Ukraine-KriegMechernicher Gitarrist Fedor Volkov zwischen Sorge und Hass

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Ukraine Volkov

Um ihre Familie, die in der Ukraine im Krieg sind, sorgen sich Uschi und Fedor Volkov. 

Mechernich – Unablässig kneten die Hände den kleinen, grünen Ball. Es ist ein Anti-Stressball, er wird gestaucht, gequetscht, gedrückt, von den kräftigen Fingern geknautscht. Wenn Fedor Volkov innehält, dann zittern seine eigentlich so sensiblen und sicheren Gitarristenfinger leicht. Volkov denkt an seine Familie, seinen Sohn und seinen Bruder in der Ukraine.

Was sind seine Gefühle? „Hass“, sagt Volkov. Purer Hass auf das Böse, auf Wladimir Putin, den russischen Präsidenten, der Volkovs Heimat mit Tod, Zerstörung und Vernichtung überziehe. Und wieder bohren sich die Finger in den grünen Ball, während der Blick des Musikers ins Leere wandert.

Sohn Andrij ist mit hochschwangerer Frau im umkämpften Charkiw

Sein Sohn Andrij und seine Schwiegertochter sind in Charkiw, der momentan heftig umkämpften Stadt im ukrainischen Nordwesten. Als die russischen Truppen die Grenze überschritten haben, sind sie auf die Datscha eines Freundes geflüchtet, im Umland von Charkiw.

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Doch die Schwiegertochter sei im achten Monat schwanger, deshalb, so berichtet Volkov, seien sie zurückgekehrt, um in der Nähe eines Krankenhauses zu sein. „Die Russen beschießen mit Raketenwerfern alles, Kindergärten, Krankenhäuser, alles – es ist schrecklich“, sagt er.

Volkovs Angehörige wollten nicht ins sichere Mechernich kommen

„Wir haben ihnen gesagt: Kommt zu uns. Doch sie wollten nicht, sie wollen kämpfen“, sagt Uschi Volkov.

Auch Volkovs Bruder ist in der Ukraine. Eigentlich ist er Journalist, jetzt ist er beim Militär. Was der dort mache, wo er sei, wisse er nicht, so Volkov. „Das ist geheim“, sagt er kurz. Täglich eine kurze Nachricht, „es geht mir gut“ oder „die Nacht war ruhig“, darauf beschränkt sich derzeit der Kontakt des Musikers zu seinen Familienangehörigen.

Die Cousine sei mit ihrer Familie in Kiew. Zwei Tage habe sie sich in einer Metrostation in Sicherheit gebracht, dann sei sie wieder in ihre Wohnung gegangen. „Jetzt ist dort Ausgangssperre bis Montag, keiner darf auf die Straße“, schildert er. Spontan springt Volkov auf, geht aus dem Raum, um kurz darauf mit einer kleinen, ukrainischen Flagge wiederzukommen: „Die hat mir mein Bruder Wolodimir bei einem Besuch mitgebracht.“

Weil der Name russisch klingt? Am Donnerstag flog ein Ei gegen Volkovs Hauswand

Jetzt stehe sie im Fenster zur Straße. „Am Donnerstagmorgen hat Putin der Ukraine den Krieg erklärt – und am Donnerstagmittag hat jemand ein Ei gegen unser Haus geworfen“, berichtet Uschi Volkov: „Vielleicht hat jemand meinen Namen gelesen und gedacht, ich sei Russe“, ergänzt ihr Mann: „Deshalb habe ich die Fahne ins Fenster gestellt.“

Auch wenn er in der Ukraine geboren ist, hat er einen belarussischen Pass. Er hat seinen Beruf als Konzertgitarrist an der Akademie in Minsk gelernt und dort unterrichtet, bevor er seine Frau kennenlernte und mit ihr nach Mechernich ging. „Ich habe von meinem Schüler Pawel aus Minsk gehört, dass sie demonstrieren wollen, doch das ist unglaublich gefährlich.“

Tataren, Russen, Juden:  „Das ukrainische Volk hält zusammen“

Volkov ist es egal, welches Wappen sein Pass trägt: Er ist durch und durch Ukrainer. „Putin wird die Ukrainer niemals in die Knie zwingen, sie geben niemals auf“, sagt er entschlossen, als wolle er im nächsten Augenblick losziehen, um sein Geburtsland zu verteidigen. Und wieder muss der grüne Ball dran glauben. „Das ist kein Krieg Russlands gegen die Ukraine. Das ist mehr! Das ist ein Krieg einer Diktatur gegen die Demokratie“, ruft er.

Selbst die in der Ukraine lebenden Russen haben sich Volkovs Informationen nach nicht auf die Seite der Russen geschlagen. „Putin hat gedacht, die russischsprachigen unterstützen ihn, und er wird mit Blumen empfangen“, so Volkov. Doch das sei nur seine Propaganda gewesen: „Im Gegenteil, in der Ukraine leben Tataren, Russen, Juden, das ganze Volk hält zusammen.“

Das gleiche sei in den 1990er-Jahren mit der Republik Moldau passiert. Dort hätten die Russen nach einem blutigen Krieg das halbe Land abgetrennt. Das solle auch mit dem Donbas, der Ostukraine geschehen. Volkov ist überzeugt, dass es nicht gelingt, die Ukraine zu einem Teil Russlands zu machen.

Uschi Volkov erinnern die Ukrainer an die Eifeler

„Die Ukrainer wollen nicht in einer Diktatur leben“, so Uschi Volkov. Sie habe die Menschen immer als bunt, fröhlich und sehr freiheitsliebend empfunden: „Es sind Menschen wie wir, eigentlich haben sie mich sehr an die Eifeler erinnert.“ In Belarus sei es anders gewesen, dort werde oft nur hinter vorgehaltener Hand miteinander gesprochen.

Zu arbeiten, sich auf die Musik zu konzentrieren sei derzeit schwierig, gibt Volkov zu. Corona habe sowieso alle Konzerttätigkeit zunichte gemacht. Gut laufe es mit dem Unterricht an der Musikschule Euskirchen. Kurz entspannt sich sein Gesicht. „Mein Schülerduo hat den Regionalwettbewerb Jugend musiziert gewonnen und fährt zum Regionalwettbewerb“, berichtet er und lächelt.

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Wie es weitergeht mit dem Krieg? „Die Ukrainer wird man nicht kleinkriegen“, sagt Volkov. Sie seien wie die 300 Spartaner, die ein ganzes Heer geschlagen haben. Das heißt, der Krieg geht weiter? Volkov nickt. „Mein Sohn hat gesagt: Wir schicken die Schweine zurück in den Schweinestall.“ Dann geht es wieder dem Ball an den Kragen.

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