Nach der Flut in GemündFreunde im Leben auf Erinnerungstafel verewigt

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Freunde im Leben: Im Schneetreiben singen die Malsbendener  ihre neue Hymne.  

Schleiden-Gemünd – Emotionale Stunden in Malsbenden: 263 Tage nach der Flut ist an diesem Wochenende das Versorgungszelt abgebaut worden, das Treffpunkt und Anlaufstelle für die von der Flut so schwer betroffenen Malsbendener gewesen ist. Noch einmal sind die Nachbarn hier zusammengekommen, um ein letztes Mal im Zelt das Zusammensein zu genießen. Bei durch die Außentemperaturen gut gekühlten Getränken, Salaten und frisch gegrillten Speisen feiern Anwohner und Helfer.

Was bleibt? Einiges. Vor allem Freunde im Leben. So singt es die Rockband „Goitzsche Front“, deren Fanclubmitglieder aus dem Aufräum- und Wiederaufbaugeschehen nicht wegzudenken sind. „Das Lied ist die neue Malsbendener Nationalhymne“, sagt Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings, bevor er sich in die Reihe der Sänger einreiht, die im Schneetreiben fröhlich schunkelnd den Refrain schmettern.

Bleibende Erinnerung und Mahnmal aufgestellt

„Was bleibt, sind Freunde im Leben“, das ist seit den schrecklichen Tagen im vergangenen Sommer gelebter Alltag an der Urftseestraße und den angrenzenden Straßen. „Was bleibt, sind Freunde im Leben“, ist also auch der Text auf der Metallplatte, die Peter Wergen und Michael Nowak als bleibende Erinnerung und Mahnmal vor das Haus von Klaudia Wergen gestellt haben, an dem das Versorgungszelt gestanden hat.

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Die Metallplatte, hier mit Klaudia Wergen (v.l.), Michael Nowak, Peter Wergen und Ingo Pfennings, soll an die Katastrophe und die große Solidarität danach erinnern.

Entstanden ist das Zelt schon in den ersten Tagen nach der Flut am 14./15. Juli. Zu essen gab es da in Malsbenden nichts, keinen Strom, keine Möglichkeit, sich zu versorgen – und durch die vielen Räumfahrzeuge kaum ein Durchkommen, um zum Versorgungszelt des DRK am Marienplatz zu gelangen. So stellte Klaudia Wergen neben ihrem abgesoffenen Wohnhaus ein Zelt auf, wohin das Essen danach geliefert und in Malsbenden verteilt werden konnte.

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In ihrem Zelt haben die Malsbendener nun zum letzten Mal zusammengesessen. 

Aus dem in Eigeninitiative entstandenen Zelt ist schnell mehr geworden: Anlaufstelle für kleine Probleme und große Sorgen, Austausch für Hilfe und Helfer und immer wieder Treffpunkt, wenn in Malsbenden etwas zu feiern ist: Advent, Weihnachten, Silvester. „Ihr habt hier die psychologische Grundversorgung geleistet, hier konnten die Menschen reden“, lobt Pfennings.

In den Häusern in Malsbenden sind Fortschritte zu erkennen

Viel ist in der Zwischenzeit passiert, viel ist noch zu tun. Manche Häuser sind verkauft, andere vermietet. Ein Haus in der Urftseestraße ist abgerissen, ein Verlust, der den Nachbarn wehtut, als wäre ein Freund gestorben.

Nicole und Harald Klein sehen Fortschritte in ihrem Haus. „Wir warten auf den Fliesenleger“, sagt Harald Klein. Die Türen seien bestellt, bald sei die erste Hälfte des Bungalows bezugsfertig. Dann solle die zweite in Angriff genommen werden, berichtet er. Zweimal haben sie seit der Flut umziehen müssen, derzeit wohnen sie in Berk.

