UrteilHaftstrafe nach Vergewaltigung einer wehrlosen Frau auf Euskirchener Bahnhofstreppe

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Das Amtsgericht in Euskirchen.

Vor dem Amtsgericht in Euskirchen musste sich ein 57-Jähriger verantworten.

Die Frau sei laut Urteil schon zu Beginn der sexuellen Handlungen nicht mehr Herrin ihrer Sinne und nicht in der Lage gewesen, Widerstand zu leisten. 

Wegen der Vergewaltigung einer widerstandsunfähigen Frau ist ein 57-Jähriger vom Euskirchener Schöffengericht zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte in der Nacht zum 7. November 2022 im Zustand verminderter Schuldfähigkeit auf der Treppe, die in den Euskirchener Bahnhof führt, eine 54 Jahre alte Frau vergewaltigt. Beide waren erheblich alkoholisiert. In der Verhandlung gaben sie an, sich an das Geschehen nicht erinnern zu können.

In das Urteil floss eine weitere Straftat ein, die in Relation zum Hauptanklagepunkt allerdings nicht stark ins Gewicht fiel. In diesem Fall ging es um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: Am 21. Dezember 2021 hatte Manfred M. (Namen geändert) in der Immenburgstraße auf dem Bonner Straßenstrich, wo er als Pfandflaschensammler unterwegs war, nach einem Streit mit einer Prostituierten eine Polizistin und einen Polizisten bedroht.

Taxifahrer hatten das Geschehen am Euskirchener Bahnhof bemerkt 

Die beiden gehörten zu den acht Zeuginnen und Zeugen und einem psychiatrischen Gutachter, die in dem fast fünf Stunden dauernden Prozess gehört wurden. Nach der Beweisaufnahme sah das Gericht unter dem Vorsitz von Dr. Wolfgang Schmitz-Jansen die Vorwürfe aus der Anklageschrift als erwiesen an. Es stützte sich in erster Linie auf die Aussagen zweier Taxifahrer, denen in besagter Nacht gegen 3.50 Uhr eine Frau und ein Mann, beide mit heruntergezogener Hose, auf der Bahnhofstreppe aufgefallen waren.

Was das Pärchen tat, „sah aus wie Geschlechtsverkehr“, sagte einer der Taxifahrer (60).  Und so etwas dürfe nicht sein, fügte er hinzu, wenn man bedenke, dass „kurz vor vier am Bahnhof langsam der Publikumsverkehr losgeht“. Auffällig sei gewesen, dass sich die beiden von seinem Taxi, in dem er sie in geringer Entfernung passierte, nicht hätten stören lassen. So rief der 60-Jährige nach kurzer Beratung mit einem Kollegen die Polizei.

DNA-Untersuchung bestätigte den Verdacht der Vergewaltigung

Der zweite Fahrer hatte vorher mitbekommen, wie Manfred M. und Carola P. sich, auf der Treppe sitzend, einander angenähert hätten. Die Frau habe teilnahmslos und desorientiert auf ihn gewirkt, „als wüsste sie nicht so richtig, was passiert“. Diesen Eindruck bestätigte eine Polizeibeamtin. Sie beschrieb Carola P. als „nicht anwesend“. Sie sei nach der Tat nicht in der Lage gewesen, sich anzuziehen. Ein Gespräch mit ihr sei nicht möglich gewesen.

Die Polizistin hatte sich, als sie das Bahnhofsgebäude erreichte, zunächst an Manfred M. gewandt: „Er ließ erst von der Frau ab, als ich ihn ansprach“, erklärte sie vor Gericht. Beide hätten einen ungepflegten Eindruck auf sie gemacht. An den Beinen des Mannes hätten getrocknete Exkremente geklebt. Carola P. wurde ins Krankenhaus gebracht. Im Rettungswagen, so die Beamtin weiter, habe sie erklärt, der Sex am Bahnhof sei von ihrer Seite aus nicht freiwillig gewesen. Offenbar durch diese Aussage kam es zu Ermittlungen wegen des Verdachts der Vergewaltigung, der sich durch eine DNA- und durch Textiluntersuchungen bestätigte.

Der Angeklagte und das Opfer waren stark alkoholsiert

Der Angeklagte hatte zur Tatzeit einem Gutachten zufolge ungefähr 2,6 Promille Alkohol im Blut, bei seinem Opfer waren es knapp 2,8 Promille. Carola P. wurde in dem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Wie es anschließend hieß, erklärte sie, dass sie sich an die Tatnacht nicht erinnern könne.

Ganz ähnlich der Angeklagte: Er vermochte nicht einmal zu sagen, warum er damals nach Euskirchen gefahren war. Seinen Verteidiger Markus Haupt ließ er erklären, er wolle die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht in Abrede stellen, verfüge aber lediglich über „Erinnerungsfetzen“, in denen Geschlechtsverkehr nicht vorkomme.

M., der zwei Handwerkerausbildungen abgeschlossen hat, führte früher ein geordnetes Leben, bis Arbeitslosigkeit und seine Alkoholsucht ihn zum Absturz brachten. Angesichts der Vorwürfe würde er am liebsten im Boden versinken, sagte der gebürtige Bonner, der nach zwei gescheiterten Ehen bei seiner Mutter in Grafschaft wohnte, dort aber nach einem Streit auszog, sodass er im Herbst 2021 obdachlos wurde. Seit dem 7. November 2022 sitzt er in Untersuchungshaft. Sein größter Wunsch sei eine Alkoholtherapie, erklärte er.

Das Gericht ging deutlich über die Forderung der Staatsanwaltschaft

Verteidiger Haupt beantragte eine Strafe von maximal einem Jahr, der Ankläger plädierte auf zwei Jahre und drei Monate. Er attestierte M. ein skrupelloses Verhalten. Für sein Opfer habe die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit einen besonderen Grad der Erniedrigung bedeutet.

Das Gericht ging deutlich über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Carola P. sei schon zu Beginn der sexuellen Handlungen nicht mehr Herrin ihrer Sinne und nicht in der Lage gewesen, „dem Ansinnen des Angeklagten irgendeinen Widerstand entgegenzusetzen“, sagte Schmitz-Jansen. Dies habe der Angeklagte erkannt und ausgenutzt, um   mit einer ihm bis dahin Unbekannten mehrere Minuten ungeschützten Geschlechtsverkehr auszuüben.

Rechtlich sei dies eine Vergewaltigung Widerstandsunfähiger, resümierte das Gericht. „Angesichts der Umstände – es war kalt, die Tat geschah auf der Bahnhofstreppe – stehen einem die Haare zu Berge“, sagte der Vorsitzende. Hoch anzurechnen sei dem Angeklagten, dass er sein Opfer um Entschuldigung gebeten habe. Dies habe dazu geführt, dass die 54-Jährige die Schuld nun nicht mehr bei sich suche.

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