In der Nettersheimer Kinoscheune ist das Festival „Mir kalle Platt“ gestartet. Bis zum 15. Oktober finden zahlreiche Veranstaltungen statt.
Mundartfestival in NettersheimNeunjähriger rockt die Bühne op Eefeler Platt

Rund 120 Besucher waren zum „Mir kalle Platt“-Auftakt gekommen, den Poetry-Slammer Julius Esser präsentierte.
Copyright: Stephan Everling
Sprechen, wie die Eefeler Schnüss gewachsen ist. Schwade, laache un schänge, das ist der Fokus der Veranstaltungsreihe „Mir kalle Platt“, die bis zum 15. Oktober an verschiedenen Orten im Kreis stattfindet. In insgesamt 17 Veranstaltungen haben Alt- und Neueifeler Gelegenheit, sich in den zwei Disziplinen zur Eifeler Mundart zu üben: dem Verstehen und, noch herausfordernder, im Sprechen. In der Kinoscheune in Nettersheim wurde die Reihe nun eröffnet.
Zuvor hatte das Festival eine Art Kaltstart erlebt, als Diakon, Autor und Journalist Manfred Lang, einer der bekanntesten Mundartsprecher der Region, zu einem Nachhilfekurs geladen hatte. Zu seiner eigenen Überraschung sei der Abend mit 25 Teilnehmern ausverkauft gewesen, berichtete Lang. „Sogar mein alter Deutschlehrer war dabei“, sagte er stolz.
Poetry-Slammer Julius Esser kann auch Eifeler Platt
Einen bunten Reigen von Akteuren hatten die Organisatoren zu der Auftaktveranstaltung eingeladen. Präsentiert wurde sie von dem Poetry-Slammer Julius Esser, der seine Aufgabe souverän, wortgewandt und vor allem humorvoll erledigte. Dabei stellte er auch seine Affinität zur Mundart unter Beweis, indem er aus seiner Jugend in Rövenich berichtete. Rövenich bei Euskirchen bei Köln, wie er ausführte: „Wer aus einem 300-Seelen-Ort kommt, ist immer irgendwo ,bei'.“

Mit Platt-Kenntnissen und Bühnenerfahrung begeisterte Markus Hopfinger die Besucher.
Copyright: Stephan Everling
Rund 120 Zuhörer waren in die Kinoscheune gekommen, die kurz vor dem Abschluss der diesjährigen Kinosommer-Saison zweckentfremdet wurde. Dass ein Kino nicht automatisch ein guter Veranstaltungsort ist, wurde besonders durch die Lichtverhältnisse deutlich. Mangels einer Lichttraverse, die normalerweise der Filmprojektion im Weg stehen würde, strahlten die Bühnenscheinwerfer alle vom Boden aus in die Luft. Das jedoch führte dazu, dass die Akteure immer wieder aussahen, als seien sie einem Horrorfilm entsprungen.
Das Geschehen auf der Dorfkirmes wurde auch thematisiert
Doch der Stimmung und der Qualität des Gezeigten tat das keinen Abbruch. Nachdem Landrat Markus Ramers, Nettersheims stellvertretender Bürgermeister Ferdi Geißler, stilecht in Neddeschemer Mundart, und Mark Heiter, Vorstandsvorsitzender des Hauptsponsors VR-Bank Nordeifel, das Publikum begrüßt hatten, enterte Günter Hochgürtel, Initiator des Festivals die Bühne, um einige Lieder zu singen.

