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Telefonzellen im Kreis EuskirchenImmer weniger Telefonzellen

Lesezeit 6 Minuten

Eine Sammelstelle für ausrangierte Telefonzellen in Berlin. Hierhin werden auch die Fernsprecher aus dem Kreis gekarrt.

Kreis Euskirchen – Gelb sind nur noch die ganz alten Telefonzellen. Aber der Umstieg des privatisierten Telekommunikationsunternehmens auf gläserne Kabinen und silbrige Telefonstelen mit einer Kennzeichnung in der Firmenfarbe Magenta ist nicht der alleinige Grund, warum Telefonzellen immer seltener ins Auge fallen. Über Jahre hat die Telekom Standorte ausgedünnt. Vor allem geht es um die Betriebskosten. Wenn Vandalismusschäden, Reinigungskosten und Strom mit den Einnahmen aus dem Münzschacht gegengerechnet werden, fällt Betriebswirtschaftlern die Entscheidung einfach.

Mit der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat die Telekom vereinbart: Sie darf Städte und Gemeinden wegen eines Abbaus von Fernsprecheinrichtungen ansprechen, wenn auf deren Gebiet extrem unwirtschaftliche öffentliche Fernsprecher mit einem Umsatz von weniger als 50 Euro stehen.

Zahlen über Fernsprecher im Kreis Euskirchen, weitere Abbaupläne oder Umsatzzahlen liegen der Telekomabteilung „Corporate Communications“ laut Pressesprecher André Hofmann nicht vor.

Bundesweit gebe es noch 40 000 Telefonzellen. Hofmann verwies auf „Alternativanbieter“. (mfr)

„Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen“, sagt Telekom-Sprecher André Hofmann. Und jeder Deutsche habe statistisch gesehen ein Handy. Die Telekom, so Hofmann, deute den geringen Umsatz als „klares Indiz dafür, dass der Wunsch nach einer Grundversorgung der Bevölkerung an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr besteht. Der Kunde ist der Architekt des Telefonzellen-Netzes.“ Mit dem so verstandenen „Auftrag“ des „Netzarchitekten“ ist die Telekom verstärkt zu Beginn dieses Jahres bei den Kommunen vorstellig geworden. Die Listen von „unrentablen“ Geräten haben bei Verwaltungen und Politikern unterschiedlich Wirkung gezeigt. Während sich Weilerswist etwa nicht bluffen ließ und die Anfrage einfach ignorierte, erteilten andere Kommunen Abbaugenehmigungen – vielfach in der Absicht, bestimmte Standorte zu erhalten.

Die in allen Kommunen isoliert geführten Debatten förderten zahlreiche Argumente für Telefonzellen zutage und zeigten auf, warum Handys auch heute noch nicht ausreichen. Netzfehler, Funkloch, Akku leer – mit dem Handy ist man in der Eifel eben nicht überall und jederzeit zu erreichen. Die Telekom legt aber beim Abbau von Telefonzellen an die Mittelgebirgsregion die gleichen Maßstäbe an wie in Köln oder sonstwo: Ist ein Fernsprecher unrentabel, soll er weg. Dabei gibt es noch andere Gründe, warum man gar kein Handy dabei haben will oder kann. Wenn das Gerät nämlich gestohlen wurde – eventuell sogar mit Portemonnaie und Kreditkarte. Und was sagt die Polizei? Bei ihr gehen zwar Tausende Notrufe jährlich ein, doch nur ein Bruchteil davon, so Polizeisprecher Norbert Hardt, ziehe „Veranlassungen“ nach sich. Scherzanrufe werden gleich aussortiert. „Die Zahl der Notrufe von Fernsprechern geht gegen Null. Die meisten kommen vom Handy“, sagt Hardt. Fest installierte Geräte, die an Schulwegen stehen, weisen die höchsten Missbrauchsquoten auf.

Was machen sozial Schwache? Die Caritas, die viele Menschen betreut, die am Rande der Gesellschaft leben, hat die Erfahrung gemacht, dass ihre Klienten meist mit Handys ausgestattet sind, deren Guthaben vorbezahlt ist. „Und Notrufe funktionieren mit solchen Geräten auch ohne Guthaben“, erklärt Caritas-Mitarbeiterin Lydia Honecker.

Aus Sicht des Sozialverbandes BRH trifft der Abbau von Telefonzellen vor allem Senioren. „Alte Menschen haben in der großen Zahl noch kein Handy. Das wird noch ein oder zwei Generationen dauern“, schätzt der Vorsitzende Hans Burggraf. Bei vielen kleinen „Beinahe-Notfällen“ sei eine Telefonzelle „oft der letzte Nothelfer“. Das Ansinnen des BRH: „Lasst uns, wo immer möglich, gut einsehbare Telefonzellen erhalten, die per Drucktaste eine Verbindung zu Polizei und Feuerwehr herstellen können. Dies ist ein Mosaiksteinchen, eine Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft.“

Kommunen sollen Grundversorgung erhalten

Blankenheim Erich Schell, für Wirtschaftsförderung und Tourismus zuständig: Im Februar wünschte die Telekom die Zustimmung zum Abbau aller zwölf Standorte. Die Gemeinde schrieb die Ortsvorsteher an. Die sorgten sich wegen der Grundversorgung, dem Tourismus und der teils schlechten Handy-Versorgung. In Blankenheim Wald sei extra wieder eine Fernsprech-Stele aufgestellt worden. „Für R-Gespräche. Man kann bargeldlos jemanden anrufen, der vor Gesprächsbeginn einwilligen muss, die Kosten dafür zu tragen“, sagt Schell.

