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Erinnerungen an 1944An Heiligabend wurde Zülpich von Bomben zerstört

5 min
Ein Soldat geht zwischen Trümmerbergen auf das Stadttor zu.

Trümmerberge säumen die Straße, auf der ein amerikanischer Soldat des 60. Infanterieregiments durch Zülpich in Richtung Münstertor geht. Entstanden ist das Foto im März 1945.                            

Eine Stadt in Trümmern, Tote und Verletzte: An Heiligabend 1944 wurde Zülpich bombardiert. Heinz-Peter Müller hat darüber geschrieben. 

Die Bilder machen auch nach 81 Jahren noch stumm vor Entsetzen. Und doch lassen sie nur einen Bruchteil des Grauens ahnen, das die Menschen in Zülpich am Heiligen Abend des Jahres 1944 durchleben mussten. Die amerikanischen Streitkräfte flogen an diesem Tag einen Bombenangriff auf die Römerstadt und legten große Teile in Trümmer. Heinz-Peter Müller, der die Internetseite „History Club Zülpich“ betreibt (siehe: „Club als Hobby“) widmet seine jüngste Veröffentlichung dem Herbst und Winter des Jahres, als der Zweite Weltkrieg in seine Endphase trat.

Am 16. November war Düren bombardiert worden. „Düren und Zülpich in der Flammenhölle“ nennt Müller seine Dokumentation, in der er in Ausschnitten beschreibt, wie die Alliierten nach der Landung in der Normandie die deutschen Truppen zurückdrängten und Europa vom Nazi-Terror befreiten.

Über 50 Bomber machten sich von Melun aus auf in Richtung Zülpich

So reißerisch der Titel klingen mag, so sachlich steigt der Autor in die Schilderung des dramatischen Tages ein: „Am Heiligen Abend gegen 12 Uhr verließen über 50 Havoc-Bomber vom Typ A 20 den seit dem Sommer 1944 wieder in französischer Hand befindlichen Flugplatz Melun. Weitere Intruder-Bomber folgten ihnen mit dem Ziel Zülpich. Die neuen zweimotorigen Maschinen der US Air Force waren mit je zwei Piloten besetzt und schwenkten gegen 15.00 Uhr von Füssenich kommend auf die Kernstadt von Zülpich zu.“

Das Bild zeigt die unversehrte Landesburg und die Kirche St. Peter.

Ein Bild aus der Zeit vor dem Bombenangriff. Von der Landesburg blieb nur ein Turm stehen, die Kirche wurde völlig zerstört.

Rechts im Bild befindet sich ein stark beschädigter Teil des Stadttors, links der erhaltene Turm.

Vom Weiertor war nach dem Bombenangriff nur der nördliche Rundturm erhalten geblieben.

Der Rathausturm ragt aus einem Schuttberg hervor.

Einzig der Turm war stehengeblieben, ansonsten war das Zülpicher Rathaus zerstört worden.

Innerhalb von 15 Minuten seien mehr als 500 Bomben auf die Stadt niedergegangen. Zwar hätten die meisten Einwohner da die Stadt schon verlassen gehabt, dennoch habe es rund 50 Tote und zahlreiche Verletzte gegeben. Zülpich sei zu 80 Prozent zerstört worden. Müller hat dazu Zeitzeugenberichte gesammelt.

„Wir waren die Schwärme von Bombern, die regelmäßig in diesen Kriegsjahren über Füssenich Richtung Köln zogen, bereits gewöhnt. Sie flogen in der Regel unverrichteter Dinge über Füssenich hinweg und machten uns daher keine Angst mehr. Aber diesmal sollte es ganz anders werden“, erinnert sich Katharina Curtius, die damals in Füssenich wohnte. Vom Garten aus hatten sie, ihre Mutter und eine Nachbarin beobachtet, wie gegen 15 Uhr wieder Verbände auf Füssenich zugeflogen seien. Sie seien davon ausgegangen, dass Köln das Ziel sei, und sagten: „Die armen Kölner, was machen die nur mit.“

Die Zerstörungen in der Kernstadt waren verheerend

Doch noch über Füssenich „lösten sich aus den vielen Flugzeugen unter einem angsteinflößendem Gezische und zunehmendem Dröhnen unzählige Bomben, die wie Pfeile Richtung Zülpich flogen und dort einschlugen“. Einige seien nahe dem Dorf in den Acker eingeschlagen und hätten dort gespenstische Gruben in die gefrorene Erde gerissen. Die Zerstörungen in der Zülpicher Kernstadt waren verheerend. Das belegen die Luftbilder in der Publikation.