Die Helfer sagen Danke

Holzbänke gebaut

„Helfen ist das eine, aber Dank zu sagen für das, was für die Hilfe zurückgegeben wird, ist das andere“, sagt Daniel Braun. So haben sich die Helfer vom Fanclub der Rockband „Goitzsche Front“ einiges einfallen lassen, um sich für den Rückhalt zu bedanken, den sie für ihren Einsatz von den Gemündern erhalten haben. Fünf Holzbänke hat Braun angefertigt und vier davon aus seinem Heimatort Gröningen in Sachsen-Anhalt mit dem Anhänger in die Eifel gefahren. „Die erste ist für meinen Fußballverein in Gröningen, der eine Spende von 3200 Euro für den SV Nierfeld geleistet hat“, erklärt Braun. Die zweite sei für den Katharinenhof, wo über viele Wochen das Helferzentrum seinen Standort samt Materiallager hatte, eine dritte für Hans und Sabine Mießeler und die beiden letzten je für Klaudia und Peter Wergen. (sev)  

Besondere Überraschung

Für Klaudia Wergen hatten die Helfer noch eine besondere Überraschung parat. Sie habe mit dem Versorgungszelt einen Anlaufpunkt auch für die Helfer geschaffen, wo es immer etwas zu trinken oder zu essen gegeben habe, erläuterte Marcel Otto. „Wir holen an Fronleichnam Klaudia ab und fahren mit ihr nach Dresden, wo ein Besuchsprogramm mit Schiffstour bereits geplant und organisiert ist“, verriet er. (sev) 

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Fünf Holzbänke hat Daniel Braun als Erinnerungsstücke angefertigt und  vier davon in die Eifel gebracht. 

„Ich habe ein Putztrauma“, gibt Anne Wiemann zu. Über Monate habe sie nur saubergemacht. Wenn sie jetzt eine Ecke sehe, die noch schmutzig sei, dann lasse sie die auch einfach mal liegen. „Wir haben noch Glück gehabt“, berichtet sie weiter. Die Autos haben sie rechtzeitig wegfahren können, nur der Keller sei vollgelaufen. Auch die Fluthilfe sei zügig abgewickelt worden. „Ich beklage mich nicht – aber ich will es auch nicht nochmal haben“, betont sie.

Doris und Erwin Schnitzler sind nach vielen Monaten, in denen sie bei ihrer Tochter in Blankenheim gelebt haben, wieder zu Hause. „Es ist gut, wieder zurück zu sein“, sagt sie. Doch wenn es viel regne, dann komme der Schrecken wieder hoch.

Bei Klaudia Wergen kommt nun alles hoch, was passiert ist

Auch Klaudia Wergen ist mittlerweile wieder zurück in ihrem Haus. „Ohne meinen Bruder Peter, der hier alles organisiert hat, hätte ich das nicht geschafft“, sagt sie. Da sie langsam zur Ruhe komme, fange sie aber an zu denken und die Geschehnisse zu verarbeiten. Bisher habe sie nur funktioniert. „Jetzt kommt bei mir alles raus, alles, was hier passiert ist.“

Auch die Helfer von dem Fanclub der „Goitzschen Front“ sind an diesem Wochenende wieder in Gemünd. Nicht ungewöhnlich, denn sie sehen ihre Arbeit noch lange nicht als getan an.

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Die Nachbarn bestücken das Buffet:   Martina Paul hat  Nussecken gebacken.

Judith Pietrantuoni aus Bretten bei Pforzheim erinnert sich, wie ihre Gruppe im Juli in der Urftseestraße ankam, um nach der Katastrophe zu helfen. „Wir konnten sehen, wie die Leute dachten: ,Oh Gott, was wollen denn jetzt die Gepiercten und Tätowierten hier’“, erzählt sie lachend vom ersten Tag. „Ich habe mich dann in eine Menschenkette eingereiht und Sachen weitergereicht“, ergänzt Daniel Braun. Marcel Otto zeigt auf ein Haus wenige Meter weiter: „Dort im Keller habe ich an meinem ersten Tag Glasfliesen abgeschlagen. Hinterher hatte ich am ganzen Körper Schnittwunden.“

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„Wir vergessen nicht, was passiert ist“, fährt Braun fort. Deshalb ende auch die Hilfe nicht hier – auch wenn ihre Autos gerade vollgeladen seien mit Hilfsgütern für die Ukraine, die ihr Freund Ronny Wachsmuth, der die Gemünd-Hilfe ins Leben gerufen hat, in das Kriegsgebiet bringen wolle. Er sei mit einer Ukrainerin verheiratet und habe ein Haus dort. „Wir haben zur Menschlichkeit, wir haben zur Gemeinschaft zurückgefunden“, sagt Braun stolz.

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