Kein WeihnachtenEin konvertierter Moslem feiert seit 30 Jahren Zucker- statt Christfest

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Ahmad Adamek trägt Gebetsmütze und Turban. Er liest in der osmanischen Herberge in Kall-Sötenich aus dem Koran.

Ahmad Adamek liest in der osmanischen Herberge in Kall-Sötenich aus dem Koran.

Seit 30 Jahren ist Ahmad Adamek Moslem. Weihnachten feiert er nicht mehr, stattdessen das Zuckerfest. Das christliche Fest vermisst er nicht.

Vor vielen Jahren hat Ahmad Adamek eine Fahrradtour durch Tunesien gemacht. Vier Monate lang fuhr eine 20-köpfige Gruppe auf Zweirädern durch das Wüstenland. Oft begegneten sie tagelang niemandem.

Auf den Gepäckträgern hatten sie ihre Zelte dabei. Als sie in einem verschlafenen Nest direkt an der Sahara Rast machten, kam ein Mann auf die Gruppe junger Leute zu. „Ohne zu fragen, wer wir sind, lud er uns auf Französisch in sein Haus ein“, erinnert Adamek sich: „Das Haus war ein Zweiraumflachbau, eigentlich mehr ein Stall.“ Der Mann habe dort mit seiner Familie gelebt: er selbst, eine Frau und vier Kinder. 

Einer der höchsten Werte im Islam ist die Gastfreundschaft

„Er hat für uns alle Essen gekocht.“ Adamek wiederholt sich: „Wir waren 20 Leute und ich weiß nicht, ob wir nicht vielleicht einen merkwürdigen Eindruck gemacht haben mit unseren Rädern in der Wüste.“ Als es Nacht wurde, wollte die Gruppe das Haus verlassen, doch der Tunesier hinderte sie daran. „Er hat uns angeboten, bei ihm zu schlafen – ein ganzes Zimmer hat er uns überlassen.“

Als die Gruppe ihre Unterkunft am nächsten Morgen verließ, sahen sie, dass der Gastgeber auf einer Pritsche vor seinem eigenen Haus geschlafen hatte. „Und das beschreibt das, was mich am Islam fasziniert, am besten“, sagt Adamek. Gastfreundschaft sei eine der höchsten Tugenden.

Der Moslem konnte sich nie vorstellen zu konvertieren, bis er es tat

Adamek war nicht immer Moslem. „Im Gegenteil“, sagt er. Aufgewachsen ist er als Christ. Hätte ihm früher jemand gesagt, dass er konvertieren werde, hätte er den für verrückt erklärt. Als seine Frau begann, sich für den Islam zu interessieren, sagte Adamek zu ihr: „Du kannst machen, was du willst. Aber wenn du mit einem Kopftuch nach Hause kommst, dann lasse ich mich scheiden.“

Adamek ließ sich nicht scheiden. Stattdessen konvertierte er. Heute trägt er selbst Takke (eine muslimische Gebetsmütze für Männer) und Turban. Er gehört dem Orden der Naqshbandi an. Das Vereinsheim der „Karawane der Liebe“, so heißt der deutsche Ableger des Ordens, befindet sich in Kall-Sötenich. Die Herberge gibt es seit 1995, davor war sie ein beliebter Eifeler Landgasthof.

Vor ungefähr 30 Jahren hat Adamek Scheikh Nazim kennengelernt, den Begründer des Naqshbandi-Ordens. „Und da war es um mich geschehen“, sagt er. Als Adamek den inzwischen verstorbenen Scheikh Nazim in Zypern besucht hat, habe dieser ihn aufgenommen wie „seinen Lieblingsenkel“.

Scheikh Nazim, Begründer des Naqshbandi Ordens, überzeugte vom Islam 

„Der Scheich ist wie Angler“, sagt der konvertierte Moslem: „Er wirft die Schnur aus und lässt den Fisch den Köder fressen.“ Nachdem der Fisch den Köder gefressen hat, lasse der gute Angler den Fisch aber noch eine Weile herumschwimmen. „Warum die das machen, weiß ich auch nicht“, kommentiert Adamek. So sei es jedenfalls auch beim Scheich gewesen. 

Er, Adamek, habe den Köder sofort gefressen, habe auf YouTube immer wieder die Ansprachen des Scheichs angeschaut. „Da hat es in mir gearbeitet.“ Bei den Anglern sei es so: „Plötzlich, wenn du schon fast nicht damit mehr rechnest, holen sie den Fisch ein“, sagt Adamek. Genau so habe Scheikh Nazim auch ihn an Land gezogen. 

„Seit ich Moslem bin, feiere ich kein Weihnachten mehr – wieso sollte ich“, sagt er heute: „Ich vermisse es auch nicht.“ Geschenke, Streit, Konsum – das habe Adamek die ersten 30 Jahre seines Lebens mit Weihnachten verbunden. Dabei sollte es bei diesem Fest doch eigentlich um Nächstenliebe gehen. „Außerdem hat ja jeder diesen einen komischen Onkel oder die eine komische Tante, die sich betrinkt und unangenehm wird“, sagt er und lacht. 

Für Moslems ist Jesus nicht Gottes Sohn, sondern einer der Propheten

Als gläubiger Moslem sei Jesus für ihn auch nicht Gottes Sohn. Es könne nur einen geben, sagt Adamek und zieht eine Analogie zu einer Firma: „Da gibt es am Ende auch nur einen einzigen, der für alles verantwortlich ist, und der seinen Kopf hinhält, wenn etwas schiefgeht.“ So könne man sich das auch mit Allah vorstellen. 

„Im Islam gibt es anstelle von Weihnachten Ramadan und die Eid-Feste.“ Das Zuckerfest am Ende des Ramadan sei vergleichbar mit Weihnachten. Da gebe es auch Süßigkeiten und Geschenke. „Und die Leute freuen sich wahnsinnig, wenn sie nach dem Fasten wieder essen dürfen.“ Eines seiner Lieblingsessen während des Ramadans sei die Linsensuppe, die auch schon laut Überlieferung das Leibgericht des Propheten Mohammed gewesen sei.

Was Ahmad Adamek an Weihnachten dennoch sehr mag, sind die Lichter überall. Er zündet auch selbst gerne Kerzen an. In diesem Jahr wird er über die Feiertage zu seiner Schwester fahren. Zeit mit der Familie zu verbringen, das sei schließlich auch als Moslem sehr wichtig. 

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