Kein WeihnachtenChristfest bis Ramadan: Die Bahai dürfen alle religiösen Feste feiern

Lesezeit 4 Minuten
Ulrich Rüsenberg sitzt im weihnachtlich dekorierten Fair-Café in Zülpich.

Eine persisch-stämmige Familie brachte das Bahaitum nach Euskirchen. Heute gehören etwa zehn Leute der kleinen religiösen Gemeinschaft an. Ulrich Rüsenberg ist einer von ihnen.

Nach der Islamischen Revolution floh eine iranische Familie nach Euskirchen – und brachte die Bahai-Religion in den Kreis. 

Heiligabend wird Ulrich Rüsenberg aus Zülpich mit dem Anschauen von DVDs verbringen. Aber es werden nicht irgendwelche DVDs sein. Rüsenberg besitzt eine beachtliche Sammlung von Filmen über Propheten: Etwa den Film „Noah“ mit Russel Crowe in der Hauptrolle, die Passion Christi von Mel Gibson, oder „Mohammed – Der Gesandte Gottes“, um nur eine Auswahl zu benennen.

„Alle Propheten sind für mich gleich wichtig“, sagt Rüsenberg. Das sei der Kern seines Glaubens, der Bahai-Religion. Die Bahai glaubten, dass jede Zeit eine neue Botschaft brauche. Die werde auch verkündet von einem neuen Propheten: „Moses, Jesus, Mohammed – das sind die Propheten vergangener Zeiten.“

Bahāʾullāh ist der jüngste Prophet und Begründer der Bahai-Religion

Der jüngste Prophet in dieser fortschreitenden Reihe an Propheten ist für die Bahai Bahāʾullāh, der am 12. November 1817 in Teheran geboren wurde. Wer als Nächstes komme, das stehe noch in den Sternen, sagt der Zülpicher. Rüsenberg wünscht sich aber einmal eine Frau: „Eine Prophetin – das wäre mal an der Zeit.“

„Wir Bahai glauben an den einen Gott“, so Rüsenberg. Die jeweiligen Stifter der Weltreligionen seien zeitgebundene Manifestationen dieses einen Gottes. „Und wir glauben an die Einheit aller Menschen.“  Bahāʾullāh rufe dazu auf, die ganze Erde als einziges Land und alle Menschen als seine Bürger zu betrachten.

Bahai gibt es überall auf der Erde, im Kreis Euskirchen sind es zehn

Deswegen gebe es die Bahai überall auf der Erde, erklärt Rüsenberg. Ihre Wiege stehe zwar im Iran, aber die Anhänger dieser Religion seien angehalten, sich auf der ganzen Welt auszubreiten. Im Iran selbst werden die Bahai allerdings als größte nicht-muslimische Minderheit seit der Islamischen Revolution 1979 systematisch verfolgt. „Dort werden sie für die Ausübung ihrer Religion gesteinigt“, sagt Rüsenberg.

So kam das Bahaitum auch in den Kreis. Gleich zu Beginn der Islamischen Revolution sei eine Familie aus Teheran nach Euskirchen geflüchtet. „Dadurch entstand hier eine ganz kleine Gemeinde.“ Etwa zehn Bahai gebe es in Euskirchen, in Zülpich seien es drei. „Es gibt uns zwar überall, aber wir sind überall wenige.“

Rüsenberg selbst war 50 Jahre lang Christ. „Aber so ein richtiger Christ war ich dann doch auch nicht – denn gläubig war ich nicht.“ Alles, was er im Christentum vermisst habe, habe er bei den Bahai gefunden, sagt er. Damals habe er sich in einer Lebenskrise befunden. Habe seinen Job als Grafiker bei einem Auto-Magazin verloren und sich scheiden lassen. „Das kam alles auf einmal.“ Auf den Wegbruch von Familienleben und Arbeit folgte die Depression. „Damals habe ich das gar nicht benennen können. Heute weiß ich, dass es eine war.“

Zum Glauben fand Rüsenberg durch eine Lebenskrise

Darauf folgte auch noch eine Gicht-Erkrankung. „Ich habe zu der Zeit mit vielem aufgehört“, sagt Rüsenberg heute – zum Beispiel mit dem Alkohol. Mit einigen Dingen hat er aber auch angefangen. Zum Beispiel damit, als Klinik-Clown zu arbeiten, und damit, sich der Bahai-Religion zu widmen.

„Mein Heilpraktiker hatte ein Foto von unserem Propheten aufgehängt. Und als ich ihn sah, kam er mir so vertraut vor – beinahe wie ein Bruder.“ Das war die Initialzündung für Rüsenberg, sich mit dem umfangreichen Werk des persischen Propheten zu beschäftigen. Heute betet er regelmäßig. Zur Hilfe benutzt er sein Smartphone. Er öffnet eine App auf seinem Handy: „BahaiPrayers.net“ steht da. Aus 190 Sprachen kann man dort auswählen. Und aus beinahe genauso vielen Anlässen.

Bahai dürfen Weihnachten feiern, weil sie jeden Propheten ehren

Weihnachten feiern wir eigentlich nicht – aber wir könnten“, sagt er. Er könne zum Beispiel seine Freunde aus dem Iran dazu einladen, in „die heilige Christmette“ zu gehen. Das sei ganz im Sinne Bahāʾullāhs. Genauso könne er Ramadan begehen. „Weil wir eben jeden Propheten ehren.“

Aber die größeren Feste für die Bahai sind zum einen der Geburtstag ihres jüngsten Propheten am 12. November, aber vor allem das Ridvan-Fest, das höchste Fest der Religion. Es erinnert an die erste öffentliche Verkündigung ihres Religionsgründers Bahāʾullāh. „Und das feiern wir im Frühjahr mit einer Riesen-Party.“

Deswegen geht Rüsenberg die Weihnachtsfeiertage eher gemächlich an. Am zweiten Weihnachtstag wird Rüsenberg wohl trotzdem bei seiner Familie vorbeischauen. „Schließlich feiern meine Jungs das Fest. Und ich bin ja ursprünglich auch christlich sozialisiert.“

KStA abonnieren