Besuchsdienst der evangelischen KirchengemeindeViel Zeit und ein offenes Ohr

Christiane Beeger (r.) vom Projekt „Unterwegs zu Menschen“ kümmert sich so oft es geht um die Schlaganfall-Patientin Miriam Schaefer.
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Euskirchen – Miriam Schaefer lebt mit ihrem Ehemann Manfred und ihren beiden kleinen Söhnen in einem neuen Haus in der Euskirchener Südstadt. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht dieser Tag im Mai 2012 gewesen.
Schon morgens fühlte sich die 42-Jährige nicht ganz wohl, beim Abendessen wunderte sie sich über Sprachstörungen. Als sie aufstehen wollte, konnte sie sich nicht mehr auf den Beinen halten. Ein Rettungswagen brachte sie ins Krankenhaus. Die Diagnose: Schlaganfall.
Zahlreiche Behandlungen und Therapien
Ein Jahr ist das nun her. Tapfer kämpft sich Miriam Schaefer seither durch eine Fülle von Behandlungen und Therapien. Doch was ihr am meisten zu schaffen macht, ist die Einsamkeit, die ihre Krankheit nach sich zieht.
Enttäuscht berichtet sie, dass sie und ihr Mann alle ihre Freunde im näheren Umfeld verloren haben. „Die Leute wussten nicht damit umzugehen“, berichtet sie. „Keine Besuche, keine Anrufe, keine Unterstützung“, resümiert sie nicht ohne Bitterkeit. Verwandte am Ort, die sich kümmern könnten, gibt es nicht.
Miriam Schaefer hat inzwischen große Fortschritte gemacht, doch von einem „normalen“ Leben ist sie noch meilenweit entfernt. Im Haus bewegt sie sich mit einem Rollator, will sie das Haus verlassen, muss der Rollstuhl her. Ein elektrischer Rollstuhl ist bei der Krankenkasse beantragt, doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam.
An Autofahren ist nicht zu denken. Manfred Schaefer fährt die beiden Jungs morgens schon früh in die Kita und bringt sie erst abends nach der Arbeit wieder mit, denn seine Frau kann die Kinder, die inzwischen ein und zwei Jahre alt sind, nicht selbst versorgen. Von sozialen Kontakten ist sie dadurch weitgehend isoliert.
In ihrer Verzweiflung wandte sich die Euskirchenerin an „Unterwegs zu Menschen“, ein neues und im Kreis einmaliges Projekt der evangelischen Kirchengemeinde. Seit Anfang März klingelt nun Christiane Beeger regelmäßig an der Haustür von Familie Schaefer. Beeger ist eine von 14 ehrenamtlichen Besucherinnen, die im Stadtgebiet Euskirchen unterwegs sind.
Sie bringt etwas mit, was heutzutage Mangelware ist: viel Zeit und ein offenes Ohr. Die 56-Jährige ist zu einem Lichtblick im Alltag von Miriam Schaefer geworden. „Sie hat nicht locker gelassen, mich immer wieder angerufen, wenn ich selbst keine Kraft hatte, mich zu melden.“
Diakon Jens Schramm rief das Projekt „Unterwegs zu Menschen“ ins Leben. Als er im Dezember 2010 seinen Dienst in der evangelischen Kirchengemeinde Euskirchen antrat, gab es wie in den meisten Gemeinden einen Besuchsdienst für ältere Menschen. Doch Schramm sah weitaus mehr Bedarf, wollte mit der Kirche präsenter sein und Menschen aller Altersstufen erreichen. „Gemeinde besucht Gemeinde“ war sein Grundgedanke. „Wir wollen die Menschen wahrnehmen, ernst nehmen. Für viele ist der Briefträger die einzige Kontaktperson am Tag“, so Schramm.
Mit Erfolg beantragte er Fördermittel bei der Stobbe-Stiftung, die Stelle einer Ehrenamtskoordinatorin wurde eingerichtet und mit Corinna Raitz von Frentz aus Antweiler besetzt. Ganz offensiv ging man bei der Suche nach Ehrenamtlichen vor. „Wir haben alle weiblichen Gemeindemitglieder zwischen 50 und 60 Jahren angeschrieben“, erinnert sich Raitz von Frentz. Der Zulauf war erfreulich. Es kristallisierte sich ein Stamm von 14 Besucherinnen und Besuchern heraus, die neben Neuzugezogenen in der Gemeinde vor allem Menschen in ganz verschiedenen schwierigen Lebenssituationen begleiten, sie unterstützen und ihnen neue Lebensfreude vermitteln.
Fortbildungen und monatliche Zusammenkünfte
Fortbildungen und monatliche Zusammenkünfte qualifizieren die Ehrenamtler regelmäßig für ihre Tätigkeit. Neben Grundlagen der Kommunikation in Krisensituationen absolviert jeder auch einen Erste-Hilfe-Kursus. Mit im Team ist ein Praktikant, der Psychologie studiert und der Gruppe mit seinem Wissen zur Seite steht.
Viel nehmen die Besucher von ihren Begegnungen mit. Doris Schumann freut sich über eine Alleinerziehende, die mit ihrer plötzlich veränderten Lebenssituation anfangs völlig überfordert war und nun Schritt für Schritt mehr Mut und Selbstständigkeit erlangt. Ursel Hilmer übt derweil mit den beiden Söhnen für die Schule, denn auch dort gibt es in Trennungssituationen oft Probleme.Sehr vielfältig sind die Einsatzbereiche. Während Heiko Hilmer beispielsweise sonntags gehbehinderte und alte Menschen zum Gottesdienst abholt, besucht Karin Domschke regelmäßig eine blinde Seniorin. Anna Eckert bringt ihre Russischkenntnisse zum Einsatz und begleitet Menschen mit dieser Muttersprache bei Behördengängen. Selbstverständlich unterliegen alle Besuchsdienst-Mitarbeiter der Schweigepflicht. Wieviel Religion in die Besuche einfließt, ist den Hilfesuchenden selbst überlassen. Missionieren will „Unterwegs zu Menschen“ nicht.
Viele in Not geratene Menschen haben Hemmungen, um Hilfe zu bitten. „Gerade die Älteren haben Probleme, sich in eine Abhängigkeit zu begeben. Sie müssen sich eingestehen, dass sie selbst nicht mehr zurechtkommen“, betont Heiko Hilmer.
Dennoch wächst die Nachfrage nach dem neuen Projekt. „Bislang konnten wir alle Menschen, die das wünschten, besuchen, auch wenn sie nicht der Gemeinde oder der Konfession angehörten. Das wird bald schwierig“, ahnt die Ehrenamtskoordinatorin. „Doch wir lassen niemanden im Regen stehen“, versichert Schramm, „sondern vermitteln dann Hilfe von anderen Stellen.“
Auskünfte geben Corinna Raitz von Frentz, 0 22 51/6 50 42 24 (E-Mail: ehrenamt@euskirchen-evangelisch.de) oder Diakon Jens Schramm, 0 22 51/9 17 00 95 (E-Mail: gemeindediakon@ekir.de).