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Messerangriff von MechernichLandgericht Bonn entscheidet nach BGH-Spruch erneut

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Das Bonner Landgericht (Symbolbild)

Mechernich/Bonn – Die Zuhörer im Gerichtssaal merkten der Angeklagten an, dass ihr die Erinnerung an die Bluttat nicht leichtfällt. Wenn sie für einen kurzen Moment die medizinische Maske ablegte und sich die Nase putzte, sah man ihre rot geweinten Augen. „Es ist schwer, darauf zurückzukommen“, übersetzte die Dolmetscherin aus dem Polnischen.

Und dennoch musste die 35-Jährige noch einmal schildern, was am Abend des 13. Dezember 2019 in ihrer Wohnung im Stadtgebiet von Mechernich geschah. Damals hatte sie ihrem Lebensgefährten und Vater einer gemeinsamen kleinen Tochter im Hausflur ein Messer in die Brust gestoßen und dann die Tür zugeknallt. Nachbarn retteten den Schwerverletzten.

Erstes Urteil lautete auf zweieinhalb Jahre Haft

Wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung hat das Bonner Schwurgericht die Frau im Juni 2020 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob im April 2021 das Urteil mit der Begründung auf, die Kammer habe nicht ausreichend geprüft, ob die Angeklagte vom Versuch der Tat zurückgetreten sei, also deren „weitere Ausführung“, so steht es im Gesetz, aufgegeben habe. Deswegen wird der Fall seit Dienstag vor der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts erneut verhandelt.

Der erste Prozess hatte für Aufsehen gesorgt, weil der Lebensgefährte der Täterin nicht nur verziehen, sondern ihr im Schwurgerichtssaal eine Liebeserklärung gemacht hatte. Der 42-jährige Dachdecker war am Dienstag als Zeuge geladen und machte gleich klar, dass er nicht aussagen werde: „Wir sind verlobt und wollen heiraten, wenn die Sache vorbei ist.“

Paar reist jedes Mal aus Polen an

Das Paar lebt mittlerweile in Polen und hat neben einem Kind aus der ersten Ehe der Angeklagten zwei gemeinsame Kinder. Der jüngste Sohn wurde vor acht Monaten geboren. Die beiden reisen zu jedem der vier terminierten Verhandlungstage an. Verteidiger Albert Stumm schätzt, dass sie jeweils mindestens 12 bis 14 Stunden mit dem Auto unterwegs sind.

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Das Paar kennt sich seit 2012, als die Frau mit ihrem damaligen Mann nach Euskirchen zog. Der Dachdecker war ihr Nachbar. Nach der Scheidung 2016 wurde aus der Freundschaft eine engere Beziehung, im August 2019 bezogen sie eine Wohnung in Mechernich.

Aber damals kriselte es in der Partnerschaft, der Mann wurde gewalttätig und zog gelegentlich mit Kumpels zum Trinken und Zocken los. Am 13. Dezember 2019 krachte es heftig: Sie wollte mit ihm Weihnachten planen, er aber nahm sich 200 Euro aus der Haushaltskasse und ging mit seinen Bekannten in eine Spielhalle.

Die Angeklagte („Ich war total niedergeschlagen“) betrank sich vor Wut, 1,76 Promille wurden später gemessen. Sie schrieb ihm hasserfüllte Nachrichten aufs Handy und warf seine Klamotten in den Hof.

Gegen 23.25 Uhr stand der Partner vor der Wohnung und rauchte eine Zigarette, die Frau holte ein Messer mit einer 20 Zentimeter langen Klinge aus der Küche, öffnete die Tür und stach zu. „Ich kann mich daran nicht erinnern“, sagte die Angeklagte. Sie wisse noch, dass sie auf dem Bett gesessen und ein Polizist vor ihr gestanden habe. Erst beim Verhör am folgenden Tag, so die Angeklagte, „habe ich erfahren, was ich gemacht habe“.