In „Habecks Schwitzkasten“Wie ein Lövenicher Heizungsbauer die aktuelle Berliner Politik erlebt

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Sanitärinstallateur Michael Genger sitzt in seinem Auto.

Ist in diesen Tagen viel unterwegs: Sanitärinstallateur Michael Genger aus Lövenich.

In dieser Serie widmen wir uns den Fragen, wie die Akteure im Kreis das Vorgehen bewerten und welche Ratschläge sie geben.

Aus dem Kopfschütteln kommt Michael Genger kaum noch raus. Was da alles in Berlin geplant werde, sei „ein Unding“, sagt der Installateur und Heizungsbauer. Er ist Inhaber einer kleinen Firma im Zülpicher Ortsteil Lövenich. Michael Genger ist keiner, der sich undifferenziert am weit verbreiteten „Hau den Habeck“ beteiligt.

Sauer ist er schon, aber er bleibt sachlich. „Im Prinzip wurde das seit 30 Jahren verschlafen, nicht nur zu Merkel-Zeiten, Schröder war ja dicke mit Putin“, sagt der Lövenicher, der sich als „klassischer CDU-Wähler, aber auch grün angehaucht“ beschreibt.

„Ich kann Habeck sogar verstehen, dass er Fristen setzen muss.“ Doch die seien das Problem, so der Handwerksmeister. „Was sollen wir denn einbauen ab 2024?“ Wärmepumpen? Da ist es wieder, das Kopfschütteln. Erst vor wenigen Tagen habe er zwei Geräte bei seiner Lieferfirma bestellt. „Dezember“ habe der Außendienstler gesagt: „Und zwar 2024.“ Klar, die Produktion werde hochgefahren, vielleicht dauere es dann „nur“ ein Jahr statt eineinhalb. 2024 sei nicht mehr lange hin.

Fragen zu Kosten und Finanzierung von Umbau und Wärmepumpen

Und dann sollen nach und nach Gas und Öl als Wärmeträger aus den Gebäuden verschwinden. „Aber zu welchem Preis?“, fragt Genger: „Bei einer Gasanlage mit Warmwasser reden wir bei einem Einfamilienhaus von 10.000 bis 12.000 Euro, bei einer Wärmepumpenanlage, wenn ich noch vergrößerte Heizkörper einbaue, von 40.000 bis 45.000 Euro. Das ist schon ein Unterschied.“ Auch die am Freitag in Berlin verkündete Übergangszeit überzeugt ihn nicht:

Erst eine Gastherme einbauen, dann innerhalb von drei Jahren die Nachrüstung, um zu 65 Prozent Erneuerbare nutzen zu können, treibe die Kosten noch höher, so Genger. „Und das Kleingedruckte kennen wir immer noch nicht.“ Wie hoch wird was bezuschusst? „Habeck sagt zwar, dass niemand im Regen stehen gelassen werde, aber wenn das so kompliziert ist, wie es teilweise bei den Fluthilfeanträgen ist, wird das grenzwertig.“

Im Schwitzkasten von Habeck

Er wolle auch raus aus den Fossilen, stellt der 59-Jährige klar: „Aber doch nicht mit der Brechstange!“ Der Bund selbst habe seine Pflicht nicht erfüllt, sonst gäbe es ja 70 oder 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien. „Aber dem Hausbesitzer wird aufgebürdet, sich innerhalb kurzer Zeit für das eine oder das andere zu entscheiden.“ Wäre das vor zwei Jahren bekannt gewesen, hätten sich alle darauf einstellen können:

die Hersteller, die Heizungsbauer, die Rentnerinnen und Rentner in ihrem alten Häuschen. „Wir stecken da im Schwitzkasten vom Habeck“, resümiert Genger. Er erinnert sich noch gut an die ältere Dame, der er vor ein paar Jahren einen neuen Boiler eingebaut habe – für 2500 Euro. Einen Kredit habe sie nicht bekommen: Sie zu alt, ihre Rente zu schmal. Mit monatlich 150 Euro habe sie den Betrag abgestottert. Aktuell gehe es aber schnell mal um den zehnfachen Betrag, gibt Genger zu bedenken.

