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ÖkoblitzWie ein Euskirchener dem Klimaschutz 25 Jahre voraus war

Lesezeit 4 Minuten

War mit seiner Geschäftsidee seiner Zeit voraus: Jürgen Siegler, der seit 25 Jahren für seine Kurierdienstfirma in die Pedale tritt.

  1. Bereits vor 25 Jahren engagierte sich Jürgen Sieglar für den Klimaschutz.
  2. Mit seinem Kurierdienst „Ökoblitz“ liefert er Waren mit dem Fahrrad aus.
  3. Eine Statistik in 25 Dienstjahren ist besonders erstaunlich.

Euskirchen – An seinen allerersten Auftrag kann sich Jürgen Siegler noch ganz genau erinnern: „Eine Stange Zigaretten und zehn Liter Milch.“ Bestellt von einem älteren Euskirchener Ehepaar, das den Kurier fortan mehrmals die Woche zum Einkaufen eben dieser beiden Dinge schickte.

25 Jahre ist das her. Der nunmehr 53-Jährige hat seither Tonnen von Waren, Dokumenten und Briefen hin- und hertransportiert, längst nicht mehr nur mit dem Fahrrad, sondern auch mit Auto, Bus und E-Bike. Dass sich die Geschäftsidee derart durchsetzen würde, hatten anfangs doch viele eher bezweifelt. „Ja, ich wurde schon belächelt“, erinnert sich Siegler und lacht: „Den Firmennamen ,Ökoblitz’, den ich damals habe schützen lassen, hätten mir zwischenzeitlich schon etliche Interessenten gerne abgekauft.“

Seiner Zeit voraus

Letztlich war Jürgen Siegler mit der Idee, einen umweltfreundlichen Kurierdienst zu gründen, seiner Zeit deutlich voraus. Die Klimadebatte wurde noch nicht geführt, als Mitte der 1980er Jahre in Berlin der erste Fahrradkurier seinen Dienst antrat und Siegler mit einem Freund vor der legendären Euskirchener Schwarte darüber nachdachte, ob sich Derartiges auch in der Kreisstadt umsetzen ließe.

Bevor der gelernte Anlagentechniker schließlich 1994 den Schritt wagte, versuchte er sich noch als Auswanderer: „Zwei Jahre habe ich auf Jamaika am schönsten Strand der Karibik eine Pension mitgeführt.“

3,5 Millionen Kilometer

Per Fahrrad liefert der Ökoblitz innerhalb des Stadtgebietes von Euskirchen, umliegende Ortschaften werden mit dem E-Bike angefahren. Auch werden Sendungen zu weiter entfernten Orten im In- und Ausland zugestellt, „so umweltfreundlich wie möglich“, so Jürgen Siegler. Der Kurierdienst stellt auch Rechnungen, Kündigungen oder Abmahnungen persönlich zu. Nach wie vor nutzen viele Firmen den täglichen Service der Postfachleerung.

Der Ökoblitz bringt Rezepte zu hiesigen Apotheken und liefert Medikamente direkt zu den Kunden nach Hause. Außerdem bietet die Firma einen Kfz-Zulassungsservice an.

In den 25 Jahren, seit Jürgen Siegler sein Geschäft gegründet hat, sind vom Ökoblitz insgesamt zwischen 500 000 und 700 000 Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt worden. Hinzu kommen 3,5 Millionen Kilometer, die in weiter entfernte Zielorte mit dem Wagen zurückgelegt wurden.

Um seinen frisch gegründeten Kurierdienst in Fahrt zu bringen, verteilte Jürgen Siegler 1994 in der ganzen Stadt Flyer. „Eines Tages kam ein Anruf von Baustoffhändler Ferdinand Schmitz, der wissen wollte, ob ich ihnen die täglichen Sendungen aus dem Postfach bringen könnte.“ Was folgte, war eine Art Dominoeffekt – eine Firma nach der anderen beauftragte Siegler, das jeweilige Postfach im Postamt zu leeren. „Das war der Zeitpunkt, wo ich begriffen habe, dass die Geschäftsidee zieht und ich wirklich Geld damit verdienen kann.“ Eine Sportskanone war der Euskirchener schon seit jeher. So macht es ihm bis heute nichts aus, täglich 70 bis 100 Kilometer zu strampeln. „Frische Luft und Rad fahren – es gibt nichts Schöneres“, sagt er.

Als erste Kurierfahrten in benachbarte Städte angefragt wurden, schaffte sich Siegler ein Auto an – einen Drei-Liter-Lupo, den er auf Gas umbauen ließ, um auch hier dem ökologischen Gedanken gerecht zu werden. „Leider gibt es bis heute kein Auto, mit dem ich richtig glücklich wäre“, so der 53-Jährige. Ein E-Auto käme wegen der beschränkten Reichweite nicht in Frage. „Wir liefern zum Beispiel Ersatzteile in ganz Deutschland aus.“

Noch keine Kündigung in 25 Jahren

Stolz ist Jürgen Siegler auf die Tatsache, dass noch nie ein Kunde gekündigt habe, weil er unzufrieden gewesen sei: „Aufträge habe ich dann verloren, wenn Firmen pleite gegangen sind.“ Das aber konnte über die Jahre nur so gut funktionieren, weil Jürgen Siegler sich unablässig hineingekniet hat in die Arbeit. „Ich habe nach 15 Jahren das erste Mal einen Urlaub gemacht, der zwei Wochen lang war“, erzählt er. Ansonsten habe er sich nie mehr Auszeit als sieben Tage gegönnt. Fünf bis sechs Aushilfen fahren für Ökoblitz, eine Festangestellte gibt es zudem. „Die Koordination der Fahrten übernehme ich“, so Siegler, der deshalb nahezu mit seinem Handy verwachsen ist. „Das ist oft Multitasking hoch zehn.“

Die E-Bikes in der Fahrzeugflotte sind noch recht neu. Eine Investition, die sich doppelt lohnt: Erstens können nun auch die Außenbezirke Euskirchens mit dem Rad zügig angefahren werden, zweitens mache es großen Spaß, auf den Rädern durch die Landschaft zu radeln. „Ich mache auch am Wochenende damit noch Touren in die Natur“, so Jürgen Siegler, der über mangelnde Fitness sicherlich nicht klagen kann.

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Wenn er sich noch mal entscheiden könnte – er würde den Ökoblitz wieder gründen, versichert Siegler. „Was ich bei einem zweiten Versuch aber vermeiden würde: Die Firma in meinen eigenen vier Wänden unterzubringen, so wie es jetzt der Fall ist.“

In Zukunft würde er gerne ein Stück weit „back to the roots“ gehen, was in seinem Fall bedeutet: wieder mehr Kurierfahrten mit dem Rad erledigen, weniger mit dem Wagen. Und vielleicht, so der 53-Jährige, finde sich ja auch ein jüngerer Partner. Jemand, der ebenso große Lust hat wie Siegler, eine ökologisch sinnvolle, nachhaltige Firma wie den Ökoblitz mit Hirnschmalz und Muskelkraft am Laufen zu halten.