Weihnachten im ContainerWie werden die Festtage im Flutgebiet?

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Karin Schmitz mit ihrer Schwiegertochter Michelle Jeske vor der Mauer, die die Kinder bemalt haben.

Euskirchen-Roitzheim – Erst wollten sie den Container behalten. Seit fünf Monaten lebt das Ehepaar Schmitz jetzt in dem blauen Metallkasten, auf etwa zwölf Quadratmetern gemeinsam mit den beiden Hunden. Er steht direkt gegenüber von ihrem Haus auf der anderen Straßenseite. Dazwischen wuseln die Enkelkinder, eine Katze und zwei Hühner. Über die bunt bemalte Gartenmauer schaut ein Hund und bellt. „Ich liebe den Container“, sagt Karin Schmitz: „Der ist jetzt ein Teil meines Lebens.“

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Karin Schmitz in ihrem Container.

Die Flutkatastrophe im Juli verwüstete ihr gesamtes Haus. Während ihre Kinder mit den Enkeln bei den Schwiegereltern und in einer Zwischenwohnung unterkamen, wusste das Ehepaar Schmitz anfangs nicht, wo es schlafen soll. „Am nächsten Morgen nach der Flut sind wir nur im Dorf mit dem Auto umhergefahren. Wo unsere Kinder waren, wussten wir erst nicht“, sagt die 56-Jährige. Doch die Familie hatte Glück im Unglück: „Kurzzeitig hatten wir Empfang, da habe ich unseren Sohn erreicht“, schildert Schmitz.

Weil der Platz in der Unterkunft bei der Mutter ihrer Schwiegertochter begrenzt war, suchten Karin und Willi Schmitz schon bald eine neue Bleibe. „Mein Sohn hatte dann die Idee mit dem Container. Und ich dachte mir: Ja, so ein Ding will ich“, so Schmitz. „Das ist mir eingefallen, als ich abends im Bett gelegen habe. Da kommen einem ja immer die besten Ideen“, erzählt Sohn Daniel Jeske. „Ich find’s super für uns, den haben wir dann direkt vor dem Haus. Hier muss man nämlich aufpassen, es kommen öfter Plünderer vorbei“, sagt Schmitz weiter.

In zwei Wochen sollen sie zurück ins Haus

Zwei Palettenbetten, ein Fernseher, ein deckenhohes Regal, ein Kühlschrank, eine Mikrowelle, zwei kleine Heizstrahler und sogar eine Bank stehen auf den zwölf Quadratmetern. Das Wenige, was dem Ehepaar Schmitz geblieben ist, lagert hier. „Das war mit unseren Sachen kein Problem. Wir haben ja nichts mehr“, sagt die 56-Jährige.

Zwar habe sie sich an die neue Wohnsituation gewöhnt. „Ich warte jetzt aber sehnsüchtig darauf, wieder in unsere Wohnung zu ziehen“, sagt sie. Nach fünf Monaten auf engstem Raum könne einem schon mal die Decke auf den Kopf fallen: „Meine Kinder meinten irgendwann, dass ich mal raus muss, weil ich ständig anderen die Schuld für alles Mögliche zugeschoben habe.“

In zwei Wochen soll es endlich so weit sein, dann soll das Ehepaar in das Haus zurückziehen. Eine der beiden neuen Küchen ist zum Teil schon eingebaut, die zweite soll in den nächsten Tagen folgen. Auch ein Anbau ist geplant: „Mein Sohn hat mit seiner Frau im Keller gewohnt. Das will er nach der Flut nicht mehr, der hat jetzt kein gutes Gefühl mehr damit. Deswegen haben wir die Gelegenheit genutzt und bauen das Haus aus.“

Dieses Jahr wird ein besonderes Weihnachten

Viel mehr als schlafen und essen wird dort vorerst nicht möglich sein, weil die meisten Möbel noch fehlen. „Deshalb wollen wir dieses Jahr auch ein ganz besonderes Weihnachten feiern: vor unserem Haus, auf der Straße. Mit einem Pavillon, einem Grill und Kesselgulasch. Und wenn sie wollen, auch mit den Nachbarn“, erklärt Schmitz.

Der Weihnachtsbaum steht sogar schon vor der Gartenmauer. Die ist komplett mit Namen und Kinderzeichnungen bedeckt. „Das waren unsere Enkel, und den Baum haben wir von »Stark für Kinder« bekommen“, so Schmitz. Eigentlich kümmere sich der Verein von Fitnessstudiobesitzer Michael Schlögel um Kinder in Not. „Aber weil wir so eine große Familie sind, mit meinen ganzen Enkeln, sind die auf uns aufmerksam geworden“, erzählt sie.