Ein Großmeister des Eifeler Platt ist Manfred Lang. Er vertiefte sich in die Feinheiten der ripuarischen Sprache.
Copyright: Stephan Everling
Kabarettist Schwede alias Jens Bongard aus Hausen ließ sich über die Mentalität der Eifeler aus, die zum Beispiel bei den Dorfkirmessen zum Vorschein kommt. „Das gibt es immer Stress“, stellte er fest. Zum Beispiel in Vlatten. Da bekämen die Leute immer zwischen zwei und drei – Promille, wie er nach kurzer Kunstpause sagte – Streit miteinander. Anschließend gingen alle Eier backen. „Dabei geht immer etwas kaputt. Selbst wenn du ein Haus leerräumst und nur eine Pfanne mit Eiern und einen Kasten Bier reinstellst, geht etwas kaputt, wahrscheinlich die Pfanne, wenn sich die Streithähne wiedertreffen“, scherzte er.
Der Bürvenicher Kinderprinz war der Star auf der Nettersheimer Bühne
Manfred Lang erinnerte an die einstige Zeitungsredaktion, in der Hochdeutsch geschrieben, aber nur Platt gesprochen wurde. Platt biete die Möglichkeit, in wenigen Worten auf den Punkt zu kommen. Ein Beispiel? Werner Rosen habe einst berichtet, dass eine ältere Frau zum Standesamt gekommen sei, um die Geburt ihres Enkels anzuzeigen: „Os Drück, 15 mol op Kermes – nüüs, eimol Katholikentag – dä!“
Ihrer eigentlichen Aufgabe wurde die Kinoscheune gerecht, als ein vorproduzierter Film eingespielt wurde, in dem Helga Hettmer aus Niederelvenich und Udo Esser aus Zülpich über ihr Verhältnis zur Mundart sprachen. Der Sänger und Gitarrist Martin Sina präsentierte drei seiner Songs, die er stets in Eifeler Mundart schreibt. Anschließend präsentierte Birte Karstens aus Zülpich einen Text, den ihr Vater geschrieben hatte, als er in den 1970er-Jahren mit der Band „Jassejunge“ unterwegs war. Sie spreche nur selten Mundart: „Dabei musste ich in der Grundschule noch Diktate auf Platt schreiben.“
Zum Star des Abends avancierte der neunjährige Markus Hopfinger. Anfang des Jahres hatte er als Kinderprinz in Bürvenich seine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt, nun stand er mit Julius Esser im Rampenlicht und präsentierte mit ihm einen Text, den Esser als Jugendlicher aufgeführt hatte. In „Minge eetste Kirchjang“ berichtete er von den seltsamen Dingen, die er bei einer Messe erleben durfte. Das Publikum feierte das Nachwuchstalent.
Die weiteren Veranstaltungen
Bis zum 15. Oktober gibt es noch weitere Veranstaltungen in der Reihe „Mir kalle Platt“. Bereits ausverkauft sind die Termine „MundArt“ am 30. August im Siechhaus in Zülpich, „Kriminell und musikalisch“ am 21. September in der Stadtbibliothek Euskirchen und der „Talk op Platt“ am 28. September mit Manni Lang, Günter Hochgürtel und Stefan Pütz bei Papstar in Kall.
Karten gibt es noch für „Janz vell Musick“ am 25. August, 20 Uhr, im Barfuß- und Generationenpark in Schmidtheim und die Hörspielproduktion „Ne Hof Jedöns em Köhstall“, 25. August, 19.30 Uhr, im Kulturhof Velbrück in Metternich.
„Lendens Jerett“, Köhlermeister und Wanderführer Gerd Linden, bietet am Sonntag, 26. August, sowie, Sonntag, 17. September, jeweils ab 13.30 Uhr geführte Wanderungen von Wolfgarten nach Gemünd, die mit einer Eifeler Brotzeit in der Jugendherberge abschließen. Am Sonntag, 27. August, 14 Uhr, findet ein Kinder-Workshop mit Aufführung in der Gesamtschule Eifel in Nettersheim statt. Ebenfalls am 27. August, 11 Uhr, wird eine Wanderung um die Burg Reifferscheid geboten.
„Verzällche op Platt un Musick“ bietet am Donnerstag, 31. August, 15 Uhr, Günter Hochgürtel im Bürgerhaus Freilingen. Am Samstag, 23. September, 14 Uhr, führt eine Wanderung rund um Olef mit Eifeler Kaffeetafel.
Beendet wird die Veranstaltungsreihe am 15. Oktober mit der „Kirmes om Dörp“ in Marmagen und einem Auftritt von „Wibbelstetz“. (sev)