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Gruß aus Düsseldorf„Jeck gegen Rechts“ präsentierte in Euskirchen Zugwagen von Jacques Tilly

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Sechs karnevalistisch verkleidete Menschen schunkeln.

Glücklich über die Solidarität zeigte sich das JgR-Orgateam um Winfried Kubitza-Simons (4.v.l.).

Mit einem Mix aus jecke Tön und deutlichen Statements startete der Karneval in Euskirchen in die neue Session. Landrat und Kirchenvertreter fanden klare Worte. 

Hatten sich jene Zeitgenossen, die Winfried Kubitza-Simons „Volksverräter“ auf den Briefkasten geschmiert haben, etwa gedacht, damit den Vorstandsvorsitzenden von Queer Euskirchen und seine Mitstreiter einschüchtern zu können? Dann haben sie sich geschnitten.

Denn während gegen sie nun laut Polizei der Staatsschutz ermittelt, feierten Kubitza-Simons & Co. Karneval, das Leben und ein bisschen auch sich selbst. „Jeck gegen Rechts 6.0“ (JgR) hieß die Veranstaltung, die, man glaubt es kaum, zum sechsten Mal am Elften im Elften auf dem Alten Markt in Euskirchen stattfand. Rund 150 bis 200 Menschen genossen den Mix aus jecke Tön, Infotischen und klarem Bekenntnis.

„Quatsch“ –  Veranstalter verrät, was er von AfD-Chefin Alice Weidel hält

Ihr Motto: „Fiere und fiere losse!“ Für eine offene Gesellschaft, Toleranz und Akzeptanz, unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung oder religiöser Ausrichtung, wie Kubitza-Simons betonte. Zahlreiche Einrichtungen, Organisationen, Firmen und Parteien   unterstützen die Veranstaltung.

Markus Ramers, der eine rosa-jecke Brille trägt, ruft von der Bühne aus „Alaaf“.

Auch Landrat Markus Ramers sprach zu den Feiernden.

Da stehen die Omas gegen Rechts, die Kölsch-Rocker Brings oder die Lebenshilfe ebenso als Förderer auf den Flyern wie SPD, Linke, Grüne, UWV und Die Partei. „Wir haben auch die CDU eingeladen, die hat leider abgesagt“, erklärte Kubitza-Simons auf Nachfrage. Von der FDP sei keine Rückmeldung gekommen.

Auf die AfD sei man erst gar nicht zugegangen. Und den etwas spitzfindigen Einwand, dass die AfD doch eine bekennende Homosexuelle an der Bundesspitze habe, konterte Kubitza-Simons so: „Alice Weidel sagt doch selbst, sie sei nicht queer, sie lebe nur mit einer Frau zusammen. Das ist natürlich Quatsch.“

Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, an welcher Seite und wo wir als Kirchen zu stehen haben – und deshalb stehen wir hier.
Gregor Weichsel, Pfarrer der evangelischen Kirche in Euskirchen

Und mit „Quatsch“ wollte sich der Queer-Vorreiter in Euskirchen nicht groß befassen, schon gar nicht am Jecken-Feiertag, dem Elften im Elften. Da sprach er lieber über den Zoch-Wagen, den die Düsseldorfer Wagenbau-Legende Jacques Tilly vor wenigen Jahren entworfen hatte und den nun zahlreiche Jecke auf dem Alten Markt als Motiv für ein Selfie nutzten.

„Ich bin eines Morgens aufgewacht, da kam mir die Idee“, erzählte Kubitza-Simons. Er habe Tilly angemailt, eine Stunde später sei das Okay gekommen.

So verschlug es an diesem Dienstag Andrea und Jo Johänning vom Düsseldorfer Verein „Quartier '8“ nach Euskirchen. Die Mitglieder bewahren regelmäßig einige von Tillys Wagen, wenn sie ihren Zweck im Düsseldorfer Zug erfüllt haben, vor der Entsorgung und stellen sie zu gegebenen Anlässen zur Verfügung: etwa bei JgR in Euskirchen, aber gerne auch bei Gegendemos zu AfD-Veranstaltungen, um auch dort per Wagenmotto klarzustellen: Wir sind mehr!

