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Vor dem SessionsauftaktKarnevalisten im Kreis Euskirchen ächzen unter steigenden Kosten

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Ein Musiker mit Bassgitarre steht im Konfettiregen auf der Bühne.

Der Sitzungskarneval in Euskirchen – auch die ausverkaufte Damensitzung – ist seit Jahren ein Verlustgeschäft. 

Die Vorfreude auf den Karneval wird von Sorgen vor der Pleite begleitet. Die Session sei ein Verlustgeschäft, sagt Stefan Guhlke in Euskirchen.

Am Dienstag ist es so weit: Dann ist der Elfte im Elften, dann geht wieder das Trömmelche. Doch trotz aller Vorfreude auf die jecke Zeit herrscht längst nicht bei allen Karnevalisten eitel Sonnenschein. Während der Kölner Karneval sich nicht mehr nur in der Session über hohe Umsätze freut und zahlreiche Arbeitsplätze generiert, schlagen einige hiesige Vereine Alarm – in Gemünd und Euskirchen etwa plagen sie ähnliche Sorgen.

„Wenn wir die nächsten zwei Jahre so weitermachen, sind wir pleite“, sagt Stefan Guhlke, Präsident des Festausschusses Euskirchener Karneval (Feuka). Die fünfte Jahreszeit in Euskirchen sei längst ein Verlustgeschäft – egal, ob Sessionseröffnung, Altentag, Weibertag, Proklamation oder Damensitzung. Er mache sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft der fünften Jahreszeit.

Die Proklamationssitzung in Euskirchen kostet fast 30.000 Euro

Allein der Weibertag vor dem Veybach-Center und die Sessionseröffnung auf dem Alten Markt verschlingen laut Guhlke jeweils 15.000 Euro. Die Proklamation in der Alten Tuchfabrik koste sogar fast 30.000 Euro. Miete, Technik und Infrastruktur verschlingen einen niedrigen fünfstelligen Betrag. Halbwegs mit einer schwarzen Null komme man da schon lange nicht mehr raus. Wer soll das bezahlen? „Uns wird gerne vorgeworfen, dass wir uns an den Veranstaltungen bereichern. Aber das ist völliger Quatsch, weil sämtliche Karnevalsveranstaltungen defizitär sind“, so Guhlke.

„Wir haben das Gefühl, dass die Menschen in Euskirchen ein bisschen karnevalsmüde sind“, sagt Markus Tews, Vize-Präsident der Prinzengarde. Die vier vaterstädtischen Vereine und der Feuka unternehmen Tews zufolge alles, um „den Karneval in Euskirchen erlebbar zu machen“. Teilweise werde ein Programm geboten, das man zwar auch in Köln erleben könne, dann aber für deutlich mehr Eintritt und mit deutlich höheren Preisen bei Speisen und Getränken.

Zur Sessionseröffnung in Euskirchen spielen Räuber und Fiasko

Um den Euskirchenern aber bei der Sessionseröffnung am Samstag, 15. November, beispielsweise Bands wie Fiasko oder die Räuber bieten zu können, gehen die Vereine ein finanzielles Risiko ein – denn die Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren, halten sich laut Guhlke in Grenzen.

Untätig wollen weder der Feuka noch die Vereine sein. Beispiel Sessionseröffnung: Wurde auf dem Alten Markt in den vergangenen Jahren der Ausschank extern vergeben, soll er nun in eigenen Händen bleiben, um Einnahmen zu erzielen. Gleiches gilt für den Weibertag, der seit einigen Jahren vor dem Veybach-Center gefeiert wird. Aber, so Guhlke, da gibt es noch ein Problem: „An dem Tag sind wir alle unterwegs – mit Tollität, mit Küfer. Da wird es schwer, Thekenpersonal zu finden. Dafür müssen wir noch eine Lösung erarbeiten.“

Kölsch- und Bratwurstverkauf allein füllen die Kasse nicht

Der Feuka-Chef macht keinen Hehl daraus, dass der Kölsch- und Bratwurstverkauf während der beiden Veranstaltungen die Kassen nicht füllt. Es seien eher viele Tropfen auf den heißen Stein, aber man müsse auch kleinere Einnahmequellen nutzen. Auch weil Sponsoren wegfallen, beispielsweise weil die Unternehmen ihr Sponsoringkonzept verändert haben. Da fehle schnell ein vierstelliger Betrag in der Kasse, so Guhlke.

