Mechernicher an Post Covid erkrankt„Ich sehne mich nach meinem alten Leben zurück“

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Stephan Hellweg kann seinen Beruf als Schauspieler und Event-Moderator seit der Covid-Erkrankung kaum ausüben.

Mechernich – Stephan Hellweg will sein altes Leben zurück. Das, in dem er sportlich und dynamisch war, seinen geliebten Beruf als Schauspieler und Event-Moderator vor der Kamera und auf der Bühne ausüben und Zukunftspläne schmieden konnte. Das neue Leben, das der 36-Jährige seit seiner Corona-Infektion im April vergangenen Jahres führen muss, wird dominiert von Erschöpfung, Atemnot, Konzentrationsmangel, Wortfindungsstörungen, Tinnitus und anderen Nachwirkungen. Stephan Hellweg gehört zu den Menschen, die unter dem Post-Covid-Syndrom leiden.

„Ich hätte mich impfen lassen, sobald es möglich gewesen wäre“, sagt Hellweg. Doch im Frühjahr letzten Jahres sei es für Menschen seines Alters noch nicht möglich gewesen. Sein Vater, Allgemeinmediziner in Mechernich, sei damals sogar als Impfarzt im Marmagener Impfzentrum tätig gewesen, erzählt der 36-Jährige. Doch die Priorisierung galt schließlich und richtigerweise für alle – sagt Hellweg.

Im Fitnessstudio spürte er das Brennen in der Lunge

„Ich hatte einen milden Verlauf. Das heißt, ich musste nicht stationär aufgenommen werden“, erläutert Stephan Hellweg. Trotzdem ging es dem jungen Mann, der 2005 am Mechernicher Gymnasium am Turmhof sein Abitur ablegte, miserabel. „Ich habe mich nach zwei Wochen alles andere als fit gefühlt“, sagt er. Im Juni sei er dann versuchsweise wieder ins Fitnessstudio gegangen. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Mehrere Male musste sich Stephan Hellweg in die Notaufnahme begeben: „Ich hatte Herzrasen und -stiche, Brennen in der Lunge und Angst, einen Infarkt zu haben.“

Gefunden habe man jedes mal nichts: „Wenn ein MRT keinen Grund für die Beschwerden liefert, wird man schnell in eine Schublade gesteckt. Ärzte sind darauf getrimmt, Lösungen zu präsentieren“, so Hellweg. Nur sei das bei einer Erkrankung, die noch wenig erforscht ist, kaum möglich. „Ich habe großes Glück, tolle Ärzte gefunden zu haben, die mich ernst nehmen mit meinen Beschwerden. Auch wenn sie noch keinen so jungen Patienten hatten wie mich, den es so arg erwischt hat.“

Klinik in Heiligendamm hat sich auf Post Covid spezialisiert

Stephan Hellweg wird schließlich in eine Long-Covid-Sprechstunde vermittelt und stellt einen Antrag auf eine Reha-Maßnahme in der Median-Klinik in Heiligendamm. Die Klinik an der mecklenburgischen Ostsee hat sich nach Ausbruch der Pandemie auf die Behandlung von Long- und Post-Covid-Patienten spezialisiert. Die Behandlung dort fokussiert sich auf die Spätfolgen wie Erschöpfungszustände oder anhaltende Atembeschwerden. „Ziel ist eine Normalisierung allgemeiner Körperfunktionen zur Sicherung der Teilhabe“, heißt es in der Klinikbeschreibung.

Long- und Post-Covid-Syndrom

Rund 600 000 Patienten in Deutschland

Manche Patienten haben im Anschluss an eine überstandene Corona-Infektion weiterhin Beschwerden oder entwickeln neue. Das kann auch nach einem milden oder asymptomatischen Verlauf möglich sein.   Halten die  Beschwerden mindestens vier Wochen nach der Infektion an, spricht man von Long Covid. Post Covid bezeichnet Beschwerden, die zwölf Wochen und länger bestehen. Das Forschungsfeld um Long und Post Covid ist noch recht jung. Erst allmählich  gibt es auf belastbaren Zahlen basierende Studien. Patienten berichten, dass sie aufgrund der noch großen Unkenntnis des Long- und Post-Covid-Syndroms mit ihren Beschwerden häufig nicht ernst genommen werden. Gleichzeitig aber steigt die Zahl der Betroffenen massiv an: In Deutschland gehen Experten von derzeit rund 600 000 Patientinnen und Patienten aus. Für etwa jeden zehnten Infizierten ist  Corona nach der akuten Phase nicht vorbei. Am häufigsten davon betroffen ist die Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren. Es erkranken außerdem  mehr  Mädchen und Frauen als Jungen und Männer an Long oder Post Covid. (hn)

