Abo

JustizSechs Jahre nach Raubüberfall in Euskirchen startet in Bonn der Prozess

3 min
Der Eingang des Bonner Landgerichts

Vor dem Landgericht in Bonn muss sich ein 55-jähriger Zülpicher verantworten.

Weil das 77-jährige Opfer nicht vernehmungsfähig war, scheiterte der Prozessauftakt mehrmals. Angeklagter aus Zülpich zeigt sich vor Gericht aggressiv.

Die Bankkundin, damals noch 71 Jahre alt, hatte am 4. Oktober 2019 in der Kreissparkassenfiliale am Kirchplatz in Euskirchen gerade Geld gezogen, die Scheine in ihrer Handtasche verstaut und war aus dem SB-Vorraum zwei Stufen hinunter auf den Bürgersteig und dort – aus der Sicht der Videoaufnahme der Sparkasse – nach links abgebogen. Was kurz darauf passierte, war allerdings nicht mehr aufgezeichnet worden.

Ein Radfahrer soll sich laut Anklage der Frau genähert, sie in der Fahrt mit dem Rad zu Boden gestoßen und ihr die Handtasche vom Arm gerissen haben. Mit der Beute – darin nach Angaben des Opfers 2500 Euro in bar und ein Mobiltelefon – verschwand der Radfahrer ungehindert.

Drei Stunden nach der Tat wurde der Verdächtigte in Zülpich festgenommen

Drei Stunden später bereits wurde ein damals 49-jähriger, alleinerziehender Familienvater aus dem Stadtgebiet Zülpich in seiner Wohnung festgenommen: Das Aussehen des Mannes entsprach der Täterbeschreibung der Frau. Auch soll er zuvor ebenfalls in der Sparkasse gewesen sein. Das Video hat das dokumentiert.

Vor dem Bonner Landgericht soll der mittlerweile sechs Jahre alte Kriminalfall jetzt endlich abgeschlossen werden. Es ist der dritte Versuch, das Verfahren gegen den heute 55-Jährigen zu eröffnen, der wegen Raubes und Körperverletzung angeklagt ist.

Zwischen 14. und 24. Lebensjahr nur drei Jahre auf freiem Fuß

Der erste fand im März 2021 statt. Aber da musste auf Antrag der Staatsanwaltschaft noch geklärt werden, ob für den vielfach vorbestraften Angeklagten (zwischen dem 14. und 24. Lebensjahr war er nur drei Jahre auf freiem Fuß) auch eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommt.

Als der Gutachter bestellt war, sollte der Prozess im Mai 2021 weitergehen, aber da war die Nebenklägerin psychisch derart erkrankt, dass sie für weitere Ermittlungen nicht erreichbar war. Niemand wusste, wo sie sich aufhielt. Das Verfahren musste vorläufig eingestellt werden.

Das Opfer musste nach dem Überfall klinisch behandelt werden

Anfang des Jahres 2025 stand die Zeugin, die nach dem Überfall klinisch behandelt werden musste, wieder zur Verfügung. Der Prozessbeginn im Juli 2025 wurde allerdings verhindert, weil die mittlerweile 77-Jährige sich kurz zuvor den Oberschenkelhals gebrochen hatte.

Auch im dritten Anlauf für den Prozessbeginn vor der 3. Großen Strafkammer fiel die Zeugin aus: Seit Montag sei sie wegen psychischer Probleme in einer Fachklinik, meldete ihre Anwältin zum Auftakt – und legte ein Attest vor. Wie lange sie nicht vernehmungsfähig sei, dazu gebe es keine Prognosen.

55-jähriger Angeklagter war vor seinem Entzug viele Jahre heroinabhängig

So widmete sich die Kammer dem Angeklagten, der die Vorwürfe rundweg bestritten hat. Warum sich der 55-Jährige jedoch, nachdem er im SB-Raum gewesen war, sich vor der Sparkasse länger telefonierend neben seinem Fahrrad aufgehalten hatte, das konnte er nicht erklären.

Er antwortete ausweichend, teilweise reagierte er auch extrem aggressiv auf die Fragen und forderte die Prozessbeteiligten auf, „sich doch das Video anzuschauen“. Der 55-Jährige, der heute Berufskraftfahrer ist, war bis zu einer Unterbringung in einer Entzugsklinik viele Jahre heroinabhängig gewesen.

Der Staatsanwalt geht weiterhin davon aus, dass der Angeklagte die Bankkundin beim Geldabheben beobachtet und draußen auf sie gewartet hatte. Fraglich ist aber, ob der Angeklagte zu überführen sein wird. Eines jedenfalls sei vom Tisch, so die Vorsitzende Claudia Gelber: Für eine Sicherungsverwahrung fehle die formelle Voraussetzung, da der Angeklagte bereits länger als fünf Jahre auf freiem Fuß ist, ohne straffällig geworden zu sein. Der Prozess wird fortgesetzt.