Er wünscht sich vor allem eins: „Wir brauchen wieder mehr normale Leute bei den Veranstaltungen, die Lust auf Karneval haben.“ In den vergangenen Jahren sei bei der Sessionseröffnung das Publikum praktisch dasselbe gewesen. Und voll sei es erst geworden, als die vaterstädtischen und befreundeten Vereine aufmarschiert seien. Ähnliches gelte für die Proklamationssitzung in der Alten Tuchfabrik. Die 856 Plätze seien eher selten ausverkauft. Häufig kaufen Freunde und Bekannte die Karten. Wenn dann ein Dreigestirn regiere, sei es per se leichter, die Tickets zu verkaufen. Aber auch dann sei eine solche Veranstaltung kein Selbstläufer mehr.

Das, was den Karneval ausmacht, kann man mit viel weniger Aufwand auch in Euskirchen erleben.
Stefan Guhlke, Festausschuss Euskirchener Karneval

In der kommenden Session betritt der Euskirchener Karneval Neuland. Nach Informationen dieser Zeitung wird erstmals eine Prinzessin, die schon mal Südstadtregentin war, an der Spitze der Kreisstadt-Jecke stehen. Neu sind Frauen im Euskirchener Karneval nicht: Im vergangenen Jahr regierte erstmals ein Prinzenpaar, 2012/13 war es ein weibliches Dreigestirn.

Die Proklamation am 10. Januar in der Alten Tuchfabrik hat laut Guhlke wieder namhafte Akteure zu bieten: „Dafür muss man nicht nach Köln in den Gürzenich oder an den Tanzbrunnen. Das, was den Karneval ausmacht, kann man mit viel weniger Aufwand auch in Euskirchen erleben“, sagt Guhlke.

Die Euskirchener sollen wieder mehr Lust auf Fastelovend haben

Er erwähnt eine weitere Veranstaltung, die defizitär sei: den Altentag. Die Audienz am Hofe Sr. Tollität sei unheimlich wichtig für den Karneval, aber eben auch schwierig zu finanzieren. „Wir könnten solche Publikumsveranstaltungen als reine Vereinsnummer durchziehen, aber dann bliebe etwas Wichtiges auf der Strecke: Den Karneval als Tradition weiterzutragen und erlebbar zu machen“, sagt Tews.

Es sei ein Alarmsignal, dass selbst die Damensitzung von Alt Oeskerche mit ihrem hochkarätigen Programm und ausverkauftem Haus seit Jahren ein Verlustgeschäft ist. Eine Möglichkeit sei, die Eintrittspreise anzuheben. Das sei aber ein Spagat – da man die Jecken mit teureren Tickets schnell vor den Kopf stoße. Entsprechend wünschen sich Tews und Guhlke – neben Sunnesching am Ruusemondach –, dass die Euskirchener wieder Lust auf Karneval haben und auch bereit sind, etwas zu investieren – und wenn es nur Zeit ist, um auf den Alten Markt zu kommen.

Gemünder kämpfen seit Jahren um die Schwarze Null

Ein ganz ähnliches Bild zeichnen die Verantwortlichen der KG Rot-Weiß Gemünd. Es ist selten, dass die Gesichter von René Gerhards, Andreas Mertens und Gerd Schmitt ernst sind, wenn es um Karneval geht. Doch der Frohsinn hört genau dort auf, wo es nicht mehr um gute Laune, Konfetti und Kamelle geht, sondern um die Zahlen.

Gerade die allgemein gestiegenen Kosten sind ein Dilemma: Mitmachen bei den Preiserhöhungen oder untergehen? „Es gibt im Karneval nichts zu verdienen“, sagt Gerd Schmitt. „Zelt und Zug sind am teuersten“, bestätigt Präsident Gerhards. So seien die Auflagen für den Rosenmontagszug im vergangenen Jahr noch einmal verschärft worden.

Kostümierte Karnevalisten feiern im mit Luftballons dekorierten Saal.

Ein voller Kursaal in Gemünd entledigt die Karnevalisten nicht aller Sorgen. Ein Kostenfaktor ist das Zelt am Karnevalswochenende.