Die Landesburg wurde schwer beschädigt, die Peterskirche lag in Trümmern. Vom Weiertor war nur der nördliche Rundturm unversehrt, vom Rathaus blieb nur der Turm stehen. Schwer beschädigt wurde auch das Krankenhaus. Besonders viele Bomben schlugen in der Nähe des Bahnhofs ein. Ziel der Amerikaner sei es gewesen, den Nachschub für die deutschen Truppen bei Hürtgenwald zu unterbinden. Der lief über die Strecke der Dürener Kreisbahn.

Oberpfarrer starb in Zülpich unter den Trümmern des Pfarrhauses

Bei der Bombardierung der Kirche St. Peter und des angrenzenden Pfarrhauses starben Oberpfarrer Karl von Lutzenberger und seine Haushälterin Christine Dreesen. Die Zeitzeugin Viola Recht schildert, wie sie und ihre Mutter Maria Stumm den Geistlichen noch am Tag davor besucht hatten. Die Mutter wollte einen Rat, ob sie wegen der anrückenden US-Armee ihr Heimatdorf Füssenich verlassen sollte.

Die Antwort des Oberpfarrers: „Liebe Frau Stumm, Sie sind hier behütet und Sie sind auch dort behütet, wo immer Sie sich aufhalten werden.“ Maria Stumm und ihre Tochter beobachteten am nächsten Tag von Füssenich aus den Luftangriff, den Karl von Lutzenberger nicht überlebte. Erst im Oktober 1946 wurden die Leichen der beiden Verschütteten geborgen. Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Orte, die von den Bomben verschont geblieben waren, folgten dramatische Stunden.

Überall Trümmer und Ruinen. Ein schrecklicher Anblick.
Katharina Curtius, Zeitzeugin

Der Gemeindediener und ein Wehrmachtssoldat forderten sie auf, Füssenich und Geich bis Mitternacht zu verlassen. Es sei mit standrechtlicher Erschießung gedroht worden, schildert Katharina Curtius: „Noch in der Heiligen Nacht ließ meine Mutter unter vielen Tränen unsere Kaninchen, Hühner, die Ziege und das Schwein frei, und wir machten uns mit den bereits seit Wochen gepackten Handwägelchen und Koffern auf den Weg nach Nemmenich zu unserer Oma. Hier fühlten wir uns erst einmal sicher.“

Als sie mit Handwagen und Gepäck zu Fuß durch Zülpich gezogen seien, hätten sie das grausame Ergebnis des Bombenterrors sehen können: „Überall Trümmer und Ruinen. Ein schrecklicher Anblick.“ Erst nach mehr als zwei Monaten konnte die Familie zurück nach Füssenich. Die Tiere seien weg gewesen: „Nur die Ziege, die meiner Mutter so sehr fehlte, konnten wir bei einem Bauern in Füssenich wiederfinden und mit nach Hause nehmen.“

In Langendorf gab es Flakbatterien der Luftverteidigungszone West

Um Zülpich herum gab es Flakbatterien, die Teil der Luftverteidigungszone West waren – so beispielsweise in Langendorf mit vier Geschützständen, Mannschaftsbunkern und zusätzlichen Maschinengewehrständen. Ein umfangreiches Kapitel des Buches ist dem Wiederaufbau gewidmet. Die Lücken in den Straßen wurden nach und nach geschlossen, die Peterskirche am Mühlenberg entstand in den 50er-Jahren in neuem Stil.

Für Heinz-Peter Müller ist die Beschäftigung mit diesem tragischen Kapitel der Geschichte durchaus nicht rückwärtsgewandt. Der Autor hat dem Buch eine Mahnung vorangestellt: „An die Anfänge und an das schreckliche Ende muss immer wieder erinnert werden. Wer die Vergangenheit ruhen lässt, findet in der Gegenwart und in der Zukunft keinen Schlaf.“


Der History Club ist Heinz-Peter Müllers Hobby

Er ist der Kopf hinter dem History Club Zülpich: Heinz-Peter Müller investiert viel Herzblut und Zeit darin, die Geschichte Zülpichs und Dürens nicht nur zu dokumentieren, sondern auch gut lesbar aufzubereiten. In den vergangenen zwölf Jahren hat er 40 Bücher und Broschüren über regionale Geschichte und speziell über das Dürener Amtsgericht veröffentlicht.

Das Bild zeigt den Autor.

Heinz-Peter Müller hat schon mehrere Bücher zur Regionalgeschichte geschrieben.

Die Geschichte der Justiz im Dürener Raum war Thema seiner ersten Veröffentlichung. Das Interesse daran kommt nicht von ungefähr: Der 69-Jährige, der in Füssenich lebt, hat 45 Jahre als Justizamtsinspektor am Amtsgericht Düren gearbeitet. Müller betont, dass er mit seinen Büchern keinen Gewinn erziele. Dank Spenden könne er gedruckte Exemplare Seniorenheimen und Krankenhäusern zur Verfügung stellen. Zu finden sind die Texte auch auf der Homepage.