Den Opfern auf der SpurAusstellung „Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen“ eröffnet

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Durch die Ausstellung führten Heike Pütz und Franz Albert Heinen (l.) den Landtagspräsidenten André Kuper. 

Schleiden-Vogelsang – „Diese Ausstellung ist auch ein Schrei nach Mitmenschlichkeit in allen Ländern der Erde“, sagte NRW-Landtagspräsident André Kuper bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen“ im Besucherzentrum von Vogelsang. Der Kreis Euskirchen und Vogelsang IP beleuchten dort bis zum 16. April 2023 auf mehr als 50 Tafeln und Vitrinen das Schicksal der Zwangsarbeiter in den Altkreisen Schleiden und Euskirchen und die Rolle der in Vogelsang ausgebildeten Ordensjunker bei der Rekrutierung der Menschen.

Thomas Kreyes, Geschäftsführer von Vogelsang IP, begrüßte die zahlreichen Gäste und erklärte, dass Frieden in Europa aktuell leider keine Selbstverständlichkeit mehr sei. „Krieg führt oft zur Entgrenzung der Gewalt. Wenn die Spirale einmal angestoßen ist, kann man sie kaum noch aufhalten“, warnte Kreyes.

„Die Ausstellung zeigt die Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen in allen Facetten“, erklärte Prof. Dr. Jürgen Rolle, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von Vogelsang IP. Aufgezeigt würden auch die menschenverachtenden Ziele der Nazis. Die Ausstellung zeige, dass Vogelsang nicht nur ein touristischer Ort sei, sondern das dort eine ernsthafte und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit der Geschichte stattfinde.

„Es ist die Geschichte unserer Städte und Dörfer, unserer Großeltern. Das Morden hat sich vor unseren Haustüren abgespielt“, mahnte Landrat Markus Ramers. Die Zwangsarbeit im Kreis Euskirchen sei sehr vielschichtig gewesen. Im Kreis Schleiden habe es 85 Lager mit rund 5000 Insassen gegeben, im Kreis Euskirchen seien 4200 Menschen in 72 Lagern eingesperrt gewesen. Insgesamt habe es mehr als 600 Todesopfer gegeben.

„Während in der Eifel die harten Winter und die schwere Forstarbeit ihre Tribute forderte, waren es im Kreis Euskirchen die zahlreichen Bombardements“, sagte der Landrat. „Es gab damals die, die geholfen haben, die, die weggesehen haben, und die, die sogar die Gestapo gerufen haben.“ Das Schicksal der Familie Moroz, das in der Ausstellung gezeigt wird, habe ihn besonders berührt, weil es in seinem Heimatort Freilingen spiele. Ramers dankte Heike Pütz, der Leiterin des Kreisarchivs, und dem Journalisten Franz Albert Heinen für ihre unermüdliche Arbeit.

„Überall gab es Lager. Das ist die bittere Wahrheit“, betonte Kuper. Der Landtagspräsident erinnerte daran, dass die sowjetischen Kriegsgefangenen, die nach Deutschland deportiert wurden, nicht nur aus Russland, sondern beispielsweise auch aus der Ukraine kamen. Den Krieg des Nazi-Regimes hätten sie damals Seite an Seite erlebt. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Welt aus den Kriegen und der Geschichte lernt“, so der Landtagspräsident. Man dürfe trotzdem die Hoffnung nicht aufgeben.

Heike Pütz führte noch einmal einige der menschenverachtenden Regeln vor Augen, die für die Zwangsarbeiter galten: „Sie durften keinen Kontakt zur Bevölkerung haben, wurden schlechter bezahlt und bekamen die Kosten für Kost und Logis und für die Bewachung in Rechnung gestellt.“ Leider seien heute kaum noch Quellen vorhanden: „Die lückenhafte Überlieferung lässt die Forschung schnell an Grenzen stoßen.“ Pütz dankte den Mitstreitern und Archiven für die Unterstützung: „Die Ausstellung soll auch ein Anstoß für weitere Forschungen sein.“

Die Bedingungen für die sowjetischen Kriegsgefangenen seien noch schlechter gewesen als für die Zwangsarbeiter, berichtete Heinen. Er nannte das Beispiel von 48 Soldaten, die in einem großen Forstbetrieb in Hellenthal eingesetzt worden waren: „Die Männer kamen in einem Viehwaggon am Bahnhof an und hatten vorher wochenlang nichts zu Essen bekommen. Sie waren nur noch Haut und Knochen.“

Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm gibt es im Internet.

Obwohl der Revierförster sie gut verpflegt habe, seien viele von ihnen in kurzer Zeit gestorben und dann mit einer Holzkarre mitten durch den Ort zum Judenfriedhof nach Blumenthal gebracht worden. „Nichts lief im Verborgenen ab. Jedem war bekannt, dass da ein Verbrechen in großem Stil stattfand.“ In einem anderen Lager in Hollerath seien in drei Monaten 60 Kriegsgefangene gestorben und anschließend in einem Massengrab beigesetzt worden. „Wir müssen darüber reden, um es zu verstehen“, forderte Heinen.

Mira Moroz, deren Opa als polnischer Zwangsarbeiter in Blankenheim-Freilingen eingesetzt war und der sich in ein Mädchen aus dem Ort verliebt hatte, berichtete über ihre Großeltern. „Nach den rassistischen Gesetzen der Nazis dürfte es meine Familie gar nicht geben. Meine Großeltern hatten großes Glück, dass sie überlebt haben.“ Die Schwester ihrer Großmutter hatte sich ebenfalls in einen polnischen Zwangsarbeiter verliebt und ihn später geheiratet.

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Historiker Stefan Wunsch von Vogelsang IP berichtete, dass auf der Ordensburg 42 Zwangsarbeiter eingesetzt waren, 32 Frauen und zehn Männer. Über ihr Schicksal sei nichts bekannt. Viele Ordensjunker aus Vogelsang seien in den besetzten Gebieten als Gebiets- oder Stadtkommissare eingesetzt worden und verantwortlich dafür gewesen, dass Menschen zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gebracht worden seien.

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