Ex-Bürgermeister Ralf HergartenAuf den Triumphzug folgte der Absturz

Der ehemalige Schleidener Bürgermeister fährt jetzt als Rettungsassistent Rettungswagen des DRK-Kreisverbandes Euskirchen.
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Schleiden – Als politischer Newcomer eroberte der parteilose Ralf Hergarten im Triumphzug vor neun Jahren als Bürgermeister das Rathaus. Mit noch klarerer Mehrheit bestätigten die Schleidener ihn fünf Jahre später, obwohl damals längst der gesamte Stadtrat scharf Hergartens Amtsführung kritisierte.
Rückblickend räumt er heute ein: „Ich hatte anfangs abenteuerliche Vorstellungen, was man als Bürgermeister machen kann. Aber als Einzelkämpfer ist es schwer, etwas zu bewegen.“
Unfähig, Entscheidungen zu treffen
2011 erfolgte sein körperlicher Zusammenbruch. Zweimal war er kollabiert, litt unter chronisch weit überhöhtem Blutdruck, gegen das tägliche Nasenbluten half auch eine Kur nur für kurze Zeit.
Das ging einher mit der – laut Hergarten – „zunehmenden Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen“. Hinzu kamen gesteigerte Aggressivität, die er nicht mehr steuern konnte, und die Unfähigkeit, mit anderen zusammen in einem Raum zu sein, zumal wenn mehrere durcheinanderredeten: „Das war, als hätte ich eine Glashaube übergestülpt, ich hörte nur noch Rauschen.“
Konzentrierte Ratsarbeit war so nicht möglich. Der Hausarzt schickte ihn zum Psychologen, der ihn lange therapierte. Die Diagnose war eindeutig: Der Bürgermeister war in ein tiefes Loch gestürzt, aus dem er nicht mehr herauskam. Überforderung im Amt. Nach gut zwei Monaten Krankheitszeit bat der Stadtrat den Landrat, die Dienstfähigkeit des Bürgermeisters zu untersuchen, es folgte zum 1. Juli 2012 die zwangsweise Versetzung in den vorgezogenen Ruhestand: Senkrechter Absturz nach kometenhaftem Aufstieg.
Was hat das mit dem Menschen Ralf Hergarten gemacht? Wie verkraftet man einen derart heftigen Bruch in der Lebensplanung? Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ fragte bei dem Betroffenen nach.„Die Versetzung in den Ruhestand war bei mir der absolute Tiefpunkt“, sagt Hergarten heute. Irgendwie ging das Prozedere wohl auch menschlich schief: „Der Rat hat es nicht mal für nötig befunden zu fragen, was los war.“ Es habe auch nie jemand vom Rat nachgefragt, ob er vielleicht offiziell verabschiedet werden möchte als Bürgermeister. Hergarten: „Das war der Stil dieses Rates.“
Seine Lebensplanung hatte natürlich ganz anders ausgesehen. Die Krankheit beeinträchtigt ihn bis heute. Der Blutdruck ist zwar auch dank langer Spaziergänge in der Natur wieder im Normbereich, aber bis heute muss er oft aus dem Raum, wenn alles durcheinander quasselt. Das geht einher mit Panikattacken. Und zwischendurch braucht er auch immer mal wieder Auszeiten für sich. Immerhin: „Das Leben ist für meine Familie und mich erheblich stressfreier geworden“, sagt der 47-Jährige.
Seit dem Zusammenbruch war das auch nötig: „Ich habe ein halbes Jahr zu Hause gesessen und konnte keine Leute mehr sehen.“ Zwischenzeitlich fragte der Stadtverband des DRK an, ob er gewillt sei, weiter als Vorsitzender zu agieren. Frühpensionär Hergarten stimmte zu. Aber das war ihm nun zu wenig. Wenn schon, dann wollte er auch in die Praxis des Rettungsdienstes. Um die Jahreswende 2012/13 bestand er die Rettungssanitäter-Ausbildung, seither sieht man ihn öfter als Ehrenamtler auf dem Rettungswagen.
Das ist nicht ganz ohne, wie er gleich am ersten Tag erlebte, als er bei einem Einsatz den Patienten wiederbelebte bis der Notarzt kam. Nach Dienstende überdachte er zu Hause das Geschehen und stellte fest, dass ihn diese Arbeit befriedigte: „Das war eine Möglichkeit, Sinnvolles zu tun, statt zu Hause zu warten, bis mir die Decke auf den Kopf fällt.“
Diese Aufgabe habe für ihn den großen Vorteil, dass er sofort sehe, ob seine Arbeit erfolgreich war oder nicht. Das war in der Politik völlig anders, womit Hergarten nicht klar kam. Sein Traumjob wäre jetzt eine Aufgabe in der Beratung, womöglich für das Spezialgebiet des Rettungswesens. Aber so etwas ist aktuell nicht in Sicht.
Eifelkrimi geschrieben
Das Privatleben wird natürlich durch die jetzigen finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt. Es kommt mit 2400 Euro Brutto monatlich nur ein Drittel des früheren Einkommens in die Kasse. Aber selbst um seine private Absicherung muss er noch vor Gericht streiten, denn die Berufsunfähigkeitsversicherung hält ihn für weiterhin einsatzfähig.
Im Frühsommer 2012, nach dem Zusammenbruch, begann er mit dem Schreiben eines Eifelkrimis, nach Vorlage des Manuskripts unterzeichnete er bei dem Kölner Emons-Verlag im Winter den Vertrag, im Frühjahr 2014 soll Hergartens Krimi zu Vogelsang erscheinen. Sein Protagonist ist angelegt als Serienheld, Emons hat sich auch das Recht des ersten Zugriffs für weitere Folgen gesichert. Offenbar hat seine Jungfernarbeit als Autor beim Verlag Eindruck hinterlassen. Aktuell schreibt er die Fortsetzung, bei der es um Altlasten im Nationalpark geht.