Dahlem Helmut Etten von der Gemeindeverwaltung Dahlem: „Die letzte Telefonzelle stand wohl in Kronenburg. Ich habe bestimmt schon seit 15 Jahren keine mehr benutzt.“

Euskirchen Auf der Streichliste standen für die Innenstadt Carmanstraße 27, Dr.-Schweigel-Straße, Einmündung Kessenicher), Dr. Hugo-Oster-Platz, Frauenberger Straße 110, Grünstraße 38, Kirchstraße 6b, Kölner Straße 138, Rathausstraße (ehemaliges Jugendzentrum), Rüdesheimer Ring 184. Zudem: Horchheimer Straße 55 in Flamersheim und Kuchenheimer Straße 99 in Kuchenheim. Der Stadtrat forderte am 20. Mai den Erhalt von drei Standorten: Kölner Straße, Kirchstraße und Rüdesheimer Ring.

Hellenthal Eine Anfrage der Telekom gab es nicht. Wilfried Knips, der „weiterer Vertreter des Bürgermeister“ und für Rechtsangelegenheiten der Gemeinde zuständig ist, sagte: „Es ist nachvollziehbar, dass die Telefonzelle ein Auslaufmodell ist.“

Kall Die Gemeinde will anders als die Telekom alle sechs Geräte erhalten. Eines steht in Steinfeld am Kloster, eines in der Dorfmitte von Wahlen, eines in Scheven, eines in Urft und zwei in Kall: Bahnhof und Siemensring. Einige Geräte sind in den vergangenen Jahren laut Gemeinde bereits abgebaut worden, und in diesem Jahr sollte der Abbau weitergehen. „Was sollen die Menschen denn in Orten machen, wo es nichtmal eine Tankstelle oder einen Bäcker gibt, wo man vielleicht mal telefonieren kann, wenn was ist“, lautetet die Argumentation. Und oft genug sei für das Handy kein Netz vorhanden.

Mechernich In diesem Jahr gab es keine Anfrage, sagte Stadtplaner Thomas Schiefer.

Bad Münstereifel Die Telekom stufte im Herbst 2011 nahezu alle 29 Fernsprecher im Stadtgebiet als „unwirtschaftlich“ ein und beantragte deren Abbau. An ihren Versorgungsauftrag erinnert, beantragte die Telekom im Januar dann den Abbau an zwölf Standorten. Der Rat setzte sich für die Standorte Iversheim, Eicherscheid und Nöthen ein. Der Abbau am Europaplatz vor der ehemaligen Post auf der Kölner Straße (Höhe GDZ) und auf der Sebstian-Kneipp-Promenade in Bad Münstereifel sowie in Nitterscheid, Kalkar, Langscheid, Hilterscheid und Weißenstein wurde allerdings genehmigt.

Somit bleiben öffentliche Fernsprecher in Kirspenich, Hummerzheim, Reckerscheid, Rupperath, Lethert, Esch, Wald, Mutscheid, Schönau, Eschweiler, Scheuren und Ohlerath sowie in Bad Münstereifel in der Trierer Straße 2, Werther Straße 39, im Sittardweg (Eifelbad), Kölner Straße (Bahnhof), und Marktstraße (Rathaus) stehen.

Nettersheim hat nur noch die Zellen in Marmagen an der Eifelhöhenklinik und in Zingsheim am Rathaus. Der offene Fernsprecher in der Bahnhofsstraße von Nettersheim ist schon funktionslos. Die Geräte in Bouderath, Engelgau, Holzmülheim, Tondorf und Pesch wurden nach einer Anfrage der Telekom 2011 demontiert.

Schleiden Andreas Glodowski, Teamleiter der Stadtentwicklung, kennt ein Schreiben vom Februar: „17 öffentliche Telefone gibt es noch, 16 wollte die Telekom abbauen.“ Die meisten, so Glodowski, sind Telefonstelen, nur zwei „Häuschen“: Eines in Schleiden, eines in Gemünd. Das „Häuschen“ am Busbahnhof sei wegen des Taxi-Busses wichtig. „Es gibt keinen Beschluss. Der Verwaltungsvorstand hat überlegt, wo es Sinn macht.“ Glodwowski hat zuletzt einen Fernsprecher in Köln gebraucht – weil er sein Handy vergessen hatte und seine Frau erreichen wollte.

Weilerswist „Uns stören sie nicht“, befand Bürgermeister Peter Schlösser auf den Wunsch der Telekom hin. Schlösser ist das Telefon in Derkum am Bahnhof jedoch wichtig und das in der Kölner Straße.

Zülpich Stadtkämmerer Ottmar Voigt weiß, dass die öffentlichen Fernsprecher unwirtschaftlich sind. „Aber die Geräte sind für den absoluten Notfall wichtig“, findet er: „Die Telekom kann uns nicht zwingen.“ Das Unternehmen benötige für den Abbau der Geräte die Zustimmung der Kommune. „Von uns haben sie die aber nicht erhalten. Auch die Ortsvorsteher wollten „eine gewisse Sicherheit“ in der Stadt erhalten.

Heimbach hat es geschafft, die beiden letzten Telefonzellen im Stadtgebiet zu erhalten. Die stehen an der Kunstakademie und am Bahnhof. Die Kommune argumentierte vor allem mit dem Feriendorf und den vielen Besuchern.