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GesundheitAusstellung in Euskirchen: So wird der Alltag für Demenz-Patienten leichter

Lesezeit 4 Minuten
In der Mitte steht ein gedeckter Tisch, dahinter Sebastian Schmitz.

Wie der Alltag in der eigenen Wohnung für Demenzerkrankte erleichtert werden kann, erläuterte Sebastian Schmitz.

In Euskirchen wurden Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer so präsentiert, wie sie das Leben der Patienten erleichtern. 

Die Aufgabe scheint so einfach zu sein: einen fünfzackigen Stern auf einem Blatt Papier nachzeichnen, ohne dabei die Linien mit dem Stift zu berühren. Wie schwierig sich das gestalten kann, erfuhren die Besucher der AOK-Niederlassung in Euskirchen.

„Vom Kopf her wusste ich zwar, in welche Richtung ich als Nächstes zeichnen musste. Aber ich war irgendwann nicht mehr in der Lage, diesen Gedanken mit der Hand auch umzusetzen“, berichtete Vincent Hoppmann. Denn der Stern war lediglich über einen Spiegel zu sehen und bei einer Richtungsänderung entsprechend viel Umdenken nötig. „Im Vorfeld hätte ich niemals erwartet, dass ich damit solche Schwierigkeiten haben würde“, so Hoppmann.

Test soll deutlich machen, wie sich an Demenz erkrankte Menschen fühlen

Der Aha-Effekt war eine wertvolle Erkenntnis aus dem Selbstversuch, den die   Besucher der Ausstellung „Musterwohnung Demenz“ durchführen konnten. Denn darin wurden sie mit dem Alltag aus der Sicht einer demenzerkrankten Person konfrontiert, bei dem vermeintlich einfache und selbstverständliche Handgriffe unüberwindliche Hürden sein können.

„Das Beispiel lässt sich nicht eins zu eins übertragen. Aber es zeigt sehr deutlich, wie schnell man sich in so einer Situation hilflos und alleingelassen fühlen kann“, erklärte Sophia Sädler von der Servicestelle Demenz, die die Probanden während der Zeichenversuche   mit Kommentaren zu ihrer Unsicherheit zusätzlich gezielt unter Druck setzte. „Dieser Test soll helfen nachzuvollziehen, wie sich demenzkranke Menschen fühlen, und dafür sensibilisieren, ihnen mit mehr Verständnis zu begegnen.“

Das Bild zeigt ein Waschbecken, das rot umrandet ist.

Farbige Klebestreifen als Umrandung von Waschbecken können die Orientierung von demenzerkrankten Personen im Alltag erleichtern.

In einem Regal stehen ein altes Wählscheibentelefon und ein Telefon mit großen Tasten.

Vertraute Gegenstände wie alte Telefone sorgen für Sicherheit.

Die Interessierten erhalten in der Ausstellung zahlreichen Tipps, wie der Alltag für Demenzerkrankte einfacher gestaltet werden kann. „Ziel ist es, möglichst lange ein selbstständiges Leben im eigenen Zuhause zu ermöglichen“, betonte Sebastian Schmitz.

Weißer Teller auf weißer Tischdecke sollte vermieden werden

Und häufig sind es die Kleinigkeiten, die einen erstaunlichen Effekt haben: „Oftmals sind Kontraste für betroffene Personen schwerer zu erkennen. Ein weißer Teller auf einer weißen Tischdecke sollte daher vermieden und durch einen bunten Teller, der sich farblich deutlich abhebt, ersetzt werden.“ Auch im Bad könne mit Klebebändern die Abgrenzung eines Waschbeckens hervorgehoben werden.

So wird in der Ausstellung in Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer gezeigt, wie mit wenigen Handgriffen Schwierigkeiten umgangen werden können. Da bei einer Demenzerkrankung die Vergangenheit oft deutlich präsenter ist, helfe es, die Wohnung mit bekannten Gegenständen einzurichten.

„Das kann eine alte Cremedose sein, die die Person schon seit Jahrzehnten benutzt, oder auch der alte Fernsehsessel mit Spitzendeckchen“, so Schmitz: „Vertraute Dinge sind sehr wichtig, um im Alltag nicht mit noch mehr unbekannten Situationen konfrontiert zu werden.“

Sogar die Aufteilung im Kleiderschrank könne wichtig sein. „Wir kennen das aus dem Supermarkt: Man greift gerne erst die Gegenstände, die auf Augenhöhe liegen. Darum sind in den Regalen dort die teuersten Waren einsortiert, während die günstigen ganz unten zu finden sind.“ Der Jahreszeit entsprechende Kleidung auf Augenhöhe zu lagern, könne also die Wahl des geeigneten Outfits erleichtern.


Ausstellung bis 18. Juli in Euskirchen

Bis Freitag, 18. Juli, kann die Musterwohnung Demenz in den Räumlichkeiten der AOK, Neustraße 24-26 in Euskirchen, besichtigt werden. Termine für Führungen und weitere Schulungsangebote können online oder telefonisch unter 02 11/87 91 58 71 0 vereinbart werden.

„Wir bieten Module, die ein besseres Verständnis für die Erkrankten fördern, Tipps bei der Kommunikation aufzeigen oder sich mit der Selbstfürsorge von pflegenden Personen beschäftigen“, erklärte Sophia Sädler. Alle Angebote seien auch ohne eine abgeschlossene Versicherung bei der AOK kostenlos und richteten sich je nach Modul sowohl an Laien als auch an bereits professionell in Pflegeberufen tätigen Personen.

„In Deutschland leben aktuell rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Darum ist es so wichtig, über dieses Thema aufzuklären und die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren.“ Weitere Informationen gibt es online.