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Schutz vor DiebstahlVerbotener Höhenflug über Baustelle

Lesezeit 3 Minuten

In der Baubranche ist es üblich, Geräte nach Feierabend an einen Kran zu hängen.

Kreis Euskirchen/Kommern – Es ist Feierabend auf der Baustelle in Kommern. Wie an jedem Abend, an dem der Reporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Stelle passiert, wiederholt sich auch jüngst dieses Szenario: Der Ausleger eines Krans schwenkt in Richtung Straße, eine Kreis- und eine Bandsäge, die am Haken hängen, baumeln über dem Mechernicher Weg.

Ängstliche Naturen, die drunter herfahren, wähnen sich womöglich in dunkler Vorausahnung bereits zerquetscht in ihrem zermalmten Auto. Doch dieses Risiko ist nach Expertenansicht denkbar gering. Wenngleich Josef Verholen, Kran-Sachverständiger bei der Berufsgenossenschaft in Münster, es für „kritisch“ hält, Lasten unbeaufsichtigt über einer Straße hängen zu lassen,.

„Eindeutig verboten“

Nun ist nicht alles, was kritisch ist, auch verboten. Während Verholen einräumt, dass er auf andere Krantypen als den in Kommern spezialisiert sei, kann ein weiterer Kran-Sachverständiger mit den einschlägigen Vorschriften dienen.

André Korth aus Kreuzau verweist auf die „BGV D6“, die „Unfallverhütungsvorschrift Krane“ der Berufsgenossenschaft. Es sei zwar gang und gäbe, so Kroth, dass Kreissägen und andere Baugeräte nach Feierabend dadurch vor Dieben geschützt würden, dass man sie in die Höhe ziehe. Aber das sei „eindeutig verboten“.

Lasten nicht über Personen wegführen

Paragraf 30 der BGV D6 regelt die Pflichten des Kranführers. Dass Lasten nicht über Personen hinweggeführt werden sollten, ist lediglich eine Soll-Vorschrift. Auf Baustellen lässt sich das schließlich nicht immer vermeiden.

Zwingend vorgeschrieben ist aber, dass bei Turmdrehkranen – Krane ist in der Fachsprache der korrekte Plural von Kran – Lasten vor dem Verlassen des Steuerstands auszuhängen sind. Was unter Lasten zu verstehen ist, steht auch in der Vorschrift: „Zum Beispiel Kreissägen, Leitern, Werkzeugkisten.“

Kroth kann auch mit einem Grund für dieses Verbot dienen. Krane würden nach Feierabend „windfrei gestellt“. Sprich: Die Arretierungen werden gelöst, sodass sich der Ausleger mit dem Wind drehen kann.

Dadurch wird gewährleistet, dass Krane selbst bei orkanartigen Böen nicht umkippen. Eine Last, die nachts unbeaufsichtigt am Haken hängt, würde aber laut Kroth dem Wind eine zusätzliche Angriffsfläche bieten und die Aerodynamik des Krans negativ beeinflussen. Weitere Gefahren, die durch angekettete Kreissägen hervorgerufen werden, benennt Korth nicht.

„Die Last richtet sich mit dem Kran nach dem Wind aus“

Weil es die nicht gibt. Das ist jedenfalls die Auffassung des Geschäftsführers jener Baumaschinen-Firma, deren Namenschild auf dem Kran in Kommern zu finden ist. Er hält selbst das Argument mit der Aerodynamik für wenig stichhaltig: „Die Last richtet sich doch mit dem Kran nach dem Wind aus.“

Die Unfallverhütungsvorschrift Krane sei an vielen Stellen ein Beispiel für Reglementierungswahn: „Am liebsten wäre es den Bürokraten, wenn wir links und rechts neben den Kran zwei Leute als Aufsicht postieren müssten. Wer soll denn das bezahlen?“ Aber bei den branchenüblichen Verstößen gegen das Verbot, Geräte über Nacht an den Haken zu hängen, drücke sogar die Berufsgenossenschaft beide Augen zu.

„Der Kran in Kommern ist selbst an der Spitze des Auslegers für ein Gewicht von einer Tonne konstruiert, und die Haken sind absolut sicher. Eine Kreissäge wiegt vielleicht 300 Kilogramm. Da kann nichts passieren.“

Der Geschäftsführer echauffierte sich, obwohl er an dem Gesetzesverstoß in Kommern vollkommen unbeteiligt ist: „Ich habe den Kran vor einigen Wochen an ein Bauunternehmen verkauft.“