Zingsheimer TalbrückeGitter könnte Leben retten

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Keine wirksamen Sicherheitsgitter gibt es auf der 820 Meter langen Talbrücke bei Zingsheim.

Keine wirksamen Sicherheitsgitter gibt es auf der 820 Meter langen Talbrücke bei Zingsheim.

Zingsheim – Die Mintarder Brücke, über die die Autobahn 52 zwischen Breitscheid und Essen führt, erlangte traurige Berühmtheit als sogenannte „Todesbrücke“. Im Zeitraum von 1966 bis 1983 stürzten sich 68 Menschen von der Ruhrtalbrücke in die Tiefe.

Eine gewisse Anziehungskraft auf selbstmordgefährdete Menschen scheint auch die Zingsheimer Talbrücke auszuüben. In den Morgenstunden des vergangenen Dienstag sprang von dort ein Mensch in den Tod. Das ist mittlerweile kein Einzelfall mehr, sondern kommt immer wieder vor. Schließlich muss, wer sich hier in die Tiefe stürzen will, auf dieser Brücke keine größeren Hindernisse überwinden. Denn Schutzvorrichtungen gibt es in der Mitte der Brücke nicht, wo die Entfernung zum Erdboden am größten ist.

Lediglich auf der in Richtung Blankenheim gelegenen Seite sind Plastikwände installiert, über die man sich nicht ganz so leicht in die Tiefe schwingen kann. Was die Zahl der Menschen anbelangt, die von der Zingsheimer Brücke in den Tod gesprungen sind, gibt es ganz unterschiedliche Angaben. Polizeisprecher Lothar Willems teilte mit, dass es zwischen 2004 und 2014 lediglich vier Suizidfälle auf diesem Streckenabschnitt der Autobahn 1 gegeben habe. Nach verlässlichen Informationen der Gemeinde Nettersheim wurden seit Bestehen der Brücke jedoch zwölf Suizide registriert, allerdings allein drei davon innerhalb nur eines Jahres.

Problem bekannt

Andreas Radt von Straßen NRW in Krefeld ist für die Abteilung Betrieb und Verkehr zuständig. Er kennt das Problem ebenfalls. Er konnte auf Anfrage aber keine verlässlichen Zahlen bezüglich der Selbstmordfälle in Zingsheim nennen.

Der Fall von dieser Woche erregte in der Öffentlichkeit deshalb Aufsehen, weil die getötete Person nicht etwa in den Wiesen unterhalb der Brücke gefunden wurde, sondern mitten auf der Landesstraße 206, die von Zingsheim in Richtung Bad Münstereifel führt. Das bedeutet, dass durch die Suizide von der Brücke möglicherweise auch andere Menschen gefährdet werden könnten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht sonderlich hoch ist.

Im Fall der Mintarder Brücke zog man nach ausführlichen Diskussionen die Konsequenzen. Dort wurden schließlich Gitter an den Seitenwänden der 27 Meter breiten Brücke angebracht, um einen Sprung von der Rurtalbrücke zu erschweren. Die Zahl derjenigen, die sich von dort in den sicheren Tod stürzten, nahm tatsächlich in der Folgezeit ab. Dennoch soll es dort immer noch vereinzelt Selbstmörder geben, die ihr Auto auf dem Standstreifen abstellen, auf das Dach klettern und so die Schutzgitter überwinden.

„Ein anständiger Zaun, an dem man sich beim Klettern weh tut“, vermutete Selbstmordforscher Roland Hentschel, „hätte an der Ruhrtalbrücke bestimmt so manchem seine Todessehnsucht wieder ausgetrieben“. So hieß es 1983 in einem Artikel des „Spiegel“. Drei Viertel der Springer, schätzte der Göttinger Wissenschaftler Hermann Pohlmeier, „wären wahrscheinlich nicht gesprungen, wenn ein spitzes Gitter ihre Tat erschwert hätte“. Er gab zu bedenken, dass immerhin 75 Prozent derjenigen, die einen Selbstmordversuch überlebt haben, es kein zweites Mal versuchen.

Dass Gitter den Todesfliegern Einhalt gebieten können, belegen Erfahrungen mit anderen Brücken. So sprangen von der nur 27 Meter hohen Blombachtalbrücke bei Wuppertal bis 1974 elf Menschen in den Tod. Seit der Bau mit drei Meter hohen gebogenen Eisenstäben käfigartig bewehrt wurde, gab es dort keine Selbstmorde mehr. Von der Großhesseloher Eisenbahnbrücke bei München waren 256 Menschen gesprungen. Nach 1958, als dort ein spitzes Stahlgitter angebracht wurde, stürzten sich dort nur noch zwei Selbstmörder in die Isar.

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