Heimat-Check in LeichlingenWitzhelden ist irgendwie anders

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Der Blick von Witzhelden auf Köln

Leichlingen-Witzhelden – Man beobachtet sich, macht Witze übereinander, man wahrt Abstand, argwöhnt, konkurriert und bekämpft sich – aber insgeheim mag man sich, ist manchmal neidisch auf den anderen und kultiviert seine Abneigung, weil das Spaß macht. Die Rede ist nicht von Köln und Düsseldorf. Eine solche gepflegte Hassliebe existiert auch zwischen Leichlingen und Witzhelden. Und wann dieses Drama begann, ist genau datierbar: Das war 1975, im Jahr der kommunalen Neuordnung. Damals verlor die stolze Gemeinde Witzhelden ihre Selbstständigkeit und wurde nach Leichlingen eingemeindet.

Viele Heimatpatrioten haben diese Schmach bis heute nicht verkraftet und wettern auch ein halbes Jahrhundert später noch gegen die Besatzer – der Groll scheint in den Genen zu stecken und sich zu vererben. Denn die Sticheleien hören nicht auf. Der frühere Leichlinger Baudezernent Helfferich Preuschen bekam sie besonders zu spüren und bekannte (scherzhaft) einmal seine Angst, an der historischen Grenzlinie in Metzholz von aufständischen Einheimischen mit Mistgabeln empfangen zu werden. Später, nach Abschluss der gelungenen Dorfkernsanierung, bekam er von den Witzheldenern aber zum Dank eine goldene Mistgabel überreicht.

Die Mentalität ist eine andere

Unten im Tal die Hauptstadtzentrale – oben das gallische Dorf, das Widerstand gegen jede Bevormundung leistet. Das ist die Ausgangslage. Und sie manifestiert sich nicht nur auf der Landkarte, die zwei getrennte Siedlungsschwerpunkte zeigt, die nie zusammenwachsen werden. Die Uhren ticken langsamer im ländlichen Raum. Die Menschen halten zusammen und beharrlich an Traditionen fest, sind bodenständiger und fordern trotzig Minderheitenschutz ein.

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Die Mentalität ist eine andere. Das spürte jüngst auch das ortsfremde Kölner Stadtplanungsbüro sofort, als es den Auftrag bekam, ein modernes Leitbild für die Blütenstadt zu entwerfen. Die Diskrepanz zwischen den 1975 Zwangsverheiraten fand sogar Eingang in das amtliche Schlussprotokoll. Dort heißt es: „Die Zentren Leichlingen Innenstadt und Witzhelden stellen jeweils eine eigene Projektionsfläche für eine lokale Identifikation dar.

Der zweigeteilte frühere Rittersitz Bechhausen, eine Keimzelle Witzheldens.

Der zweigeteilte frühere Rittersitz Bechhausen, eine Keimzelle Witzheldens.

Häufig können sich Bürgerinnen und Bürger nur mit einem Teil der Stadt Leichlingen identifizieren.“ Die Experten nahmen den Wettstreit um die Schönste im Land auf und unterschieden im Leitbild den „rheinischen Charme“ des Wupperstädtchens vom „bergischen Flair“ des Höhendorfs – und drücken die Hoffnung aus, dass irgendwann doch noch ein „Wir-Gefühl“ entstehen möge.

Witzhelden bekam ein eigenes integriertes Handlungskonzept

Tatsächlich bestehen die Witzheldener auf Sonderrechten. Sie haben der Stadtverwaltung eine Außenstelle des Bürgerbüros abgetrotzt und verteidigen diesen Luxus bis aufs Messer. Sie verfügen über einen Bezirksausschuss, der sich oft geriert wie ein Dorfparlament, obwohl er bei Lichte betrachtet entbehrlich wäre und solche Bezirksvertretungen eigentlich auch nur in Großstädten vorgesehen sind.

Lokalpatriotismus stand auch Pate bei der Gründung einer neuen politischen Gruppierung, der Bürgerliste, die prompt in den Stadtrat einzog und dort die Fahne Witzheldens hochhält. Als Leichlingen ein Integriertes Handlungskonzept zur Stadtentwicklung einleitete, forderte Witzhelden für sich auch eines – und bekam es. Wenn in der Balker Aue der Obstmarkt abgehalten wird, feiern die Witzheldener tolldreist ihr Erntedankfest, aus dessen Umzug heraus massenhaft Giftpfeile Richtung Leichlingen abgeschossen werden.

So richtig übel nehmen ihnen das Stadtbewohner nicht. Denn sie wissen, welche Perle sie mit Witzhelden haben. Der Dorfkern steht mit seinen schönen Fachwerkhäusern und der evangelischen Kirche komplett unter Denkmalschutz. Er ist eine Augenweide. Der Komponist Johann Wilhelm Wilms (1772-1847), der eine niederländische Nationalhymne schrieb, und der Obstbaupionier Carl Hesselmann (1830-1902), der den Kaiser-Wilhelm-Apfel erfand, sind berühmte Söhne Witzheldens. Der Sengbach-Talsperrenlauf ist die bekannteste Sportveranstaltung der Stadt.

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