Bürokratie beim WiederaufbauPappen Olef hadert mit den Antragsmodalitäten

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Nach der Flut konnte diese Maschine als Erste instandgesetzt werden.

Schleiden-Olef – Es ist Stephan Mahlert anzusehen, wie er sich um Sachlichkeit bemüht, wenn er die Situation des Kartonherstellers Pappen Olef schildert: „Minister Pinkwart hat uns schnelle, unbürokratische Hilfe in die Hand versprochen.“ Doch davon sei nichts zu merken. „Das geht nicht unbürokratisch und schnell“, so Mahlert.

Mit seinem Kompagnon Robert Hobelsberger ist Mahlert Inhaber von Pappen Olef, beide fungieren als Geschäftsführer. Seit der Nacht zum 15. Juli, als die Olef ihren Betrieb überflutete, ist nichts mehr, wie es war. Hobelsberger musste die Nacht in der Firma verbringen, hörte Hilferufe von Menschen, die von den Wassermassen eingeschlossen waren und teilweise ihr Leben verloren.

Ein verheerendes Bild bot sich am nächsten Morgen in den Werkshallen: Die Maschinen verschlammt, die Arbeitsmittel zerstört, in den Lagern hatte das Wasser alles durcheinandergeworfen. Eine Versicherung gab es nicht, doch viel Eigeninitiative. „Wir haben sofort angefangen aufzuräumen“, so Mahlert. Sonst wäre der Schlamm zu einer Art Beton verbacken.

Pappen Olef produziert für Haribo

„Wir dachten zuerst, das wird ein Marathon, aber jetzt ist es eher ein Ultra“, beschreibt er den aktuellen Stand. Seine Generation werde es kaum erleben, dass der Betrieb wieder eine schwarze Null schreibt. Doch man habe eine Verantwortung, sei mit dem Hauptkunden Haribo in eine Lieferkette eingebunden.

Das Unternehmen

1873 wurde in Olef die Holzstoff- und Lederpappenfabrik Olef gegründet. Die Firma stellt bedruckte Kartonagen für die Nahrungsmittelindustrie her.

In der Flutnacht haben die Maschinen über Stunden im teilweise 1,60 Meter hohen Wasser gestanden. Unter anderem mussten rund 80 Tonnen Papier im Lager entsorgt werden.

Etwa 60 Prozent der Anlagen sind mittlerweile wieder hergestellt, so Nils Mahlert. „Der feine Sand ist das große Problem“, sagt Mahlert. Deshalb müssten die komplizierten Maschinen zerlegt und gereinigt werden. Einer der vier firmeneigenen Lkw musste zudem verschrottet werden. Die Wände der teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammenden Werkshallen mussten vom Putz befreit werden, damit die Steine trocknen können.

Seit Anfang September laufen die ersten Maschinen wieder. Einige Schlüsselmaschinen fehlen noch. Mithilfe befreundeter Unternehmen kann die Produktion aber aufrechterhalten werden. (sev)

„Wir sind seit 75 Jahren großer Systemlieferant für die Firma“, sagt er: Pappen Olef produziert die Kartons, in denen die Waren des Süßwarenkonzerns ausgeliefert werden. Nur durch die Hilfe eines Konkurrenzunternehmens sei es möglich gewesen, die Produktion aufrechtzuerhalten. „Wir konnten bei einem Betrieb 200 Kilometer weit entfernt die Nachtschichten übernehmen und haben unsere Mitarbeiter dorthin entsandt“, beschreibt Mahlert die Notlösung.

Erste finanzielle Hilfe kam mit einem Überbrückungskredit der Bürgschaftsbank, den NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart vermittelt hatte. „Damit sollten wir die Zeit überbrücken, bis die Staatshilfen kommen. Doch allmählich rennt uns die Zeit davon“, so Mahlert. Denn die Hoffnung, dass die versprochenen Hilfen zügig ausgezahlt werden, schwindet.