Therapie mit Sauerstoff

Bei der HBO-Therapie  atmen Patienten in Druckkammern medizinisch reinen Sauerstoff ein. Dadurch gelangt etwa 200 Mal mehr Sauerstoff in sämtliche Körperzellen: Entzündungen gehen zurück, kranke Gewebe- und Sinneszellen regenerieren sich, Heilungsprozesse werden beschleunigt. Erste Studien lassen hoffen, dass die Therapie auch beim Post-Covid-Syndrom hilft. Die  Behandlungskosten müssen die Patienten aber selbst tragen. Am Montag hat Stephan Hellweg die HBO-Behandlung in Aachen begonnen. Der Mechernicher versucht über eine Crowd-Funding-Aktion, Spenden dafür zu sammeln: „Ich möchte damit  nicht nur mir selbst helfen, sondern öffentliches Bewusstsein für die Langzeitfolgen von Covid-19 schaffen.“ In einem Blog wird er über die Behandlung berichten. Falls bei der Kampagne mehr als die anvisierten 7000 Euro zusammenkommen, spendet Hellweg das Geld  der Uni Erlangen. Dort wird an Medikamenten zum Einsatz bei Long und Post Covid geforscht. (hn)

„Normalerweise wartet man bis zu einem Jahr auf einen Platz dort. Ich hatte Glück: Jemand ist sehr kurzfristig abgesprungen und ich konnte nachrücken“, so Hellweg.

Austausch mit anderen ist wichtig

Insgesamt fünf Wochen bleibt Hellweg – der auch einen Wohnsitz in Berlin hat, sich der Eifel aber sehr verbunden fühlt – in der Reha-Klinik in Heiligendamm. Der Aufenthalt habe ihm auf jeden Fall sehr gut getan. „Auch der Austausch mit anderen Menschen, vor allem denen meines Alters, die in der gleichen Situation sind, war sehr wichtig für mich“, sagt er.

Der Leidensweg der Patientinnen und Patienten, bei denen ein Long- oder Post-Covid-Syndrom diagnostiziert wird, weist viele Ähnlichkeiten auf. „Zum Beispiel die Erfahrung, immer wieder das Gefühl zu haben, es geht bergauf. Doch sobald man sich ein bisschen mehr anstrengt, folgt ein sogenannter Boomerang-Crash.“ Ein erneuter Zusammenbruch. Mittlerweile habe er verstanden, dass man sich mit viel Geduld ins Leben zurückkämpfen muss – und zwar langsam. „Lieber fünf Gänge runterschalten als einen zu hoch.“

Überdruckbehandlung macht Hoffnung

In Heiligendamm erfährt Stephan Hellweg auch von einer neuartigen Sauerstoff-Überdruckbehandlung. Über mehrere Wochen atmen die Post-Covid-Patienten in Druckkammern, in denen sonst Menschen etwa nach Tauchunfällen oder Kohlenmonoxidvergiftungen behandelt werden, hochkonzentrierten Sauerstoff ein. „Bei kognitiven Beschwerden kann man damit wohl sehr gute Ergebnisse erzielen“, sagt der 36-Jährige.

Doch da dieser Therapieansatz bei Long Covid noch nicht ausreichend erforscht ist, werden die hohen Behandlungskosten von den Krankenkassen nicht übernommen. Für die nötigen 20 Sitzungen à zweieinhalb Stunden muss der Mechernicher an die 7000 Euro aufbringen – die er schlichtweg nicht hat.

„Die Pandemie hat mich gleich zweifach hart getroffen: Einmal dadurch, dass ich kaum noch Aufträge bekommen habe im Bereich Event-Moderation oder als Filmschauspieler. Zum anderen durch die Infektion und ihre langanhaltenden Nachwirkungen.“

Fundraising-Kampagne gestartet

Um Geld betteln wolle er ganz sicher nicht, betont Stephan Hellweg. Aber nach einem intensiven Gespräch mit einer befreundeten professionellen Fundraiserin, entschließt er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: „Eine Fundraising-Kampagne zu starten, um das Geld auf diesem Wege zusammenzubringen.“ Am Dienstag startete die Kampagne, mit der Hellweg auch ein weiteres Ziel verfolgt, das ihm nicht minder wichtig ist: Aufmerksamkeit zu schaffen für das Thema Long und Post Covid, das noch nicht wirklich in der Gesellschaft angekommen sei.

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„Ich sehne mich täglich nach meinem 'alten Leben' zurück“, resümiert der 36-Jährige. „Und auch wenn es mir an manchen Tagen sehr schwerfällt, bin ich doch zuversichtlich, wieder auf die Beine zu kommen.“ In die HBO-Therapie setzt er große Hoffnung. Die erste Sitzung in der Druckkammer in Aachen fand am Montag statt. Ob und wie sich sein Zustand verbessert, darüber will Stephan Hellweg auf seiner „Gofundme“-Seite in einem Blog berichten (siehe „Reiner Sauerstoff“).

„Mir ist außerdem wichtig, darauf hinzuweisen, dass man sich impfen lassen soll“, so der 36-Jährige. Ich glaube, dass insbesondere viele junge Menschen die Auswirkungen einer Long- oder Post-Covid-Erkrankung unterschätzen.“ Vollständig geimpfte Erwachsene haben im Falle einer Corona-Infektion ein deutlich geringeres Risiko, daran zu erkranken.

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