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Lama-Trekking in NettersheimAuf leisen Sohlen in die Herzen

5 min

Alpaka Eric nahm zwischendurch ein entspannendes Beauty-Schlammbad.

Nettersheim – „Wer aus dem Hause geht, der muss sich feinmachen“ – das ist bei den Schützlingen von Anni und Erich Wallikewitz Tradition. Entsprechend erwartungsvoll schielt Lama Lientur Bürste, Kamm und Insektenspray entgegen, denn letzteres wird ihn und seinen Führer bei der kommenden Trekking-Tour vor Zecken schützen. Genüsslich zupft gleich nebenan Lama-Kollege El Cid noch ein saftiges Blättchen aus der Gartenhecke.

Alexina (sechs Jahre) und Melina (elf), Enkelinnen des Ehepaares Wallikewitz, sind auf Ferien-Besuch bei ihren Großeltern in Zingsheim und kennen sich mit Lamas und Alpakas schon richtig gut aus: „Das Fell von Alpakas ist ganz dicht und flauschig und kann von weiß über braun bis schwarz alle möglichen Schattierungen haben: Manche sind sogar gescheckt“, erklären die Tierfreundinnen.

Alpakas sind sozusagen die Schönheiten unter den Neuweltkameliden (siehe „Fast ausgestorben“), denn im Gegensatz zu den Lamas wurden sie einst nicht zum Lastentragen, sondern wegen ihrer Wolle gezüchtet: „Die ist leicht, schimmert und ist wärmer als Schafswolle. Man stellt daraus Decken, Pullover, Socken, Mäntel, Mützen und die in Südamerika sehr beliebten Ponchos her“, ergänzt Großmutter Wallikewitz. Sie ist vor vielen Jahren über eine Fernsehdokumentation auf die freundlichen Tiere aufmerksam geworden: „Der Gesichtsausdruck und die Augen haben mich gleich fasziniert“, erzählt sie. Umgehend nahm Familie Wallikewitz Kontakt mit dem Sender auf, der ihr die Adresse des im Fernsehbeitrag porträtierten Züchters vermittelten.

Gemeinsam machte man sich zu einem Wochenendausflug auf den Weg nach Wiesbaden, mehrere Besuche folgten. Und da man gerade ein neues Baugrundstück gekauft hatte, eine benachbarte Wiese angemietet werden konnte und inzwischen „alle komplett in die Tiere vernarrt waren“, beschloss der Familienrat: „Wir schaffen uns zwei Alpakas an.“ Am Ende des ersten Winters waren auch die Nachbarn begeistert, denn aufgrund der Tatsache, dass die sanften Schwielenhufer gewissermaßen auf leisen Sohlen unterwegs sind, blieben die Weideflächen in tadellosem Zustand. Weil das im ersten Jahr so gut geklappt hatte, beschloss man, auch noch die „größeren Verwandten“, nämlich zwei Lamas, aufzunehmen.

Nach dem Besuch zahlreicher Fortbildungen begann man mit der Zucht. Das erfordert eine Menge Fachwissen und eine gehörige Portion Geduld, denn um qualitativ hochwertige Tiere zu bekommen, die nicht mit anderen verwandt sind, sollten die Alpakas möglichst nicht aus dem europäischen Raum, sondern aus Südamerika stammen. Alpaka-Hengst Benny wurde im Alter von zwei Jahren mit dem Flugzeug aus Chile eingeflogen, der weiße Wuschel Erik damals auf dem Transport geboren.

Unverkennbares Merkmal: „Bananenohren“

Worauf muss man bei der Anschaffung von Zuchttieren achten? „Auf den Körperbau vor allem: die Beine müssen gerade sein und die Zähne regelmäßig wachsen, damit das Tier hinterher nicht ständig zum Zahnarzt muss“, schildert Anni. Ausgewachsene Alpakas erreichen eine Größe zwischen 75 bis 100 Zentimetern. Stuten wiegen rund 60 Kilo, Hengste rund 20 Kilo mehr. Ihre Ohren laufen spitz zu. Unverkennbares Lama-Merkmal sind dagegen die „Bananenohren“.

Die klappten aufmerksam hoch, als Familie Gerhards-Jansen aus Köln in die Einfahrt bog. Michael Gerhards, begeisterter Eifel-Wanderer, hatte seinem Freund Thomas Jansen die Lama-Exkursion zum Geburtstag geschenkt und mit dem Ausflug gleichzeitig seiner in Peru geborenen Ehefrau Jessica eine Überraschung bereiten, ihr „ein Stückchen Südamerika in die Eifel holen“ wollen. Die Freude war perfekt „Das ist ja wie zu Hause“, strahlte Jessica und tätschelte entzückt den flauschigen Hals von Alpaka Benny. Denn „Alpakas streichelt man nur am Körper, nicht am Kopf“, lernten die Teilnehmer in der Folge und – ganz wichtig - „man muss sie bei ihrem Namen nennen, sonst reagieren sie nicht auf Befehle“, erklärte Anni.

Alpakas und Lamas gehören zu den Neuweltkameliden, den höckerlosen Kamelen Südamerikas. Sie zählen zu den Paarhufern, haben aber dicke, weiche Schwielen unter den Klauen.

Das Verbreitungsgebiet der Alpakas umfasst die Andengebiete von Ecuador, Peru, Nord-Bolivien und Nord-Chile, wo sie im Gebirge zwischen 3500 und 5000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel grasen. Bereits um 3000 vor Christus wurde das Alpaka vom Menschen domestiziert. Schon damals schätzten die Bewohner Südamerikas die feine, hochwertige Wolle des Tieres .

Bis zur Eroberung des Landes durch die Spanier züchteten die Inkas riesige Alpaka-Herden. Doch die Eroberer brachten Schafe mit und vernachlässigten das einheimische Tier so sehr, dass es fast ausgestorben wäre. Erst als die Kolonialherren abzogen, nahm man die Zucht wieder auf, der Bestand erholte sich. (clh)

Auch Jessicas Söhne Bastian (vier Jahre) und Oskar (13) waren begeistert, als ihnen die die kugelrunden Augen neugierig entgegenlugten. Und da jeder Teilnehmer bei einer Trekking-Tour von Familie Wallikewitz auch das Tier bekommt, dass zu ihm passt, nahm Jessica nach der kurzen Einweisung den temperamentvollen Erik an die Leine, Bel Ami und El Cid waren „was für den stabilen Herren“, Oskar ging mit dem „Alpaka-Piraten“ Sid auf Abenteuerreise, und der kleine Bastian kümmerte sich mit großer Ernsthaftigkeit um „Streicheltier“ Benni. Über Feld und Waldwege ging es mit herrlichem Panoramablick in Richtung Nettersheim. Alpaka Benny nahm sich zwischendurch auch mal die eine oder andere Auszeit und ließ sich genüsslich in einer matschigen Pfütze nieder. Die Geduld und Gelassenheit, wegen der die Tiere auch in Therapien eingesetzt werden, war beeindruckend. Die Ausflügler genossen die informative eineinhalbstündige Tour, bei der Anni Wallikewitz auch erklärte, was es mit dem berühmten Spucken auf sich hat. „Das tun Lamas nämlich nur, wenn sie ihre Artgenossen warnen wollen oder aus Futterneid, wenn etwa im Zoo die Pappschächtelchen aus dem Automaten mit den Leckerlies rascheln – das versetzt die Tiere in heillose Aufregung. Die Menschen sind aber nie gemeint.“