Beliebtes Selfie-Motiv: Düsseldorfer Zugwagen von Jacques Tilly lässt keine Fragen offen

„Mit dem Wagen“, so erzählte Jo Johänning, „sind wir auch beim Christopher Street Day in Köln durch 1,2 Millionen Menschen gefahren.“ Aber auch in ländlicheren Gefilden sei es schön.

Das muss man Pfarrer Gregor Weichsel von der evangelischen Kirche Euskirchen und Thomas Keulertz, Gemeindereferent der katholischen Kirche in der Kreisstadt, nicht erst groß erläutern, schon gar nicht bei einer solchen Veranstaltung.

Auf die Frage, warum er bei JgR dabei sei, antwortete Weichsel ebenso spontan wie einleuchtend: „Warum sollten wir nicht dabei sein? Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, an welcher Seite und wo wir als Kirchen zu stehen haben – und deshalb stehen wir hier“ – vor allem in Zeiten, in denen der Regenbogen, das Symbol für Vielfalt, „für manche Menschen zum Hassobjekt geworden ist“, so Weichsel.

Andrea und Jo Johänning stehen vor dem Wagen, der einen großen Fisch mit der Aufschrift „Wir sind mehr“ darstellt, der such wiederum einen kleinen blau, rot und braunen Fisch schnappt.

Brachten den Mottowagen von Jacques Tilly von Düsseldorf nach Euskirchen: Andrea und Jo Johänning.

In der Bibel sei der Regenbogen das Zeichen für den Bund, den Gott mit allen Menschen geschlossen habe, sagte der Pfarrer. Und die Betonung lag auf „allen“. Dann gab er das Wort weiter an Keulertz – nicht ohne die Besucher spaßeshalber auf die Probe zu stellen, wie ernst es ihnen nun wirklich mit der Toleranz ist: „Thomas stammt aus Düsseldorf.“ Die Besucher bestanden den Realitätscheck, Moderator Fraenkie Rudloff entlockte ihnen sogar ein „Helau“.

Landrat Markus Ramers gibt ein deutliches Statement zu Drohungen und Beleidigungen gegen die Veranstalter ab

In Düsseldorf, so Keulertz, sei er ganz selbstverständlich mit Türken, Polen oder Menschen aus afrikanischen Ländern in der Nachbarschaft aufgewachsen. „Uns verbindet doch alle der Wunsch nach Gesundheit, einer guten Familie, einem gelungenen Leben und nach Frieden.“

Doch hat die katholische Amtskirche nicht ein Problem mit Homosexualität? Keulertz stellt sich im Gespräch mit dieser Zeitung auch dieser Frage: „Der Regenbogen als Zeichen Gottes ist für alle da, warum sollte es bei der sexuellen Orientierung Halt machen?“ Schwierig sei es punktuell beim Zugang zu Sakramenten, sagte Keulertz: „Aber da ist die katholische Kirche auf einem guten Weg.“

Wie gut Karneval und das Anliegen der Veranstalter Hand in Hand gehen, stellte Landrat Markus Ramers heraus. Jeder gehe als das, als das er gehen wolle, gefeiert werde miteinander und friedlich, so der Landrat: „Um so unverständlicher ist es, dass Menschen, die diese Veranstaltung seit Jahren organisieren, sich nicht nur dafür rechtfertigen müssen, sondern angegriffen, bedroht und beleidigt werden.“

Das, so Ramers, widerspreche nicht nur demokratischen Grundsätzen, sondern auch fundamental den Idealen des Karnevals.

Und Winfried Kubitza-Simons? Er freue sich, dass JgR so gut angenommen werde, sagte er. Gesellschaftlich habe sich zwar vieles verbessert. Doch gleichzeitig trete Hetze heute offener und lauter auf als früher.