Ein spezielles Thema sei das Zelt, das von Weiberfastnacht bis Rosenmontag auf dem Marienplatz steht. „Wenn wir die Getränkepreise nicht erhöht hätten, hätten wir draufgezahlt“, sagt Schmitt. Seit Jahren werde darum gekämpft, dort eine schwarze Null zu erwirtschaften. „Von den anderen Vereinen bekommen wir Lob, dass wir das durchziehen“, sagt er – doch kaufen können sie sich davon nichts. Stattdessen ist Zahlen angesagt, etwa wenn kurzfristig die Auflage kommt, im Zelt acht Mitarbeiter einer zertifizierten Securityfirma zu haben. Das habe wieder einen vierstelligen Betrag gekostet. „Aber die waren gut“, sagt   Gerhards.

Bei Saalveranstaltungen braucht der Verein externe Hilfe

Finanziell sei der Marienplatz uninteressant, betont Schmitt. Etwas Geld muss woanders herkommen: „Da gibt es andere Veranstaltungen wie den Weihnachtsmarkt in Gemünd.“ Doch das Engagement ist den Karnevalisten wichtig. „Wenn wir nichts machen würden, wäre tote Hose“, so Schmitt, der zweimal Prinz der Gemünder war, 2017/18 und, weil es so schön war, 2022/23.

Es gibt im Karneval nichts zu verdienen.
Gerd Schmitt, KG Rot-Weiß Gemünd

„Wir machen das für die Gemünder, sonst gäbe es keinen Karneval mehr“, sagt Gerhards. Es sei nur schade, dass die Besucherzahlen im Zelt nicht ausreichend seien. Zehn Euro kostet der Eintritt am Donnerstag, aber, so Gerhards: „Was uns rettet, ist der Sponsor.“ Am Eintrittspreis solle auch nicht gerüttelt werden.

Ein Plus mache der Verein bei den Saalveranstaltungen, doch auch das habe Grenzen. „Die Leute denken immer, wenn der Kursaal voll ist, machen wir den großen Reibach. Aber das ist nicht so“, sagt Schmitt. Denn beim Thekenpersonal könne nicht auf Vereinsmitglieder zurückgegriffen werden – die Aktiven haben auf und hinter der Bühne alle Hände voll zu tun. Also muss auf Externe zurückgegriffen werden – und das kostet wieder 2000 Euro.

Gema-Gebühren und Gagen für die Künstler sind gestiegen

Dazu sei die Saalmiete gestiegen, genauso wie die Künstlergagen und die Gema. „Das kostete früher 250 Euro, jetzt schon 800“, sagt Schmitt. Bei den Gagen habe der Verein die Kosten am ehesten in der Hand, da sich die Sitzungen gerade durch die Beiträge der Gemünder auszeichnen. Zur Not gebe es dann eben einen externen Künstler weniger. „Wir haben unter den Eigengewächsen gute Leute“, sagt Gerhards.

Ein heftiger Posten seien gerade für die Gemünder die Kostüme, betont Schmitt. Bei der Flutkatastrophe wurde das Vereinsheim zerstört, mitsamt dem kompletten Kostümfundus. Bei der Neubeschaffung schlägt die Preissteigerung stark zu Buche: „Was früher 350 Euro gekostet hat, kostet jetzt 1200 Euro.“

Ein erheblicher Kostenfaktor sei auch die Teilnahme an fünf Zöch im Straßenkarneval. 4000 Euro pro Jahr koste allein die Instandhaltung der Wagen. Die Halle, in der die Wagen in der karnevalsfreien Zeit stehen, muss bezahlt werden. Und vor allem das Wurfmaterial kostet viel Geld. „Wir haben Kamellebeiträge eingeführt“, sagt Gerhards. Auch weil man Wert auf Qualität legt, wie Mertens berichtet: „Wir haben nicht die ganz günstigen Kamelle, die bleiben liegen.“ Damit fahre der Verein gut.


Nettersheimer profitieren vom Ausschank im Saal

Für die KG „Löstige Höndche“ aus Nettersheim gestalten sich die Kostenfaktoren zu Karneval anders. Im Ort gibt es den Dorfsaal, der von den Nettersheimer Vereinen gemeinsam finanziert, genutzt und verwaltet wird. Hier veranstalten die Höndche eine Kindersitzung, zwei Kappensitzungen und den Masken- und Kostümball am Karnevalssamstag. Doch auch dort ist die Luft dünner geworden.

