Prozessauftakt am Bonner Landgericht30-jähriger Weilerswister gesteht Mord an Eltern

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Der 30-jährige Weilerswister mit seinem Verteidiger Bernhard Scholz (l.) vor Gericht.

Der 30-jährige Weilerswister mit seinem Verteidiger Bernhard Scholz (l.) vor Gericht.

Bonn/Weilerswist – Jahrelang hatte Werner M. (Namen geändert) seine Tage mehr oder weniger mit Nichtstun und Biertrinken verbracht. Am 30. April dieses Jahres stand er nicht nur unter dem Einfluss von Alkohol, sondern hatte auch Schmerzmittel und Marihuana konsumiert. In diesem Zustand tötete der Weilerswister, der noch im Haus seiner Eltern lebte, gegen 20 Uhr zunächst seinen Vater und dann seine Mutter.

Jetzt ist er am Bonner Landgericht wegen zweifachen Mordes aus niedrigen Beweggründen angeklagt. Das auf fünf Verhandlungstage angesetzte Schwurgerichtsverfahren vor der 4. Großen Strafkammer begann am Donnerstag.

Angeklater wollte „seine Ruhe haben“

In dem Haus der Eheleute Karl (62) und Helene M. (60) in Weilerswist hatten sich an jenem Abend vor dem Maifeiertag schreckliche Szenen abgespielt. Um 20.09 Uhr wählte die Ehefrau den Polizeinotruf. Sie schilderte dem Beamten, dass ihr Sohn gerade ihren Mann attackiere. Wenige Augenblicke später brach das Gespräch unvermittelt ab.

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Es sollten die letzten Worte gewesen sein, die die 60-Jährige in ihrem Leben sprach. Wenige Minuten später war die Weilerswisterin tot, genau wie ihr Ehemann umgebracht vom eigenen Sohn. Der Grund der unfassbaren Tat sei gewesen, dass Werner M. sich „durch die berechtigte Kritik“ an seiner Lebensweise „genervt gefühlt“ habe und „seine Ruhe haben“ wollte. So formulierte es Oberstaatsanwalt Robin Faßbender, als er die Anklageschrift verlas.

Angespanntes Verhältnis innerhalb der Familie

Der Angeklagte ließ am ersten Prozesstag von seinem Verteidiger Bernhard Scholz ein Geständnis vortragen: „Mein Mandant räumt die Vorwürfe dem äußeren Tatgeschehen nach ein. Er gibt zu, dass er seine Eltern mit einem Messer getötet hat.“ Das Verhältnis zwischen dem Sohn und den Eltern sei „seit geraumer Zeit sehr angespannt gewesen“, so der Rechtsanwalt. Genauere Angaben dazu wolle er am ersten Verhandlungstag nicht machen, ergänzte der Verteidiger, der auch erklärte, dass Werner M. vor der Tat zehn Flaschen Bier à 0,5 Liter, Marihuana und „diverse Schmerztabletten“ konsumiert habe.

Angespanntes Verhältnis zu den Eltern

M. sitzt in der JVA Köln ein. Dort mache er „einen ziemlich geläuterten Eindruck“, so der Verteidiger im Gespräch mit dieser Zeitung. „Er ist schockiert über das, was er mit diesem enormen Gewaltausbruch angerichtet hat.“ Auslöser der Tat, so der Anwalt weiter, sei das Spannungsverhältnis zwischen ihm und seinen Eltern gewesen, die ihn mit Vorwürfen konfrontiert hätten, weil er „nichts auf die Reihe bekam“. (ejb)

Klaus Reinhoff, Vorsitzender Richter der Strafkammer, hatte sich zunächst ein Bild von dem Angeklagten gemacht. Der Weilerswister antwortete auf die zahlreichen Fragen zunächst einsilbig und oft leise, im Laufe der Verhandlung wurde er dann gesprächiger.

Eltern waren „herzensgute Leute“

Reinhoff wollte ergründen, wie es dazu kommen konnte, dass ein junger Mann seine Eltern tötet, „die immer für ihre Kinder da waren“. So hatte es vor Prozessbeginn eine der beiden Schwestern von Karl M. erzählt, die die Verhandlung verfolgten. Sie hatte ihren Neffen vor der Tat längere Zeit nicht gesehen, wusste aber zu berichten, dass er „immer nur auf seinem Zimmer gehockt hat“. Trotzdem hätten seine Eltern „nie etwas Böses über ihn gesagt“. Sie seien „herzensgute Leute“ gewesen.

Am 30. April wurden sie von ihrem Sohn mit einem Messer mit einer zehn Zentimeter langen Klinge attackiert. Mit 30 Stichen, so Staatsanwalt Faßbender, verletzte er seinen Vater an der Drosselvene im Hals, an Leber und Lunge derart schwer, dass der 62-jährige Frührentner kurz darauf starb.

Vergebliche Versuche, ihren Sohn zu stoppen

Auf die Mutter stach er nach Angaben des Anklagevertreters ebenfalls 30-mal ein, „um sie zu töten“. Sie starb an den Folgen der Verletzungen an Drosselvene und Lunge. Die 60-Jährige hatte auch einen Rippenbruch erlitten, derart groß war die Wucht, mit der ihr Sohn ihr das Messer in den Körper gerammt hatte. Wie ihr Mann wies sie Abwehrverletzungen auf. Beide hatten vergeblich versucht, den Angriff des Sohnes zu stoppen.

Richter Reinhoff ließ sich ausführlich den Lebenslauf des 30-Jährigen schildern. Nach der Grundschule besuchte er die Realschule, später zwei Hauptschulen. Die Schulwechsel hätten disziplinarische Gründe gehabt, vor allem weil er oft den Unterricht geschwänzt habe, sagte M. Nach dem Hauptschulabschluss hätte er gerne eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker begonnen, fand aber keine Lehrstelle, sodass er den Tag meistens damit verbrachte, Freunde zu treffen, „herumzuhängen“ (so der Richter) und Alkohol zu trinken.

Langjähriges Alkohol- und Drogenproblem

„Haben Sie auch mal etwas Vernünftiges mit Ihren Freunden gemacht?“, fragte der Vorsitzende. M.s Antwort: Er habe „hauptsächlich geraucht und getrunken“. In der Zeit von 2008 bis 2013 war er bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt, hatte Stellen als Produktionshelfer, Maschinenführer und Kommissionierer. Anschließend war er arbeitslos. „Mit 15 oder 16“, so der Angeklagte, hatte er zum ersten Mal Drogen genommen, und zwar Cannabis. Später kamen Amphetamine hinzu.

2013 kam er mit einer Drogen-Intoxikation, so der Richter, ins Euskirchener Marien-Hospital, 2018 folgte dort ein stationärer Entzug. Im Frühjahr 2019 begann er einen Kursus in Metallverarbeitung zur Vorbereitung auf das Berufsleben. Mit fünf Arbeitsstunden pro Tag hatte sein Leben wieder eine Struktur, doch vom Alkohol konnte er nicht lassen. Das tägliche Feierabendbier durfte nicht fehlen.

M. wurde, nachdem er seine Eltern getötet hatte, vorläufig festgenommen, einen Tag später wanderte er in Untersuchungshaft. „Mit seiner Tat hat er die einzigen Bezugspersonen verloren, die er noch hatte“, sagte Verteidiger Scholz über seinen Mandanten, der zu seinem Bruder nach eigener Darstellung kein gutes Verhältnis mehr hat.

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