Hobby-Römer im UrfttalAnrufung der Götter am Grünen Pütz

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Mit viel Liebe zum Detail: Soldat Joachim Laumen aus Goch bewacht den Grünen Pütz.

  • Von weit her kommen Antike-Begeisterte ins Urfttal, um römisches Leben nachzuspielen.
  • Ihre Kleidung und ihre Waffen sind detailgenau nachgearbeitet.
  • Für die Wanderung durchs Urfttal werden auch die römischen Götter um Schutz angerufen.

Nettersheim – „State!“ schallt es militärisch knapp und entschieden am Grünen Pütz. Und ein Häuflein der Auxiliaren, der römischen Hilfstruppen, steht still. Ist mit einem Hinterhalt der Germanen zu rechnen, wie er einst die Legionen des Varus über drei Tage in einer Talsenke im ostwestfälischen Kalkriese überraschte, zermürbte und dann die versprengten Reste der Hochbewaffneten zurück in die römischen Militärlager am Niederrhein vertrieb?

Joachim Laumen aus Goch am Niederrhein will diesen gewaltigen historischen Vergleich bei der kleinen Wanderung des von ihm als „Soldat“ befehligten knappen Dutzend Infanteristen nicht ziehen.

Um 8.30 Uhr ist man am Samstagmorgen am Vicus Marcomagus, den Resten der römischen Siedlung an der Gemarkung Steinrütsch im Archäologischen Landschaftspark von Nettersheim, gestartet. Jetzt, knapp zwei Stunden später, ist man am Grünen Pütz angekommen.

„Pütz-Priester“ Felizius Poth, weiß gewandet, erwartet das Trüppchen zwecks Anrufung der Götter um Gewährung eines friedlichen Tagesausflugs in Germaniens kleinem Urfttal. Man könne gerne ein paar Schritte mit den Römern der „Classis Augusta Germanica“ mitgehen, heißt es.

Genauer mit Joachim Laumen und den Kolleginnen und Kollegen aus den Reihen der Freunde historischer Anverwandlung. An diesem Tag sind sie angereist aus Xanten, Moers, Kamp-Lintfort, Gummersbach und Stuttgart. Die so zusammengekommenen Hobby-Römer haben hierfür allerdings den eigenen Wagen oder die Bahn genutzt.

Nur am Wandertag selbst geht es natürlich zu Fuß oder zu Pferd weiter. Und das tut der Auxiliar am Samstag – wie einst der echte Legionär in den Truppen des Senats – in der Witterung und dem Geläuf des Einsatzgebietes angepasstem Schuhwerk. „Die Schuhe waren je nachdem offen oder geschlossen“, so Joachim Laumen.

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„Pütz-Priester“ Felizius Poth aus Nettersheim bittet die Götter um Wohlwollen für den  Marsch vom Steinrütsch nach Urft und zurück. 

Der Kampfstiefel für Germanien ist ein geschlossenes, genageltes Modell gewesen. Das sollte die nötige Standfestigkeit in den Wäldern des unwirtlichen Landes sichern – in Wäldern aus Eichen, Buchen oder anderen Laubbäumen, aber nicht aus Fichten. Das „Clavarium“, so Laumen, ist ein eigener Soldzuschlag gewesen, ein „Nagelgeld“ zum Ersatz verlorener Eisenstifte in der Sohle.

Solche historischen Details sind den Aktiven der „Classis Augusta Germanica“ 2000 Jahre später im Urfttal wichtig. Auch eine Richtigstellung: „Wir sind keine normale Infanterie. Der Titel weist uns als Teil der Rheinmarine aus, die auch an Land im Einsatz war“, erklärt Laumen.

Komplett ausgerüstet mit Gladius, Hasta und Pugio

Er selbst trägt, was den römischen Soldaten einst ausgemacht hat: Den Gladius, das berühmte Kurzschwert, sowie eine Hasta, eine Stoßlanze, die in bewaldeten Gebieten sinnvoller ist als das Pilum, der Wurfspeer. Und den Pugio, ein allerdings eher zu Dekorationszwecken dienender Dolch. Auf dem Kopf hat er den Gallea oder Cassis, einen Helm aus Bronze oder Eisen mit Nackenschutz.

Zudem trägt er einen Schuppenpanzer. Wie vieles haben die Römer, clever wie sie waren, den Panzer zuerst bei Truppen im Nahen Osten gesehen und als Teil ihrer Rüstung adaptiert.

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Auch das alternativ getragene Kettenhemd stammt nicht aus der römischen Ideenschmiede, vielmehr hat man dies bei keltischen Truppen abgeguckt.

So ausgestattet fehlt dem Hobby-Römer noch der bemalte Schild. Dessen Motive, etwa zwei Delfine, sind allerdings der „Classis Romanae“, der Marine Roms, entnommen und nicht der des Augustus in Germanien. „Die Vorlagen finden sich am Triumphbogen Marc Aurels in Rom“, verrät Joachim Laumen.

Unterdessen harrt der Rest seiner Truppe der Dinge, die gerade weihevoll am Grünen Pütz vor sich gehen. An der Einfassung einer der Quellen, die die berühmte römische Wasserleitung gespeist haben, und deren in die Mauerumrandung eingelassenen Dämonenmasken alles Böse abweisen sollen, waltet Priester Felizius Poth aus Nettersheim seines Amtes.

Despektierliche Worte von Zuschauern

Poth sendet ein paar beschwörende Worte gen Himmel. Und Soldat Joachim Laumen weiht den Göttern einen kleinen Holz-Gladius. Auch das soll die Götter gnädig stimmen. „Die spinnen, die Römer!“, kommentieren einige Außenstehende die Weiheminuten am antiken Quellort. Solche Respektlosigkeit hätte zu römischer Zeit vermutlich zu kriegerischer Auseinandersetzung geführt. Doch jetzt wird am Grünen Pütz nur kurz geschmunzelt.

Unter der Söldnerschar sind am Samstag zwei Frauen – was historisch nicht ganz korrekt ist. Frauen hat’s allenfalls im begleitenden Tross gegeben – im Militär waren sie undenkbar.

Dann geht es weiter. Entweder auf den Wiesen unweit des Bachs oder auf dem Wanderweg bis nach Urft, von da nach einer Pause zurück über den Eifelsteig zum Steinrütsch. Wenige Meter alter Römerstraße, im Wald beim Pütz freigelegt, werden schlicht links liegen gelassen.

Tross und Truppen haben in der damalige Zeit immerhin bis zu 25 Kilometer am Tag geschafft. Ganz so weit marschieren die Mitglieder der „Classis Augusta Germanica“ am Samstag nicht. Aber 16 Kilometer sind es, auf die sie am Abend zufrieden zurückblicken.

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