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„Sewer Rats“Euskirchener Band im Reich der Mitte

4 min

Sewer Rats, Punkband mit Wurzeln in Euskirchen, auf der chinesischen Mauer.

Euskirchen – Hamburg, Nürnberg, Amberg, Moers, Brugg in der Schweiz, Berlin, Tábor in Tschechien und schließlich „back to the roots“: Euskirchen.

Der Tourplan der Sewer Rats (Kanalratten) allein für die Sommerzeit lässt Rückschlüsse darauf zu, dass es die drei Studenten mit der hippen Pomade-Frisur in eine höhere musikalische Liga geschafft haben. Offenbar international, denn kürzlich kehrten Christian Ginsbach alias Chris Gin (Gesang und Gitarre), Michael Schorn alias Schornie Walker (Bass) und Rio Rau alias Rio Smokealot (Schlagzeug) von einer dreiwöchigen Tournee durch China zurück.

„Wir haben 600 Euro pro Kopf bekommen“

Als „Ernst de Luxe“ bezeichnet die Band ihren Abstecher nach Asien. Die abenteuerliche Reise wurde von langer Hand vorbereitet, unterstützt von einer Booking-Agentur aus Bamberg und dem Förderprogramm der Initiative Musik mit Sitz in Berlin.

„Wir haben 600 Euro pro Kopf bekommen, damit konnten wir die Flüge bezahlen“, erzählt Christian Ginsbach. Auch im Land selber hatten die Studenten keine Kosten. „Wir haben einige Tausend Kilometer mit dem ICE abgerissen, hatten 14 Auftritte im östlichen China, Wuhan war die westlichste Stadt“, erzählen die drei Studenten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die kleinste Stadt, in der ihr chinesischer Tourmanager für sie einen Auftritt klargemacht hatte, beherbergte 750 000 Einwohner. „Die Dimensionen sind dort anders – manchmal haben wir in einer Stadt zwei Stunden vom Hotel zum Bahnhof gebraucht.“

Alles in allem sei China viel unkomplizierter und sicherer gewesen, als sie sich das im Vorfeld vorgestellt hatten, betonen Christian Ginsbach (30), Michael Schorn (24) und Rio Rau (26), die ihre Wurzeln in Euskirchen, Frauenberg und Weilerswist haben.

„Wir hatten auch keinen Moment das Gefühl, kontrolliert zu werden“, sagt Rio Rau, der gerne mehr mit jungen Menschen über das politische System ins Gespräch gekommen wäre. Die Punk-Bewegung scheint vom chinesischen Staatsapparat akzeptiert zu sein.

„Man darf halt nicht offen gegen die kommunistische Partei hetzen“, meint Christian Ginsbach. Ansonsten sei die Jugendkultur in den Großstädten total westlich und schrill. „Bei den Festivals war das, was wir machen, wie Blümchenrock. Die chinesischen Bands haben dagegen alles weggeholzt“, lacht der 30-Jährige.

Erstaunt waren die drei Rockabillys darüber, dass in Chinas großstädtischer Jugendkultur offenbar nur eines zählt: Geld. Der Begriff „Turbokapitalismus“ habe für alle während der Reise eine neue Bedeutung bekommen.

„Mit Deutschland assoziieren Chinas Jugendliche hauptsächlich Bier, Automarken und Umweltschutz – letzteres hat in China ebenso wenig Bedeutung wie der Tierschutz“, erzählen die Sewer Rats. Rio Rau: „In Shanghai wurde ich gefragt, ob es wirklich stimme, dass man in Europa blauen Himmel sehen kann...“

Zeit für touristisches Programm blieb den Sewer Rats in China kaum. „Wir hatten einen echt straffen Zeitplan, aber immerhin waren wir in Shanghai mal auf dem 468 Meter hohen Oriental Pearl Tower und an der chinesischen Mauer.“

Den Höhepunkt der Tournee bildeten zwei große Festivals, auf denen die drei Jungs als Topband aus Europa angepriesen wurden: das Jang Jiang International Music Festival mit mehr als 100 000 Besuchern und das Medi Festival in Beijing, zu dem rund 70 000 Zuschauer kamen.

„Wir waren als Co-Headliner eingeplant“, das heißt, die drei Studenten spielten als Vorband einer der Hauptakteure. „Das ist schon ein ganz anderes Spielen als in einem Club“, schmunzeln die Jungs rückblickend, die bei diesen Gelegenheiten für Berühmtheiten gehalten und von Bitzlichtgewitter und kreischenden Mädchen begrüßt wurden.

Schwierig gestaltete sich allerdings bisweilen die Verständigung mit den Gastgebern, denn nicht immer war der chinesische Tourmanager dabei, wenn es beispielsweise ins Restaurant zum Essen ging.

Da die Sewer Rats vegetarische Kost bevorzugen, jedoch selten jemand Englisch sprechen konnte, gab es auch skurrile Begegnungen: „Einmal standen wir spät in der Nacht nach einem Auftritt in einem Imbiss und machten mit großen Gesten und Getue alle Tiere pantomimisch nach, um zu zeigen, was wir auf keinen Fall essen wollten, was im Endeffekt auch funktionierte“, so die Sewer Rats.

Ganz oder gar nicht

Zurück in Deutschland stürzten sich die jungen Männer wieder ins Studium, von dem sie einige Wochen verpasst hatten. Alle drei wollen möglichst zügig ihren Abschluss schaffen. Dennoch nehmen sie die Sewer Rats sehr ernst. Zwei CDs wurden bereits produziert, eine dritte ist bereits in Planung.

„Mein Ziel ist es, irgendwann von der Musik leben zu können“, verrät Christian Ginsbach. „Das Projekt wächst und ist auf einem guten Weg“, resümiert Michael Schorn, der Sonderpädagoge werden möchte. Alle drei seien sie realistisch, optimistisch und hoch motiviert, und eines Tages werden sicher alle drei vor der Entscheidung stehen: Ganz oder gar nicht.

Auch wenn das auf den ersten Blick zu Punk so gar nicht passen will.