Wir wollen auch raus aus den Fossilen. Aber doch nicht mit der Brechstange!
Michael Genger Heizungsbauer

Man könne die Brennwertgeräte mit anderen Trägern kombinieren, um die 65-Prozent-Marke zu erreichen – oder mit Solar auf dem Dach: „Ist nur die Frage, ob das auf dem Fachwerkhäuschen mit Schüttels-pannen überhaupt zu verbauen ist.“ Dass Über-80-Jährige wohl befreit werden, helfe nur wenig. Als ob 78- oder 79-Jährige leichter Geld aufnehmen könnten! Mutmaßlich handele es sich gar um Altersdiskriminierung. Doch selbst wenn alles sozialverträglich geregelt werde und die Industrie die Wärmepumpen nur so raushauen würde – wer, bitte schön, solle die alle einbauen.

An den vorhandenen Mitarbeitern scheitere es nicht, sagt er. „Die Funktion einer Wärmepumpe ist umgekehrt wie beim Kühlschrank, da muss man nicht schwer studiert für haben. Doch für eine Wärmepumpe mit Warmwasser und Elektrover-drahtung brauche ich vier bis fünf Tage mit zwei Mann, bei einer Gasanlage zwei Tage mit zwei Mann“, sagt er und verweist auf den Fachkräftemangel. Neben zwei Frauen in der Verwaltung arbeiten in seiner Firma vier Gesellen, vier Azubis und er als Meister.

Fachkräftemangel und zu hohe Auftragslage

Bei der jetzigen Auftragslage könne er gut und gerne vier oder fünf Mitarbeiter mehr beschäftigen. Doch die fänden sich nicht so leicht, und das hat Konsequenzen: „Seit dem 14. Juli 2021 nehmen wir keine neuen Kunden mehr an.“ Auch wenn es nicht einfach sei, wenn die Leute ratlos am Telefon fragten: „Wen sollen wir denn noch anrufen?“ Das Datum ist natürlich kein Zufall: „Wir Handwerker laufen ja noch von der Flut her auf der letzten Rille.“ Heute noch tausche er Geräte aus Heizungskellern aus, in denen das Wasser gestanden habe.

„Dieser Tage haben wir noch einen reparieren können“, erzählt der 59-Jährige. Der Stress der vergangenen eineinhalb Jahre, die unzähligen Wochenendeinsätze zehrten auch an der Gesundheit. So wie Genger sähen es die meisten oder gar alle in den 80 Sanitär- und Heizungsbetrieben im Kreis Euskirchen, erklärt Oberinnungsmeister Thomas Rendenbach: „Die Stimmung ist angespannt. Die Bundesregierung setzt Ziele, aber wir sollen sie umsetzen. “ Zwar liege bisher nur der erste Referentenentwurf vor, doch viel ändern werde sich wohl nicht mehr daran.

„Die ziehen das durch“, denkt auch Michael Genger. Und prophezeit, dass die ohnehin hohen Belastungen nicht weniger werden. Zurzeit stünden vorrangig Wartungen auf den Tagesplänen, doch Anfang Mai beginne die klassische Zeit der Anlagenwechsel: „Dann kriegen wir kein Bein mehr auf den Boden“, sagt Genger. Auch das werde durch die Pläne der Bundesregierung verschärft, wenn auch anders als gedacht. „Viele wollen sich jetzt noch schnell eine neue Gastherme einbauen lassen“, berichtet der Lövenicher: „Vor allem über 60-Jährige, die nicht mehr groß investieren wollen.“


Die Serie

Öl- und Gasheizungen können zwar auch nach dem 1. Januar 2024 weiterbetrieben und sogar repariert werden. Generell aber gilt: Nach dem Stichtag eingebaute Anlagen müssen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Sollte im Havariefall keine Wärmepumpe lieferbar sein, können erneut Öl- oder Gasbrenner eingebaut werden, sie müssen aber innerhalb von drei Jahren nachgerüstet werden, um die 65-Prozent-Vorgabe zu erfüllen.

Für über 80-Jährige entfällt die Pflicht zum Umstellen auf Erneuerbare. Wird das Haus vererbt oder verkauft, greift das neue Recht mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren. Härtefallregelungen gibt es zudem für einkommensschwache Haushalte. In dieser Serie widmen wir uns den Fragen, wie die Akteure im Kreis das Vorgehen bewerten, welche Ratschläge sie geben und wer die Energiewende schultern soll. (sch)

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