Am 17. September, dem ersten Tag, an dem das möglich war, stellte Pappen Olef den Antrag auf Fluthilfe bei der IHK. Doch bereits da spürte Mahlert, dass das Verfahren seine Probleme mit sich bringen würde. Da er den Namen seines Unternehmens mit Bindestrich geschrieben hatte, erhielt er die Antwort, eine Firma „Pappen-Olef“ werde bei ihnen nicht geführt: „Ich habe den Bindestrich mit Tipp-Ex weggemacht und den Antrag wieder zur Vorprüfung bei der IHK weggeschickt, so geht es ,unbürokratisch’ los.“

Neuer Gutachter gefordert

Beigefügt war ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Gutachters, der den durch die Flut verursachten Schaden auf rund vier Millionen Euro schätzte. Doch zwischenzeitlich hatte die NRW-Bank eine Liste von Gutachtern veröffentlicht, die zu beauftragen seien. „Unser Gutachter ist kurz nach der Flut durch den Schlamm geklettert, aber es sollte ein neuer herkommen“, so Mahlert kopfschüttelnd.

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An zahlreichen Maschinen wird bei Pappen Olef noch immer  gearbeitet, um sie wieder in Gang zu bringen.

Auch musste nun das Gutachten in sechs verschiedene Teilgutachten aufgeschlüsselt werden, wobei unter anderem nach Vermögens- und Gebäudeschäden und Reparaturkosten unterschieden werden müsste. Kurz vor Weihnachten war trotz aller anderen Arbeiten, die in dem Unternehmen anfielen, der Antrag mit den ersten drei Teilgutachten, der mittlerweile notwendigen Anlage und dem Anhang aktualisiert und wurde bei der IHK hochgeladen. Am 5. Januar kam der Antrag von der IHK zurück mit einem Link zum Uploadcenter der NRW-Bank.

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Alle  Stanzvorlagen, so Nils Mahlert, wurden   neu beschafft.

Eine weitere Hürde: Mehr als zehn Dateien mit insgesamt maximal 20 Megabyte konnten nicht hochgeladen werden. „Ein Gutachten allein hat 75 Megabyte“, sagt Mahlert immer noch ungläubig. Ein Hilfecenter oder eine Kontaktadresse gebe es nicht. Eine ganze Nacht habe er sich um die Ohren geschlagen, bis der Upload gelungen sei.

Pappen Olef: Bei NRW-Bank durchgefragt

Als er 14 Tage nichts gehört habe, habe er bei der NRW-Bank angerufen und sich durchgefragt, bis er den zuständigen Ansprechpartner hatte. Der habe festgestellt, dass sein Antrag noch nicht ins System eingepflegt sei. Doch als dies passierte, seien die Schwierigkeiten nicht zu Ende gewesen. Um die Anträge zu prüfen, sei von der NRW-Bank die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ins Boot geholt worden. Und mit denen werde ein Kleinkrieg geführt.

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Die Geschäftsführer Robert Hobelsberger (l.), Stephan Mahlert.

„Da wurde etwa moniert, dass wir Maschinenschrauben bei der Reparatur angegeben hätten. Die seien allerdings Neuanschaffungen gewesen und seien nicht erstattungsfähig“, gibt er ein Beispiel. Dem Sachbearbeiter habe erklärt werden müssen, dass Maschinenschrauben nur einmal verwendet werden dürfen und die Reparatur ohne neue Schrauben nicht möglich sei. „Da fehlt die Kompetenz“, so Mahlert.

Dann sei die Wertermittlung des Steuerberaters für die Schäden im Warenlager nicht anerkannt worden – dessen Rechenweg sei nicht klar. Auch sei die Kompetenz des Gutachters, Gebäudeschäden abzuschätzen, angezweifelt worden.

