Wiederaufbau nach FlutGemünder Karnevalisten suchen Archivmaterial und ehemalige Tänzer

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Das Bild zeigt ein Haus, das bei der Flutkatastrophe 2021 von seinem Fundament gehoben und einige Meter fortgespült wurde.

Vom Fundament gehoben und weggeschwemmt wurde das Vereinsheim der KG Rot-Weiß im Gemünder Müsgesauel.

Die KG Rot-Weiß hat in der Flut ihr Vereinsheim verloren. Beim Wiederaufbau ihres Archivs benötigen die Gemünder Karnevalisten Hilfe.

Ein bisschen sentimental werden die Gemünder Karnevalisten schon, wenn sie darüber sinnieren, was die Flut alles genommen hat. Doch ganz schnell wird der Blick nach vorne gerichtet. Auf das, was ist. Auf das, was wird. Wer, wenn nicht die Jecken, soll denn auch Optimismus und Freude verbreiten?

Wir standen da, wo der Karneval auch am Anfang war: ganz unten.
Frank Michalski

Dafür, dass das Jeckenherz so richtig schwer wird, haben die Gemünder nach der Flut ohnehin keine Zeit gehabt. So viele Mitglieder sind schwer von der Katastrophe getroffen. Kaum einer macht sich da ernsthaft Gedanken übers Vereinsheim. Das haben die Wassermassen von seinem Fundament gehoben und einige Meter weiter abgesetzt. Die Hoffnung, dass man es vielleicht wieder zurückschieben könnte, ist naiv. Und das Urteil der THW-Experten eindeutig: Das Gebäude ist einsturzgefährdet, mit ein paar Radladern wird es abgerissen.

Karnevalisten hatten ihr Vereinsheim kurz vor der Flut saniert

Weg sind alle Kostüme. Weg sind Probenräume und Treffpunkt. Weg sind Bühnenmaterial und Technikausstattung. Weg ist das Archiv inklusive des berühmten Bierdeckels, auf dem die Gründerväter 1955 den Verein hochoffiziell aus der Taufe gehoben haben. Für die Katz' sind fünf, sechs Wochen Arbeit, die die Gemünder gerade erst in die Sanierung gesteckt haben.

Eine Gruppe Menschen steht vor einer Wiese. Dort hat bis zur Flut das Vereinsheim des Gemünder Karnevalsvereins gestanden.

Jeck zero nennen die Karnevalisten das Gelände, wo bis zur Flut ihr Vereinsheim stand.

Was bleibt? Nur wenig können die Karnevalisten mitnehmen, als sie kurz vorm Abriss noch mal ins Haus dürfen: Neun Schals. Ein Anhänger voller Pokale. Die Standarte. Ein paar Tollitäten-Fotos, die der Vorsitzende Andreas Mertens in seiner Einfahrt trocknet. Und das, was Präsident René (Bössje) Gerhards als das kleine Wunder bezeichnet: Die Glasplatte mit dem Nepujeck, dem Maskottchen, hat die Katastrophe überstanden. Die war gerade erst als Blende für die neue Theke gefertigt worden. „Eins steht fest: Die kommt auch ins neue Vereinsheim“, so Gerhards.

Der Wiederaufbau des Karnevals war schnell beschlossene Sache

„Wir standen da, wo der Karneval auch am Anfang war: ganz unten“, sagt (Ehren-)Präsi Frank Michalski. Ganz unten ist auch ganz nah bei den Leuten, wo Dinge wachsen und aufgebaut werden. Dass die Flut nicht das Aus für den Karneval in Gemünd bedeutet, beschließen die Verantwortlichen im September/ Oktober 2021. In der Jugendarbeit – fast die Hälfte der rund 300 Mitglieder sind Kinder und Jugendliche – sieht man eine Verantwortung.

