Terra PretaAus Gärten in Mülheim-Wichterich kommt Regenwald-Erde

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In einem Betonmischer vermengt Friedhelm Marx die Zutaten für die Terra Preta.

Mülheim-Wichterich – Das eigene Obst und Gemüse anbauen – in der Corona-Zeit hat Gartenarbeit wieder an Attraktivität gewonnen. Ihre Liebe zur Natur teilen auch zwei Nachbarsfamilien aus Mülheim-Wichterich. Michaela und Mike Fischer bauen auf ihrem Grundstück mehr als nur Tomaten an – auch Gurken, Kohl, Beeren und Salat. Das Ehepaar mit den drei Kindern hat sich zum Ziel gesetzt, sich mit Obst und Gemüse zu versorgen.

Michaela Fischer hat eigenen Aussagen nach schon einiges ausprobiert, um die bestmöglichen Ergebnisse beim Anbau zu erzielen. „Ich sehe die Erde als Lebewesen. Damit etwas wachsen kann, muss man der Erde auch etwas zurückgeben“, erklärt die 43-Jährige. Ihr Eifer habe sie mit ihren Nachbarn Luise und Dr. Friedhelm Marx zusammengeführt: Der 77-Jährige ist Privatdozent für Lebensmittelwirtschaft im Ruhestand. Für seine berufliche Tätigkeit reiste Marx häufig nach Brasilien und entdeckte dort sein Interesse für Terra Preta – zu Deutsch: schwarze Erde.

Erde bindet Nährstoffe und Wasser

Dabei handele es sich um ein besonders nährstoffreiches Erdgemisch, das in der Nähe indigener Siedlungen in Brasilien zu finden sei. „Der Boden dort ist eigentlich eher nährstoffarm“, sagt der ehemalige Dozent: „Trotzdem konnten die Ureinwohner Agrarkultur betreiben, der Grund dafür ist eben die Terra Preta. Erst mit dem Eintreffen der Europäer ist diese besondere Erde in Vergessenheit geraten.“

Dabei sei die schwarze Erde in vielerlei Hinsicht ein Wundermittel. Ihre wohl wichtigste Eigenschaft sei ihre Fähigkeit, Wasser und damit auch Nährstoffe auf deutlich längere Zeit zu binden als herkömmlicher Humus. „Lange Zeit war man sich nicht sicher, was das Geheimnis dahinter ist. Mittlerweile wissen wir, dass ein entscheidender Bestandteil der Terra Preta Holzkohle mit besonders feinen Poren ist“, so Marx. Das führe dazu, dass Regen die darin gelagerten Nährstoffe nicht so schnell ausschwemmen könne. So würden Feldfrüchte auch nach langer Zeit weiter natürlich gedüngt.

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Auch Michaela Fischers Tochter Marlene hilft mit. 

Weiter spare der Gärtner Wasser aufgrund des Bindevermögens der Terra Preta. Auch würden weniger Pflanzenschutzmittel benötigt. Michaela Fischer erklärt: „Durch die Erde werden die Pflanzen so gut mit Nährstoffen versorgt, dass sie widerstandsfähiger gegen Schädlinge sind.“

Beitrag zum Umweltschutz

Einen weiteren Beitrag zum Umweltschutz leiste die Herstellung: Kohlenstoff sei der Hauptbestandteil der verwendeten Holzkohle. Dadurch, dass sie nicht zum Verfeuern verwendet, sondern in den Boden zurückgeführt werde, werde der Kohlenstoff aber dem Emissionskreislauf entzogen. „Bei der Herstellung der Kohle entsteht dennoch CO2 . Aber etwa die Hälfte des vorhandenen Kohlenstoffs kann gebunden werden“, sagt Marx. Auch sei es möglich, das freigesetzte Holzgas in Blockheizkraftwerken zu nutzen.

Die Vorteile wollte sich das Ehepaar nicht entgehen lassen, auch weil es selbst Obst und Gemüse im heimischen Garten anbaut. Selbst Arten, von denen der Laie nicht erwartet, dass sie hier gedeihen, finden sich in ihrem Garten, wie etwa Feigen oder ein Olivenbaum. „Ganz winterhart ist der nicht“, gibt Marx zu bedenken: „Im Winter muss ich auf den Wetterbericht achten. Wenn es zu kalt wird, wickele ich den Baum ein und lege einen Heizdraht drumherum. Bis jetzt funktioniert das.“

Kohle aus eigener Herstellung

Da sie die Erde schlecht aus Brasilien nach Deutschland bringen konnten, wollten Friedhelm und Luise Marx eigene Terra Preta herstellen. Mit der Rezeptur hat sich das Ehepaar eigenen Aussagen zufolge lange auseinandergesetzt. Die aktuelle Mischung bestehe hauptsächlich aus Bio-Kompost, Holzasche und selbst hergestellter Pflanzenkohle. „Wir bekommen das Reisigmaterial für die Gewinnung der Pflanzenkohle unter anderem aus den Gärten unserer Nachbarschaft“, sagt Marx.

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In dem Trichterbottich stellt Luise Marx Holzkohle her. 

Die Holzkohle stellt das Ehepaar mit Familie Fischer selbst her. Dazu wird ein Trichter mit Holz gefüllt, der von unten erhitzt wird. Durch die Kegelform kann das Holz ohne Sauerstoff verbrennen. Den Vorgang nenne man Pyrolyse, erklärt Marx. Von unten werde die glühende Kohle dann abgelöscht – dabei entstünden die besonders feinen Poren.

Mikroorganismen beigemischt

Ein weiterer Bestandteil des Gemischs sind Effektive Mikroorganismen (EM). Besonders durch die Flut sind die Kleinstlebewesen bekannt, die einen weiteren Beitrag dazu leisten sollen, das Nährstoffgleichgewicht in der Terra Preta zu sichern. Auch Lavagesteinsmehl aus der Eifel und Tonscherben aus der Tonwerkstatt der Fischers werden beigemengt.

„Tatsächlich bieten teils auch größere Hersteller Terra-Preta-Erden an. Aber unser Produkt stammt komplett aus der Region, und wir haben die Mischung speziell entwickelt, das macht schon einen Unterschied“, ist Marx überzeugt.

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Die Erde mischen die Nachbarn in einem Betonmischer im Garten der Fischers. Danach muss sie einige Wochen unter einer Plane lagern. Noch nutzen beide Familien die Erde nur privat. Doch schon bald wollen sie sie auch verkaufen. „Wir planen ein System mit Pfandeimern. Der Liter Erde soll zwischen 50 und 70 Cent kosten und kann bei uns abgeholt oder bei großen Mengen von uns geliefert werden“, erklärt Mike Fischer. Ab August soll der Verkauf losgehen. Vorbestellungen sind per E-Mail oder unter 0 22 52/46 62 möglich.

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