Nach Flut wieder aufgebautGemünder Brauerei drohen Probleme mit Gas und Malz

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 Über die Geheimnisse des Bierbrauens informierte Wolfgang Scheidtweiler (l.) die Besucher im Sudhaus. 

Schleiden-Gemünd – Einen Temperatursturz der besonderen Art erlebte am Donnerstagmorgen Landrat Markus Ramers. Mit der Leiterin der Wirtschaftsförderung des Kreises, Iris Poth, und Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings besichtigte er die Produktion der Gemünder Brauerei.

Von dem heißen Sudkessel, in dem gerade die Würze gekocht wurde, bis zum kalten Lagerkeller ging die Tour, auf die Besitzer Wolfgang Scheidtweiler und Geschäftsführer Jochen Schweizer die Besucher in der einzigen produzierenden Brauerei im Kreis führten. Ein besonderer Augenmerk galt dabei der Beseitigung der Flutschäden, nachdem das Wasser auch in der Brauerei zwei Meter hoch gestanden hatte.

Die ersten Nachrichten kamen in der Flutnacht

„Ich war an dem Abend, als die Flut kam, noch in Gemünd“, berichtete Scheidtweiler. Beim Essen mit dem Vertreter seiner Versicherung habe er die Sirenen gehört – doch sich nichts dabei gedacht. „Auf dem Gelände der Brauerei war noch nichts. Doch als ich die überfluteten Wiesen in Richtung Kall sah, habe ich mir schon Sorgen gemacht.“ In der Nacht seien dann die ersten Nachrichten aus Steinfeld eingegangen, wo Flutopfer untergebracht wurden. „In Spitzenzeiten waren es 25, bis heute leben noch fünf dort“, so Scheidtweiler.

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Zwei beschädigte  Lagertanks  müssen noch getauscht werden.

Am Morgen habe Jochen Schweizer gesehen, was das Hochwasser in der Brauerei angerichtet hat. „Unser Steuerberater hat gesagt: Nehmt die Versicherungssumme und lasst das Bier demnächst woanders brauen“, so Scheidtweiler. Doch das sei nicht der Stil seines Hauses: „Wir haben so viele Brauereien vor der Insolvenz gerettet, da war klar: Wir bauen wieder auf.“

15.000 Liter Bier in den Tanks wurden schnell gekühlt

Da die Zentrale des Konzerns in Pforzheim sitzt, habe es anders als bei anderen kaum Probleme gegeben, Handwerker zu bekommen. „Wir haben aus der Pforzheimer Brauerei am nächsten Tag ein Notstromaggregat hingefahren, um die 15.000 Liter Bier, die noch in den Lagertanks waren, zu kühlen. Sonst wäre der Schaden noch größer gewesen“, erläuterte der Bierbrauer.

Gemünder Besonderheiten

Junge Brauerei

Die Gemünder Brauerei sei ein Sonderfall in der Bierbranche. „Sie ist die letztgegründete Brauerei in Deutschland“, erläuterte Wolfgang Scheidtweiler. Sein Vater habe sie 1960 gegründet, obwohl er keine Ahnung vom Brauen gehabt habe und nicht einmal Biertrinker gewesen sei.

Der Heimdienst

Da kein Geld da gewesen sei, eine Gastronomie aufzubauen, habe das Unternehmen einen Heimdienst aufgebaut, der bis heute Getränke zu den Kunden nach Hause liefert. 

Offene Braubottiche

Das untergärige Bier wird bis heute in offenen Braubottichen gebraut, so dass Hefe und Fremdkörper sich an der Oberfläche absetzen können. Das Verfahren sei handwerklich anspruchsvoller, doch das Bier sei besser, betonte Scheidtweiler. So wurden auch in der Pforzheimer Brauerei bei der Sanierung des Braukellers die offenen Bottiche nicht durch geschlossene Tanks ersetzt, sondern erneuert. Eine Besonderheit stelle auch dar, dass das Bier nach dem Brauen nicht noch einmal kurz erhitzt werde. (sev)

Innerhalb von zwei Wochen brachte der Hauselektriker den Trafo wieder ans Laufen. Durch die Abgabe der von der Flut überspülten Flaschen sei eine Spendensumme von rund 20.000 Euro zusammengekommen.

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Neue Maschinen sind in der Abfüllanlage installiert worden. Sie waren bereits bestellt, als die Crew die alten wieder in Gang gesetzt hatte.

Innerhalb kurzer Zeit sei ein neuer Dampfkessel beschafft worden, da der alte nicht zu reparieren war. Anders als die betagte Abfüllanlage, die von Braumeister Anton Schmitt und engagierten Mitarbeitern über Wochen wieder aktiviert wurde. Weihnachten habe die Anlage wieder produziert. Scheidtweiler: „Wir hatten schon neue Maschinen bestellt, da haben wir uns geärgert.“

Gemündern drohen nun neue Probleme

Doch nun drohe neuer Ärger. „Im November wird die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen“, prophezeit er. Dann würden Betriebe, die große Mengen Gas verbrauchen, keinen Brennstoff mehr bekommen – die Brauerei fiele auch darunter. Perspektivisch soll sie einen Heizkessel erhalten, der mit Hackschnitzeln betrieben wird. Problematischer sei aber der Dampfkessel, der für viele Vorgänge in der Brauerei notwendig ist: „Wir werden einen Ölbrenner bereitstellen, doch das geht nur für einen Kessel.“ Dann könne entweder gesiedet oder abgefüllt werden – aber nicht mehr gleichzeitig gearbeitet.

Auch seien derzeit die Preise für Malz derzeit ungefähr doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Teilweise gebe es auch Lieferschwierigkeiten. „Unser Lieferant hat zwei große Mälzereien in der Ukraine: Die eine ist kaputt, und an die andere kommt er nicht ran“, so Scheidtweiler.

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Trotz der aktuellen Probleme freut sich Landrat Markus Ramers über das Zeichen, das die Brauerei gesetzt hat. Im Sinne der Nachhaltigkeit sei es wichtig, eine Brauerei im Kreis zu haben, die die Region versorge. Nicht alle Betriebe haben nach der Flut weitergemacht: „Um so wichtiger sind Beispiele von Unternehmen, die sich zur Region bekennen.“

Stadt und Brauerei wollten in Zukunft mehr aufeinander zugehen, so Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. Um die Produkte der lokalen Brauerei besser zu platzieren, wolle man beim Helferfest 2023 gemeinsam arbeiten. „Die Brauerei ist stadtbildprägend, jeder kennt sie“, so Pfennings. Die Stadt sei stolz darauf, dass die alte Handwerkstradition des Bierbrauens fortgeführt werde.

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