Sie geht nicht freiwillig, doch nach der Wahlniederlage muss die ehemalige CDU-Fraktionschefin Ute Stolz in ein Leben ohne Politik finden.
Abschied aus der PolitikUte Stolz: Schweren Herzens verlässt die Kallerin die Bühne

Langweilig werde es ihr nicht werden, sagt Ute Stolz, hier am Schreibtisch in ihrem Büro beim Caritasverband für die Region Eifel in Schleiden. Aber die Politik werde sie vermissen.
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26 Jahre, fast ihr halbes Leben lang, war Ute Stolz politisch tätig. Sie hatte es als erste Frau an die Spitze der CDU-Fraktion im Euskirchener Kreistag gebracht und damit auf einen der mächtigsten Posten im Kreis. Und dann ist plötzlich alles vorbei. Von 100 auf 0.
14. September 2025: Im Kreishaus laufen die Ergebnisse aus den Wahllokalen ein. Schnell wird klar, dass Ute Stolz ihren Wahlbezirk verloren hat – gegen Emmanuel Kunz, den aufgehenden Stern am sozialdemokratischen Himmel im Kreis Euskirchen. Dass Kunz das Kreistagsmandat einem Genossen überlassen wird, weil er an diesem Tag auch zum Bürgermeister von Kall gewählt wird, macht es Ute Stolz nicht gerade einfacher, die Niederlage zu verarbeiten.
Es fühlt sich irgendwie an wie Liebeskummer.
Zumal am Wahlabend deutlich wird, dass die Gesamtstimmenzahl für die CDU nicht mehr hergibt als die 19 direkt gewonnenen Sitze im Kreistag, kein Reservelistenplatz also ziehen wird. Nicht mal der erste, den die CDU Ute Stolz reserviert hatte.
„Es fühlt sich irgendwie an wie Liebeskummer“, sagt sie ein paar Tage später. „Ich habe auch schon die Schlüssel abgegeben“, ergänzt sie passend zu dem Vergleich, auch wenn es hier um die Fraktionsräume geht und nicht um eine bisher gemeinsame Wohnung.
Liebeskummer – das mag etwas pathetisch erscheinen. Doch der Vorsitz einer Mehrheitsfraktion ist auch auf lokaler Ebene weit mehr als ein Hobby. Auf 20 Wochenstunden sei sie gekommen, erzählt Stolz: Sitzungen des Kreistags, der Ausschüsse, der Fraktion, Verhandlungen mit Koalitionspartnern, Parteiversammlungen und repräsentative Termine, gerne auch am Wochenende – das alles summiere sich.
Keine flammende Feministin, aber so manche Männerdomäne erobert
„Aber es hat mir Spaß gemacht“, sagt sie. Darum schmerze der unfreiwillige Rückzug ja. An diesem 14. September beginnt für Ute Stolz zwar kein vollständig neues Leben, aber ein anderes Leben.
Das bisherige, das in einer Niederlage endete, war durchaus erfolgreich. 2017 gewann Stolz eine Kampfabstimmung zur Fraktionsvorsitzenden, gegen einen Mann. Schon bei den Pfadfindern habe sie mit den Jungs gut mitgehalten.
Auch in ihren Anfängen in der Politik führten die Männer das große Wort, sie habe sich aber nach und nach Geltung verschafft. Helmut Weiler, der damalige Kaller Bürgermeister, sei zwar auch ein CDU-Grande alter Prägung gewesen, doch er habe sie gefördert. „Er war mein politischer Ziehvater“, sagt Stolz.
Hauptberuflich Chefin bei der Caritas für die Region Eifel
Von 1994 bis 2020 gehörte sie dem Kaller Gemeinderat an, stand auch dort ihre Frau. Sie sei zwar nie die lautstarke Kämpferin für den Feminismus gewesen, beschreibt sie sich selbst. „Aber ich freue mich darüber, dass ich ein wenig dazu beitragen konnte, dass Frauen in verantwortlicher Position immer selbstverständlicher werden“, sagt Stolz, nicht ohne einen kleinen Seitenhieb auszuteilen: „Bei den Grünen hat es noch keine Frau an der Fraktionsspitze gegeben.“
Seit 2021 ist Ute Stolz hauptberuflich Chefin des Caritasverbandes für die Region Eifel – auch diese Position war bis dahin nicht gerade eine Frauendomäne.