Das sagen Land und NRW-Bank

Minister: „Land hält Tempo hoch“

Mehr als die Hälfte der bis Weihnachten eingegangenen 97 Anträge und zwei Drittel der beantragten Fördermittel habe die NRW-Bank bereits bewilligt, heißt es auf Nachfrage aus dem NRW-Wirtschaftsministerium. Die Summe der bewilligten Fördermittel betrage 81 Millionen Euro. Davon entfielen 37,8 Millionen Euro auf das Wiederaufbauprogramm, 35,7 Millionen Euro auf die Soforthilfe und 7,5 Millionen Euro auf den NRW-Bank-Universalkredit mit Tilgungszuschuss. Mit steigenden Antragszahlen rechnen das Ministerium und die NRW-Bank demnach in den kommenden Wochen und Monaten, unter anderem weil die Sechs-Monats-Frist nach der Katastrophe für die Berechnung der förderfähigen Einkommenseinbußen in diesen Tagen verstreicht. Zudem werden zeitintensive und komplexe Begutachtungen von Maschinen- und Gebäudeschäden bald abgeschlossen. „Das Land schöpft alle Möglichkeiten für eine schnelle und unbürokratische Auszahlung der Aufbauhilfe aus und hält das Tempo bei der Bewilligung der Anträge hoch“, teilt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart auf Nachfrage der Redaktion mit. Rückmeldungen von einzelnen, betroffenen Unternehmern werden ernst genommen und das direkte Gespräch gesucht. Sollten in der Zwischenzeit Engpässe entstehen, biete die NRW-Bank Unternehmenskredite mit Tilgungsnachlässen an. „Das gibt vielen Unternehmen wertvolle Planungssicherheit“, so Pinkwart.

Bank: KPMG beauftragt

„Um eine möglichst zügige Abwicklung zu gewährleisten, die die Kapazitäten der NRW-Bank überschritten hätte, wurde KPMG Law im Rahmen eines EU-weiten Ausschreibungsverfahrens für die weitere Unterstützung ausgewählt“, teilt Caroline Gesatzki, Sprecherin der NRW-Bank auf Anfrage mit. Die Begrenzung der Dateigröße beim Upload sei aus technischen Gründen erforderlich. Alternativ könnten Anträge per Post eingereicht werden, zudem könnten größere pdf-Dateien in der Regel im Datenumfang erheblich reduziert werden. Ein Zuwendungsbescheid werde erst nach einem Monat rechtskräftig. Erst dann sei eine Auszahlung möglich. Mit dem Verzicht auf Rechtsmittel sei eine sofortige Auszahlung möglich. „In der Praxis entscheiden sich die meisten für eine sofortige Auszahlung“, teilt die NRW-Bank mit. (sev)

Mittlerweile konnte durch eine Telefonkonferenz mit der NRW-Bank und Vertretern des Wirtschaftsministeriums das Verfahren so weiter betrieben werden, dass ein Bescheid in Reichweite gerückt ist. Einige Dinge müssten noch erledigt werden, so fehle laut NRW-Bank etwa die Unterschrift des Steuerberaters auf einer bestimmten Seite. Zudem müssten noch einige Positionen aus dem Antrag gestrichen werden.

Und dann fließt das Geld? Leider nicht. „Wenn der Bescheid kommt, dauert es noch vier Wochen, bis der Betrag ausgezahlt wird; es sei denn, wir erklären Rechtsmittelverzicht“, teilt Hobelsberger mit.

„Das Antragsverfahren passt nicht mit der Realität zusammen“

„Der ganze Antragsprozess nutzt keinem, der angefangen hat zu reparieren, um die Arbeitsplätze zu erhalten und die Wirtschaft am Laufen zu halten“, so Mahlert. Die Anträge seien zu kompliziert. „Das Antragsverfahren passt nicht mit der Realität zusammen, am Ende sind das eh alles Einzelfallentscheidungen.“

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Warum noch kein Geld ausgezahlt sei? Es habe einfach noch niemand geschafft, soweit durchzudringen. „Die aktuellste Aussage der Prüfer von der KPMG mir gegenüber war, dass für Produktionsbetriebe der Prüfungsprozess nicht passt und hier von höchster Stelle die Richtlinien noch angepasst werden müssen“, berichtet Mahlert. Als Geschädigte müssten die Unternehmer den ganzen Tag telefonieren und den Sachbearbeitern hinterherlaufen. „Eigentlich hätten wir längst sagen müssen: Das war’s“, so sein Urteil über die Fluthilfe.

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