Die Staatsanwaltschaft Bonn legt einem 30-jährigen Syrer Ladendiebstähle, einen Überfall auf eine Tankstelle und zwei Brandstiftungen zur Last.
„Ich wurde verhext“Asylbewerber aus Weilerswist steht wegen 19 Straftaten vor Gericht

Am ersten Prozesstag am Landgericht in Bonn blieb vieles vage.
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19 Gesetzesverstöße hält die Staatsanwaltschaft Bonn einem 30-jährigen Asylbewerber aus Weilerswist vor, meist Kleinigkeiten wie Ladendiebstähle, aber auch gravierende Taten wie einen Überfall auf eine Tankstelle und zwei Brandstiftungen. Der Syrer muss sich jetzt vor einer Strafkammer des Bonner Landgerichts verantworten.
Und das nicht nur wegen der Menge an Anklagepunkten, sondern weil das Euskirchener Schöffengericht, vor dem er zunächst angeklagt war, entschied, seine Einweisung in eine psychiatrische Klinik müsse geprüft werden. Und deshalb das Verfahren zur nächsthöheren Instanz verwiesen hat.
2016 angeblich als Geheimagent in Jordanien ausgebildet
Vieles blieb vage am ersten Prozesstag. Klar scheint zu sein, dass er 1995 in der syrischen Hauptstadt Damaskus als eines von vier Kindern eines Tabakhändlers geboren worden ist. Der Vater hat die Familie früh verlassen, sodass die Mutter die Erziehung der zwei Schwestern und zwei Brüder übernahm. Nach der abgebrochenen Schule will er, der Zweitälteste, bei seinem Bruder in einem Supermarkt gearbeitet haben. 2016 wurde er angeblich in Jordanien als „Geheimagent“ ausgebildet, um gegen das Assad-Regime zu kämpfen. Das Gericht machte kein Hehl daraus, dass es dies für ein Märchen aus 1001 Nacht hält.
Im Jahr 2020 reiste er über die Türkei nach Deutschland ein. Der Bruder mit dem Supermarkt habe Schleusern 20.000 Euro für die Reise bezahlt. Über Stationen in Bochum und Bonn, kam der Syrer in einem Übergangsheim in Weilerswist unter. Und wusste dort nicht viel mit sich anzufangen: Einen sechsmonatigen Deutschkurs brachte er nicht zu Ende. Er hatte keine Arbeit, aber jede Menge freie Zeit. Die nutzte er, um Wodka zu trinken und Marihuana zu rauchen.
Ende Oktober 2024 drohte der Syrer an einem Imbiss in Weilerswist, sich selbst mit einem Messer zu töten
Ob der Alkohol- und Drogenkonsum dazu geführt hat, dass der 30-Jährige psychisch auffiel, wird ein Sachverständiger zu klären haben. Ende Oktober 2024 drohte der Syrer an einem Imbiss in Weilerswist, sich selbst mit einem Messer zu töten. Polizei, Notarzt und Rettungsdienst brachten ihn vorübergehend in der geschlossenen Abteilung des Marien-Hospitals unter. Von dort floh er nach Bonn, wo ihn Bundespolizisten im Hauptbahnhof festnahmen.
Zwischen November 2024 und Januar 2025 häuften sich danach die Polizeieinsätze gegen ihn. So tauchte er am 8. November vergangenen Jahres in einer Tankstelle in Weilerswist auf, stahl Alkohol und Zigaretten und drohte dem Kassierer, der ihn festhalten wollte: „Lass mich in Ruhe, sonst steche ich dich ab!“
Mutmaßlich zwei Brände im Wohnheim gelegt
Vier Tage später kehrte der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft zu der Tankstelle zurück, wurde erkannt und auf ein Hausverbot hingewiesen, worauf er geschrien haben soll: „Ich komme wieder, ich mache dann alles kaputt. Ich komme auch mit einem Messer. Ich mache euch tot!“
In dem Wohnheim soll er mehrere Mitarbeiter geschlagen und in seinem Zimmer zwei Brände gelegt haben – Sachschaden beim ersten: 12.000 Euro. Dann soll er in Weilerswist und in Euskirchen aus Supermärkten diverse Lebensmittel gestohlen haben, einmal ein Handy samt Ladegerät. Die Anklage zählte insgesamt neun Ladendiebstähle.
Warum er das getan habe, wollte Kammervorsitzende Claudia Gelber von dem 30-Jährigen wissen: „Ich wurde verhext“, antwortete er: „Von Freunden aus der Unterkunft, über das Essen.“ Er habe Bauchschmerzen bekommen und sei im Kopf „ganz durcheinander“ gewesen. „Ich schrie rum, ich wurde ein anderer Mensch.“ Mittlerweile lebt er in der Landesklinik Düsseldorf. Medikamente hätten seinen Zustand gebessert. Der Prozess ist bis Mitte Oktober terminiert.