehöre mit seinem Vertragsnaturschutz dazu. Landwirte verpflichten sich, einen Teil ihrer Flächen naturschutzgerecht zu bewirtschaften und bekommen im Gegenzug dafür Geld. 500 landwirtschaftliche Betriebe machen im Kreis Euskirchen mit. Das sei beachtlich, sagt Klein. Und es verschaffe einigen Schmetterlingsarten Lebensräume.

Ein Schachbrettfalter sitzt auf einer Blüte.

Der Schachbrettfalter mag Grünland, das nicht zu intensiv genutzt wird. Er ist nicht gefährdet.

Klein öffnet die Dose und lässt den Schachbrettfalter wieder fliegen. Der Großteil der Schmetterlinge ist im Früh- oder Hochsommer zu beobachten. Sie mögen es warm und nicht zu nass. Die Flugzeit der meisten Arten betrage nur zehn bis 30 Tage, sagt Klein. Den überwiegenden Teil ihres Lebens verbringen sie als Raupe. Einige Arten können allerdings überwintern, Zitronenfalter zum Beispiel. „Der hat quasi ein Frostschutzmittel“, berichtet Klein.

Der Goldene Scheckenfalter ist derzeit verschollen

Er geht davon aus, dass eine Vielzahl der in NRW verbreiteten Arten auch in der Eifel vorkommt. „Hier in der Eifel ist die Lebensraumsituation besser als in der Börde“, berichtet er. Allein in der Sistiger Heide seien schon mehr als 20 Arten nachgewiesen worden. Eine aber vermissen Beobachter seit geraumer Zeit. „Der Goldene Scheckenfalter ist derzeit verschollen“, sagt Marietta Schmitz, Agraringenieurin bei der Biologischen Station.

Ein Admiral sitzt auf einem Ast.

Wanderfalter: Der Admiral fliegt eigentlich jedes Jahr aus dem Mittelmeerraum her. Inzwischen überwintert er aber auch hier.

Für den orange-goldenen Falter sei die Sistiger Heide der ideale Lebensraum. Seine Raupen sind unter anderem auf Teufelsabbiss und Acker-Witwenblume spezialisiert. Beides wächst hier. Aber: „Der kommt von allein nicht wieder, wenn er nicht in der Nachbarschaft vorkommt“, berichtet Klein. Und in der Nachbarschaft der Sistiger Heide gibt es weit und breit keine Population dieser Art. Das Naturschutzgebiet liege ziemlich isoliert, so Schmitz. Auch daran arbeite die Biologische Station: einer Vernetzung von Naturschutzgebieten. Dadurch könnten Arten wandern, sich mehr ausbreiten, und ihr Überleben sei nicht mehr an einen Standort gebunden, so Schmitz.

Seltene Arten sollen in der Eifel wieder angesiedelt werden

Sie leitet das Projekt „Life - helle Eifeltäler“, mit dem der Goldene Scheckenfalter und auch der Blauschillernde Feuerfalter im Kreis wieder angesiedelt werden sollen. Die Raupen des Blauschillernden Feuerfalters sind noch wählerischer als die des Scheckenfalters. Sie ernähren sich ausschließlich von Schlangenknöterich. Und der Schmetterling mag es lieber kühl und gilt damit als Verlierer des Klimawandels. Klein und Schmitz sind aber zuversichtlich, dass er in der Nordeifel noch Überlebenschancen hat.

Ein Widderchen sitzt auf einer Wiesen-Flockenblume. Dieser Schmetterling gehört zu den Nachtfaltern.

Bunter Nachtfalter: Ein Widderchen sitzt auf einer Blume.

Doch es gibt auch Gewinner des Klimawandels. Einen hat Schmitz gerade entdeckt und zeigt ihn Klein. Der holt erneut mit seinem Kescher aus und präsentiert kurz darauf einen orangefarbenen Falter: den Brombeer-Perlmuttfalter. Diese Art breite sich immer mehr aus, sagt Klein. Experten seien sich einig, dass das am Klimawandel liege. Klein und Schmitz freuen sich über den Zuwachs. Er sei schön anzusehen und nehme niemandem etwas weg.

Die Tagfalter sind besser erforscht als die Nachtfalter

Bei den Schmetterlingen unterscheide man grob in Tag- und Nachtfalter, erklärt Klein weiter. Die Tagfalter seien viel besser erforscht, obwohl es viel mehr Arten von Nachtfaltern gebe. Und nicht alle davon seien in der Dunkelheit aktiv. Er deutet auf eine Wiesen-Flockenblume am Wegesrand. Mitten auf der lila Blüte sitzt ein kleines schwarzes Insekt. Auf den Flügeln sind dicke rote Punkte zu sehen. Das sei so ein tagaktiver Nachtfalter, sagt Klein. Welche Art es genau sei, könne er nicht sagen, aber er gehöre zu den Widderchen.

Die Sistiger Heide sei ein wunderbares Gebiet, sind sich Klein und Schmitz einig. Zu jeder Jahreszeit lasse sich hier viel beobachten. Und dank eines von der NRW-Stiftung angelegten Pfades kann man in das Naturschutzgebiet hinein.

Nur mit einem Kescher durch die Wiese laufen und Schmetterlinge fangen, das sollte man Experten wie Horst Klein überlassen. Die bunten Falter lassen sich hier aber auch so gut beobachten.


Aufzucht im Schmetterlingsgarten

Der Goldene Scheckenfalter kann schon heute in der Eifel beobachtet werden. Im Schmetterlingsgarten Eifalia. Hier wird er für die Biologische Station gezüchtet. „Wenn wir genügend Tiere haben, werden unterschiedliche Entwicklungsstadien freigelassen“, erklärt Marietta Schmitz. Sie hoffe, dass sich die Art dann wieder stabil ansiedele.

In einer Kooperation mit der Biologischen Station des Rhein-Sieg-Kreises setzt sich die Biologische Station zudem für den Schutz des Hellen und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings ein. Zwei seltene Schmetterlingsarten, die ihre Eier ausschließlich im Blütenkopf des Großen Wiesenknopfs ablegen. Die NRW-Stiftung fördert das Artenschutzprojekt bis 2025 mit 280.000 Euro. Schon von 2020 bis 2022 hatte sie das Projekt mit bis zu 286.800 Euro unterstützt. (jre) 

KStA abonnieren