Koalition mit FDP und UWV gab sich keine Blöße im Kreistag Euskirchen
Ob es mit FDP und UWV in den vergangenen fünf Jahren der Koalition so gut geklappt hat, weil bei der CDU eine Frau an der Spitze stand? Nicht eine Abstimmung wurde versemmelt – und das mit nur einer Stimme Mehrheit. Wenn Ute Stolz über ihre Amtskollegen Franz Troschke (UWV) und Frederik Schorn (FDP) spricht, klingt das sehr herzlich: „Ich stehe ja altersmäßig genau zwischen den beiden Jungs. Franz ist 20 Jahre älter als ich und Frederik 20 Jahre jünger.“
Jedenfalls behalte sie diese Konstellation in besserer Erinnerung als die Listengemeinschaft mit der SPD, die sie als Fraktionsvorsitzende drei Jahre, bis 2020, maßgeblich mitführte: „Da kam es schon mal vor, dass die SPD erst kurz vor der entscheidenden Sitzung von einem beschlossenen Kompromiss abgesprungen ist.“
Dass sich nun eine erneute Große Koalition im Kreistag abzeichnet, sieht sie auch aus diesem Grund skeptisch: „Warum nicht mal mit wechselnden Mehrheiten arbeiten?“ Auch mit FDP und UWV sei hart um Kompromisse gerungen worden, sagt Stolz . Anstrengend sei halt jede Koalition.
Ich stehe ja altersmäßig genau zwischen den beiden Jungs. Franz ist 20 Jahre älter als ich und Frederik 20 Jahre jünger.
„Darum wäre ich auch nicht wieder als Fraktionsvorsitzende angetreten, wenn ich in den Kreistag wiedergewählt worden wäre“, so die Kallerin, die, wie sie sagt, „eigentlich klassisch“ zur CDU gekommen ist: über Kontakte bei den Pfadfindern zur Jungen Union und von dort in die Mutterpartei. Ihre christliche Prägung habe natürlich auch eine Rolle gespielt.
Diese Verbundenheit bleibe, versichert sie. Die Partei treffe keine Schuld an ihrer Niederlage: „Mehr als Listenplatz eins geht ja nicht.“ Doch hätte man die Fraktionschefin nicht in einem sichereren Wahlbezirk aufstellen können? „Nein“, sagt Stolz entschlossen: „Das wäre nicht ich gewesen. Kall ist meine Heimat.“ Alles gut, auch wenn es nicht geklappt hat.
Lob für den Wahlkampf von Sabine Preiser-Marian
Dabei sei es mit der Kreis-CDU wieder aufwärts gegangen. Nach den eher lauen Wahlkämpfen 2015 und 2020, die dem Wahlkampfdesaster 2009 ohne einen Landratskandidaten folgten, habe die CDU wieder mal einen guten Wahlkampf geführt – „auch und vor allem Sabine“, spricht Stolz die zweite große Verliererin des 14. September an: Landratskandidatin Sabine Preiser-Marian.
„Sie hat toll gekämpft“, sagt Stolz. Die CDU sollte aber künftig ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten viel früher in Stellung bringen. Sonst sei gegen das „Image des Lieblingsschwiegersohns“, das Amtsinhaber Markus Ramers (SPD) pflege, kein Kraut gewachsen. Sie weiß, wovon sie spricht. Sie selbst ist in ihrem Wahlbezirk ja einem Gegner unterlegen, der nicht nur mit Ramers verschwägert ist, sondern offenbar vom Landrat auch viel über modernen Wahlkampf gelernt hat.
Nun will sie die Merkel-Biografie lesen, doch es klingt wie ein schwacher Trost
Ramers, sagt sie, sei es zudem gelungen, verstärkt mit seinem Amtsbonus Themen zu besetzen, die ursprünglich von CDU, FDP und/oder UWV gekommen seien: etwa im Bereich des Katastrophenschutzes. Dem hätte die CDU vielleicht mit einer früher in Stellung gebrachten Gegenkandidatur entgegenwirken können. Doch diese Messe ist nun gesungen.
Wie aber geht es mit Ute Stolz weiter? Ein politisches Comeback, irgendwann mal, könne sie sich derzeit nicht vorstellen. Vielleicht ist auch alles noch zu frisch. Langweilig werde es ihr sicher nicht. Ihr Job als Vorstandssprecherin bei der Eifel-Caritas werde sie wie bisher in Beschlag nehmen – jetzt vielleicht ohne den zeitlichen Druck, den die politischen Einträge im Terminkalender bislang erzeugten.
Ansonsten liege da noch die Merkel-Biografie ungelesen zuhause herum. Auch werde sie wieder öfters für Freunde kochen. „Es wird sich alles ergeben“, sagt die 54-jährige Kallerin, wohl wissend, dass das alles noch wie ein schwacher Trost klingt. Mit diesem anderen Leben, ohne die Politik, muss sich Ute Stolz erst noch anfreunden. Aber jeder Liebeskummer geht irgendwann vorbei.
Abschied aus der Politik – Die Serie
Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern und Bürgermeistern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück.
In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern auch ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Politik.