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Miguel und seine Großmutter Karin Schmitz schmücken den Weihnachtsbaum vor dem Haus.

„Wir sind so froh, die zu haben. Was die schon alles für uns getan haben“, sagt Schmitz: „Da krieg ich schon wieder Tränchen in den Augen.“ Sogar duschen kann das Ehepaar in Schlögels Fitnessstudio, fast täglich schaut er bei der Familie nach dem Rechten. Auch Adventskränze und -kalender hat er der Großfamilie besorgt. „Und falls die Frage aufkommt, wo wir auf Toilette gehen, ich habe ein Dixiklo herbestellt“, erzählt sie ohne Umschweife. Den wohl wichtigsten Dienst leiste der Verein aber durch die Sanierung des Hauses: „Gerade lassen wir arbeiten, statt selbst anzupacken. Auch das hat »Stark für Kinder« organisiert“, erzählt Schmitz. Erst lacht sie, dann steigen ihr erneut Tränen in die Augen: „Manchmal sitze ich hier in dem Container und mir geht es richtig mies, weil da drüben Leute für uns schuften und wir nichts tun können.“ Aber aktuell seien Experten gefragt: Elektriker und Installateure für die neuen Küchengeräte. Die ersten Wochen habe die Familie noch selbst den Putz von den Mauern geschlagen: Mit freiwilligen Helfern habe sie das Haus bis auf den Rohbau abgerissen.

Aus Helfern wurden Freunde

„Über Facebook haben wir jemanden aus Hessen kennengelernt, als wir nach Helfern gesucht haben. Volker Vollrath. Erst habe ich gedacht, der kann viel erzählen, dass er uns beim Abriss hilft und so weiter. Ob der dann am Ende wirklich auf der Matte steht, ist eine andere Frage.“ Aber am vereinbarten Termin habe Vollrath mit einem roten Lieferwagen und einer fünfköpfigen Truppe vor dem verwüsteten Haus gestanden. „Die haben alles Mögliche mitgebracht: Kohleöfen, Tapeten, Farben. Wir haben gemeinsam an einem Tag das ganze Haus entkernt“, berichtet sie.

Aus dem Kontakt sei auch eine Freundschaft erwachsen. „Anfang November haben wir uns eine Auszeit genommen. Volker ist auf uns zugekommen und hat uns für ein verlängertes Wochenende in sein Ferienhaus im Odenwald eingeladen“, erzählt Schmitz: „Volker und mein Mann hatten an dem Wochenende kurz hintereinander Geburtstag, das haben wir gemeinsam gefeiert.“

Generell hat Schmitz die Solidarität, die sie erfahren hat, berührt. „Es kommen immer noch Leute her, die uns Sachen spenden wollen. Teilweise können wir das aber nicht mehr annehmen.“ Sie deutet auf den vollgeräumten Container: „Wo sollen wir das alles lagern?“

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Ein kleines Problem im Gegensatz zu dem, was die Familie während der Katastrophe erlebt hat: „Wir haben an dem Tag unseren Enkel Miguel in ein Tuch gewickelt und über die Gartenmauer gehoben“, berichtet Schmitz von den Ereignissen: „Man wusste nicht, wem man das Kind in die Hand gibt. Aber man hatte keine Wahl, das Wasser kam von mehreren Seiten.“ Ihre Tochter sei mit den anderen Enkeln im Auto über die Bahnschienen geflüchtet. „Das hat aber nur kurz funktioniert, da war das Wasser auch sofort da“, so Schmitz. Die Tochter habe innerhalb von Minuten die Kinder aus dem Auto holen und fliehen müssen. „Das alles ist an den Kleinen auch nicht spurlos vorbeigegangen. Miguel sagt noch öfter: Oma, alle meine Spielsachen sind weg wegen dem Wasser“, erzählt die 56-Jährige.

Dennoch seien sie dankbar, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist: „Wir haben ein großes Glück gegenüber anderen: Wir leben alle noch.“ Manchmal, wenn es auf das Dach des Containers regnet, dann sei da aber noch das beklemmende Gefühl wie in der Katastrophennacht: „Ja, ich habe Angst, dass das wieder passiert“, gibt Schmitz zu. Ein weiteres Mal das Haus aufbauen, das würde sie nicht verkraften: „Das mache ich nicht nochmal mit.“ Dann erwäge sie wegzuziehen. Jetzt stehe das aber noch nicht zur Debatte. „Wir wollen jetzt endlich wieder ein bisschen Normalität. Und mit unserem Weihnachtsfest weiter den Zusammenhalt nach einer schweren Zeit stärken.“

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