„Früher war die Faustregel, dass mit dem Eintritt die Musik bezahlt ist, der Rest ist fürs Vereinssäckel“, erklärt Udo Poensgen, bis vor Kurzem stellvertretender Vorsitzender. Doch dann müsste die Karte 22 Euro kosten – unmöglich, findet er: „Wir sind in einem 2000-Leute-Dorf.“ So könne auch der Bierpreis nicht einfach erhöht werden, denn: „Das Geld sitzt nicht mehr so locker.“

Auch für den Kühlwagen wird jetzt Geld fällig

Dafür seien aber die Kosten gestiegen, ergänzt Miriam Krüger, Vorsitzende des Vereins. Der Einkauf sei teurer geworden, die Gagen der Künstler gestiegen – und mittlerweile müsse auch der Kühlwagen für die Getränke bezahlt werden, der vorher umsonst genutzt werden konnte.

Die Situation hat sich verbessert, seit der Ausschank im Dorfsaal im vergangenen Jahr in der Hand der Höndche liege. „Vorher waren die Sitzungen ein Minusgeschäft“, so Poensgen. Doch auch der Saal müsse unterhalten werden. Verwaltet wird er vom Vereinskartell in Nettersheim in Kooperation mit den anderen Vereinen. „Es ist ein Segen, dass wir den haben“, sagt Krüger.

Kostüme, Orden, Gebühren – alles wird teurer

Probleme bereiteten die Kostüme, vor allem die der Kinder, berichtet Krüger. „Aktuell haben wir 62 Gardekinder zwischen 3 und 18 Jahren“, sagt sie. Der Kinderbeitrag liege pro Jahr bei sechs Euro und enthalte eine Versicherung. „Da bleibt nichts hängen“, sagt sie. Doch der Beitrag solle so bleiben. „Wir möchten jedem Kind die Möglichkeit geben, auf der Bühne zu stehen“, sagt sie. Seit sieben Jahren müssten die Eltern aber für Schuhe und Strumpfhosen sorgen, das sei für den Verein nicht mehr bezahlbar gewesen.

Ein Stock von Kostümen sei für die Tollitäten vorhanden, berichtet Krüger. Sie selbst habe sich als Prinzessin in der vergangenen Session ein Ornat schneidern lassen. Dazu finanziere der Verein rund 100 Orden, doch auch deren Preis sei um 2,50 Euro auf 13 Euro gestiegen.

Der Rosenmontagszug verursacht höhere Kosten

Wie überall seien auch die Kosten für den Rosenmontagszug gestiegen, darunter die Gebühren, die beim Kreis gezahlt werden müssen. „Die sind bis zu 40 Prozent teurer geworden“, moniert Krüger. Ob die Sicherheitsauflagen auf dem Land so notwendig seien, sei die Frage. „Für die Stadt sind die Auflagen natürlich verständlich“, sagt Poensgen.

Die Kosten für die fünf Musikvereine, die im Gemeindezug mitgehen, werden auf die Gemeinschaft aus den Löstig Jonge Marmagen, Rot-Weiß Engelgau, Klävbotze Zingsheim und Löstige Höndche Nettersheim umgelegt.

Jedes Jahr wandert das Recht, den Zug auszurichten, von einem Verein zum nächsten. Nur Tondorf mache in dieser Gemeinschaft nicht mit – dort veranstaltet man sonntags einen eigenen Zug.


Räuber und andere Bands auf dem Alten Markt

Bei der Sessionseröffnung in Euskirchen am Samstag, 15. November, stehen Fiasko, Timo Schwarzendahl, Philipp Goudart, Julie Voyage und die Räuber auf der Bühne auf dem Alten Markt. Der Eintritt ist frei.

Bei der Proklamationssitzung am Samstag, 10. Januar, kommen die Rabaue, Lupo, Alstädter Köln oder auch die Tanzgruppe Kölner Paulinchen in den Wohnraum in der Alten Tuchfabrik. Der Eintritt kostet 38 Euro. Karten kann man sich per E-Mail sichern.

Bei der Damensitzung am Mittwoch, 28. Januar 2026, stehen Marc Metzger, Druckluft, Kasalla, Räuber oder auch die Domstürmer auf der Bühne. Auch diese Sitzung findet in der Alten Tuchfabrik statt. Der Eintritt kostet 40 Euro. Karten bei Dieter Birkenbusch, 0151/50791437.