Landwirte appellieren an Verbraucher„Wir sind den Lebensmittelketten ausgeliefert"

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Landwirte demonstrierten in Kerpen vor den Zentrallagern großer Discount-Ketten.

Landwirte demonstrierten in Kerpen vor den Zentrallagern großer Discount-Ketten.

Kerpen/Kreis Euskirchen – Nach der Hochwasserkatastrophe im Juli waren die Landwirte überall als Helfer zur Stelle – jetzt fordern sie Unterstützung für die eigenen Belange. Seit Tagen demonstrieren sie in Deutschland dafür, dass sie für ihre Produkte fair bezahlt werden.

Ein anderes Anliegen kommt hinzu. Wichtig sei auch, „dass deutsche Lebensmittel für die Verbraucher in den Geschäften klar und gut gekennzeichnet sind“, sagte Heike Bulich, Landwirtin aus Nörvenich, am Montagabend. Sie war, wie Kollegen aus dem Kreis Euskirchen und dem Rhein-Erft-Kreis, mit dem Traktor am Zentrallager der Discounter-Kette Aldi in Kerpen vorgefahren. Andere Bauern postierten sich vor dem Lidl-Lager in Türnich.

Bei Flutkatastrophe lange geholfen

„Wir Landwirte sind den großen Lebensmittelketten Aldi, Lidl, Edeka und Rewe hilflos ausgeliefert“, sagte Martin Forsbach aus Nörvenich: „Das darf nicht so weitergehen.“ Mit von der Partie war auch der Elsiger Thomas Gräf, der sich in dem Verein „Land sichert Versorgung“ engagiert. „Wir haben bei der großen Flut Solidarität gezeigt und den Betroffenen teils über Wochen hinweg mit unseren schweren Gerätschaften und Manpower geholfen“, sagte er.

Das sei für die Landwirte eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Jetzt sind wir allerdings auf die Solidarität der Verbraucher angewiesen.“ Gräf wünscht sich, dass die Verbraucher sich hinter die Bauern stellen, die nach hohen Standards produzieren, und an der Ladenkasse Zettel mit der Aufschrift „Pro deutsche Landwirtschaft“ abgeben: „Damit der Einzelhandel erkennt, dass seine Kunden heimische und regionale Produkte kaufen möchten.“ Dies auch vor dem Hintergrund, dass Auflagen und Produktionskosten in Deutschland kontinuierlich stiegen.

Engpässe und Hamsterkäufe

„Und dann werden in den Lebensmittelgeschäften unsere guten Produkte von Billigprodukten verdrängt, unter anderem aus Brasilien“, ergänzte der Dirmerzheimer Martin Richrath. Alleine in NRW sterben seinen Angaben zufolge auch aufgrund politischer Entscheidungen täglich sieben landwirtschaftliche Familienbetriebe.

„Und je weniger Lebensmittel in Deutschland produziert werden, desto abhängiger macht sich Deutschland von den Lieferungen aus dem Ausland. So gerät unsere heimische Produktionssicherheit in Schräglage“, so Richrath. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an Waren-Engpässe und Hamsterkäufe zu Beginn der Corona-Pandemie, als sich die Leute in den Läden schon wegen Nudeln und Toilettenpapier in den Wolle kriegten. Nicht auszudenken, so Richrath, wenn lebenswichtige Lebensmittel fehlten und es nicht mehr genug zu essen gäbe.

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Schon jetzt würden in Deutschland nur 86 Prozent der für die Bevölkerung notwendigen Kilokalorien produziert. „Damit kein Mensch hier Hunger leidet, müssen aktuell 14 Prozent importiert werden“, ergänzte Gräf. Und wenn alle Betriebe auf Bioerzeugung umstellten, könnte sogar nur noch eine maximal 50-prozentige Versorgung mit Lebensmitteln gewährleistet werden. (mit ejb)

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