Euskirchener Chefarzt Hans SchweringDer Lebensretter in Schlafanzughose
Euskirchen – „So muss Adam sich bei der Vertreibung aus dem Paradies gefühlt haben.“ Dieser Satz dürfte wohl den wenigsten über die Lippen kommen, die gerade frisch in den Ruhestand gehen. Das Zitat von Prof. Hans Schwering, dem Chefarzt der chirurgischen Abteilung im Marienhospital, zeigt jedoch, wie leidenschaftlich der Mediziner seine Arbeit betrieben hat.
„Er war fast immer täglich 24 Stunden im Dienst“, so beschreibt Johannes Dörr, Geschäftsführer des Marien-Hospitals, das Engagement des Chefarztes, dem Urlaub und Freizeit eher lästig waren. Im Indienurlaub fand er seine Erfüllung bei einem Endoskopie-Kongress, der zufällig in der Nähe seines Ferienortes stattfand. „Ich habe nie gerne Urlaub gemacht“, sagt Schwering. Seine Frau und seine fünf Kinder hat er während seiner Dienstjahre ebenfalls nicht so oft zu sehen bekommen: „So haben sie zumindest keine schlechten Erinnerungen an mich.“
Im Schlafanzug operiert
Der Mediziner trat seine Stelle in Euskirchen 1985 an. „Mein Traum war es, aus einem typischen Krankenhaus des ländlichen Raumes eine chirurgische Klinik mit breiter Kompetenz zu machen“, so formulierte er sein damaliges Ziel.
Von diesem Zeitpunkt an war er tag und nacht ansprechbar für Krankenhaus und Patienten. Schwering selber beschreibt seine Beziehung zur Stiftung Marien-Hospital als eheähnliche Verbindung.
Da kam es auch schon mal vor, dass er im Schlafanzug operieren musste. Damals war ein Mann angeschossen worden. Genau genommen war er sogar erschossen worden, denn beim Eintreffen im Krankenhaus war er klinisch tot. Die Kugel hatte das Herz durchbohrt. Schwering gelang es, beide Löcher zuzunähen und das Leben des Mannes zu retten. Ähnliches glückte ihm bei einem Mann, dessen Herz mit dem Messer verletzt worden war. Solche außergewöhnlichen Fälle sind natürlich dabei, wenn man gut 28 Jahre lang in Euskirchen operiert.
1000 Operationen pro Jahr
„Ich habe die Kernstadt durchoperiert“, scherzt Schwering. Bei 1000 Operationen pro Jahr dürfte er zahlenmäßig damit gar nicht so falsch liegen. Auf die fachliche Entwicklung angesprochen, führt Schwering an, dass das Marien-Hospital sehr früh mit der Endoskopie angefangen hat und unter seiner Leitung in diesem Bereich eine Vorreiterrolle eingenommen hat.
Zudem hat sich die Abteilung unter Schwerings Ägide zu einer Chirurgie auf universitärem Niveau entwickelt. Auch die Aufteilung der Chirurgie in verschiedene Bereiche und die engere Kooperation mit anderen Feldern, wie der Intensivmedizin, haben die medizinische Arbeit vorangebracht. Dazu betreute Schwering 121 junge Ärzte als Doktorvater und veröffentliche eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten.
Chirurgie wird umstrukturiert
Mit Schwerings Weggang wird die Chirurgie in Euskirchen umstrukturiert. Zwar war die Abteilung schon vorher in Allgemein- und Viszeralchirurgie, in Unfallchirurgie und in Gefäßchirurgie unterteilt, nun aber wird diese Unterteilung auch formal vollzogen, indem jeder Arbeitsbereich einen eigenen Chefarzt bekommt.
Den Bereich Gefäßchirurgie übernimmt Dr. Clemens Tebbe, der seit Februar schon leitender Arzt in diesem Bereich im Marien-Hospital ist. Der 46-Jährige war vorher in Soest, Hattingen und Schwelm tätig. Die Unfallchirurgie und Orthopädie wird Dr. Ilja Windrath übernehmen, der schon seit 2010 am Marien-Hospital tätig ist und mit seinem Team schon viele komplexe Eingriffe vorgenommen hat. Neu dazu kommt Dr. Kenko Cupisti, der für die Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie zuständig sein wird. Cupisti arbeitete bisher als leitender Oberarzt an der Düsseldorfer Universitätsklinik.
Noch hat Hans Schwering aber das Ruder in der Hand. „Bis zum 30. November werde ich auf der Kommandobrücke stehen“, sagt er.
Was danach kommt, ist ungewiss. So richtig vorstellen, das Messer aus der Hans zu legen, kann Schwering sich noch nicht. Wenn möglich, möchte er dem Medizinbetrieb noch ein wenig erhalten bleiben. Und auch die Enkel sollen mehr von ihm haben. „Vielleicht trage ich denen meine spannendsten Operationsberichte als Gute-Nacht-Geschichten vor.“