Und erhält Hilfe aus der Nachbarschaft: In Herhahn, in Wolfgarten und in der Clara-Fey-Schule in Schleiden werden Trainingsräume zur Verfügung gestellt. Die Gesellschaften aus der Ringgemeinschaft im Altkreis Schleiden tragen Kostüme zusammen. Nachdem die Session 2021/22 wegen der Flut-Nachwehen und mal wieder wegen Corona vermurkst ist, steht für Mertens und Co. fest: „Wenn wir 2023 nicht starten, geht zu viel kaputt.“

Die KG zieht in den einstigen Kindergarten in Malsbenden

Und in der Tat: Es wächst wieder etwas. Das Spontan-Prinzenpaar hat sicherlich geholfen, dass die Session zwar ein wenig improvisiert, aber unterm Strich erfolgreich ist. „Corona hatte die Gruppen geschwächt. Dann kam die Flut obendrauf“, so Mertens: „Aber wir haben uns berappelt. Inzwischen gibt es eine neue Showtanzgruppe und zwei neue Gruppen bei den Kleinen.“ Nach und nach werden all die kleinen und großen Tänzerinnen und Tänzer wieder ausgestattet: „Vielleicht klappt alles bis zum Elften im Elften.“

Definitiv nicht fertig wird das neue Domizil bis zum Start in die neue Session. Nachdem sich Pläne für einen Neubau in Eigenregie an alter Stätte genauso wenig realisieren lassen wie an einem anderen Platz,   wird's nun der einstige Kindergarten im Wingertchen in Malsbenden. Auch dieses Haus hat das Wasser schwer beschädigt. Es gehört der Stadt und wird nicht wieder als Kindergarten aufgebaut – dafür wird das ehemalige Kino umgebaut. Das Haus wird vor allem das neue Heim der Karnevalisten, auch der SSV Gemünd und der JGV Malsbenden werden mit einziehen.

Bis dahin ist es ein weiter Weg. Das Haus steht im Rohbauzustand nahe der Urft. Die roten Klinker außen sind abgeschlagen, der Putz innen.   Der Wiederaufbau erfolgt in städtischer Regie, Ausschreibungen und bürokratische Hürden inklusive. Dass die Vereine sich mit Eigenleistungen einbringen möchten, versteht sich.

Wer allerdings wann und wie loslegen kann, steht nicht fest. Derzeit beunruhigt die Verantwortlichen eher, dass sich offenbar Unbekannte im Haus zu schaffen machen: In nahezu jedem Raum finden sie Spuren von Zündelei. Dennoch herrscht schon Vorfreude darauf, wenn wieder Leben und Lachen in dem Haus herrschen.


Gesucht werden Fotos, Filme, Tänzer und Erinnerungen

Beim Wiederaufbau liegt vieles nicht in der Hand der Jecken. In die Hand nehmen sie derweil die Arbeit an ihrem „Gedächtnis“. In einer Archivgruppe haben sich Wolfgang Breuer, Ewald Schäfer, Christian Schmid und Michael Hartmann zusammengefunden.

Die Karnevalisten suchen im Prinzip alles, um das Historienpuzzle zusammenzusetzen. Gegründet wurde der Verein 1955, die Garden 1957. Nun fragen die Gemünder: Wer hat alte Fotos aus der Zeit, Super-8-Filme, Tonaufnahmen, CDs, Videos oder Zeitungsausschnitte? Auch Erzählungen können hilfreich sein.

Das Bild stammt aus dem Jahr 1958 und zeigt eine Gardetänzerin mit einer Pferdeattrappe.

Fotos, Archivmaterial und Erinnerungen, wie hier aus den Anfängen der Garden 1958, sucht die KG.

Einiges beisteuern kann da sicherlich „Präsi“ Frank Michalski, der gleich erzählt, dass Gemünd eine der ersten Garden in der Region hatte. Und insgesamt der Fastelovend noch nicht sehr verbreitet war, die Gemünder daher auch in einer Art Missionsreise etwa auch in Kall die Sitzungen ausrichteten. Auch Henriette Frenken, Tochter des Vereinsgründers Karl-Heinz Schmitz, weiß einiges zu erzählen. Etwa, wie Trude Herr mal bei der Sitzung in Jemönk war. Und sich arg in ihren Vater verliebt hat. Was wiederum ihre Mutter arg eifersüchtig gemacht hat. Auch solche Anekdoten braucht ein Archiv.

Alle Tänzerinnen und Tänzer, die mal in der KG aktiv waren, wollen sie ebenfalls   zusammentragen. Eine Liste mit 200 bis 220 Namen hat Breuer bereits – doch er weiß, dass noch viele fehlen. Sie alle sollen sich nächstes Jahr, voraussichtlich am Karnevalssamstag, im Festzelt treffen.

Wer helfen kann, kann über die Homepage Kontakt aufnehmen.

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