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Western-Indianer-Freunde KölnNeueinsteiger starten als Cowboys

Lesezeit 3 Minuten

Tex Weber bot an seinem Stand in Lubbock Town handgefertigte Taschen, Messerscheiden, Chaps und Revolvergurte an.

Weilerswist-Vernich – Versteckt in den Feldern zwischen Vernich und Lommersum erwachte am vergangenen Mittwoch ein Dorf aus einer anderen Welt zum Leben. Nur ein paar schmucklose Hinweisschilder führen den Besucher nach Lubbock Town. Doch kaum ist man auf die staubige Straße getreten, die Saloon und Pony-Express miteinander verbindet, fühlt man sich direkt in den Wilden Westen versetzt.

Die Sporen vorbeiziehender Cowboys klirren im Takt ihrer Schritte, Damen mit aufwendig gedrehten Locken flanieren vor dem Saloon. Und überall dazwischen werden Waren feilgeboten, die aus der amerikanischen Geschichte stammen – von Kleidern über Messerscheiden nach indianischer Art bis hin zu Pistolengurten. Vieles davon ist in mühsamer Handarbeit hergestellt.

Eingeladen zu dieser Tauschbörse hatten die Western-Indianer-Freunde Köln, die Lubbock Town vor 40 Jahren gründeten. „Das Dorf ist mehr als 20 Jahre gewachsen“, erzählt Michael Feldgen, Schriftführer des Vereins, bei einem Bummel über den Markt. So gibt es natürlich einen Saloon, aber auch Geschäfte und eine kleine Kirche. Die Mitglieder haben alle Gebäude selbst gebaut.

„Ich lebe in einer Mietwohnung. Ich hatte noch nie mit einer Motorsäge gearbeitet, als wir hier anfingen“, so Feldgen. Doch betritt man die Dorfkirche, so merkt man, wie viel Liebe und Herzblut in den Details stecken. An der Wand ist eine Ahnengalerie ausgestellt: Mitglieder des 1957 gegründeten Vereins, die bereits gestorben sind.

Die Tauschbörse, die im vergangenen Jahr aus einer anderen Westernstadt nach Vernich umgezogen ist, lockt Westernfreunde aller Art an. „Jeder hier ist mit Karl May und Cooper groß geworden“, sagt Gerd Wischum, der seit Kindertagen dem Western-Hobby frönt. „Ich war schon Indianer, Cowboy, Trapper und Mitglied der Gangs of New York“, erzählt er.

Auf der Börse trägt er ein einfaches Cowboy-Outfit. Ausnahmsweise achtet keiner darauf, dass alles zusammen passt. Beim Einkaufsbummel hat jeder, ob Südstaatler, Mayflower-Pilger oder Irokese, die Chance, seine Verkleidung zu zeigen. Wie viel Arbeit vor allem in der angebotenen Indianerkleidung steckt, weiß Gerd Wischum aus eigener Erfahrung. „Für ein Kostüm habe ich mir eine Perlenweste selber gemacht. Das war Arbeit für vier Jahre“, sagt er. Die winzig kleinen Perlen müssen Reihe für Reihe aufgezogen werden – natürlich in den Stammesfarben.

„Als ich fertig war, gefiel mir die Weste nicht. Ich hab’ sie aufgemacht und von vorne angefangen“, sagt er lachend: „So besessen ist man dann irgendwann.“

So lange wie Wischum sind Ludwig Frei und Anne Jütten aus Viersen noch nicht dabei. Erst seit zwei Jahren mischen sie in der Westernszene mit. „Unser Wohnzimmer sieht mittlerweile schon aus wie ein Tipi“, so Anne Jütten. Sie ist als Weideland-Indianerin verkleidet, ihr Begleiter trägt ein Trapperkostüm aus Fell. Nach Lubbock Town sind sie gekommen, um sich inspirieren zu lassen und Ideen für ihre Kostüme zu suchen. „Die Atmosphäre ist toll, und man hat die Chance, Gleichgesinnte zu treffen“, sagt Frei.

Erlaubt ist bei den Western-Freunden alles, was an die Zeit seit Beginn der Kolonialisierung erinnert. Viele Anfänger aber starten als Cowboy. Saloon-Cowboys nennt Gerd Wischum die Neueinsteiger. „Die kommen mit Hut und Revolver und setzen sich im Saloon an die Theke“, so der Western-Profi.

Die wirkliche Leidenschaft entwickele sich langsam. Richtiger Cowboy ist man erst, wenn man alles drauf hat, was Cowboys eben können müssen. Das reicht vom Lassowerfen bis hin zur Handarbeit. Wer sich gut darauf versteht, kann seine Stücke auf der Börse dann auch anbieten. So wie Tex Weber, der Pony-Express-Taschen, Messerscheiden, Chaps und Geldsäcke an seinem Stand anbietet.

Doch trotz allem sind die Westernfreunde nicht komplett in der Vergangenheit verhaftet. „Klar, wir leben im 21. Jahrhundert“, sagt Michael Feldgen, „aber hier kann man gut abschalten.“