JVAVollzug will Salafisten bekämpfen – rund 3500 Muslime in NRW-Gefängnissen

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Die Islamwissenschaftler Luay Radhan und Mustafa Doymus haben ihren Dienstsitz in der JVA Remscheid.

Die Islamwissenschaftler Luay Radhan und Mustafa Doymus haben ihren Dienstsitz in der JVA Remscheid.

Düsseldorf – Ali E. richtet seinen Gebetsteppich fünfmal am Tag nach Mekka aus. Mekka, so erklärt der Syrer, liege zwischen Spind und Zellentür. Seine Gebete hält der Mann mit dem Bart in der Abteilung C des alten Hafthauses in der Justizvollzugsanstalt Remscheid ab.

Ali E. verbüßt eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen Diebstahls und Raub. Am Dienstag sorgt ein Pressetermin für Abwechslung in seinem Gefängnisalltag.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ist in die JVA im Bergischen Land gekommen, um sein Präventionsprogramm zur „Deradikalisierung im Justizvollzug“ vorzustellen.

Ali E. gehört zu den Gefangenen, die neuerdings einmal in der Woche an einem „muslimischen Gesprächskreis“ teilnehmen. Freitags um 18 Uhr treffen sich interessierte Häftlinge, um im Vorraum der Gefängniskirche und über ihren Glauben zu diskutieren.

Das Konzept für das moderierte Gesprächsangebot stammt aus der Feder von Mustafa Doymus und Luay Radhan. Die beiden Islamwissenschaftler arbeiten seit 2015 für das NRW-Justizministerium. Die Runde dient der Seelsorge – und kann ein Radar sein, um extremistische Einstellungen aufzuspüren.

Von den 16 000 Gefangenen, die in den NRW-Haftanstalten einsitzen, sind rund 3500 muslimischen Glaubens. Bislang habe sich hinter Gittern noch kein Häftling selbst radikalisiert, behauptetet Justizminister Kutschaty. Radikales Gedankengut dürfe in den JVAs keine Chance haben.

Wenn man sich die Biografien der Anführer religiöser Terrororganisationen ansehe, falle auf, dass viele eine Zeit im Gefängnis verbracht hätten. Die Attentäter auf die Redaktion „Charlie Hebdo“ hätten gemeinsam mit anderen gewaltbereiten Salafisten hinter Gittern gesessen und sich dort in ihrem Fanatismus gegenseitig bestärkt.

Der türkischstämmige Mustafa Doymus und Luay Radhan, der Arabisch und Französisch spricht, sollen nun ein „Kompetenzzentrum“ mitaufbauen, das Radikalisierungstendenzen im Strafvollzug aufspüren und bekämpfen soll. Dazu gehört zunächst die Schulung der JVA-Bediensteten in den 36 Haftanstalten von NRW. „Wir sensibilisieren die Mitarbeiter für auffällige Verhaltausweisen“, sagt Doymus. „Ein Warnsignal ist, wenn muslimische Häftlinge plötzlich den Kontakt zu Andersgläubigen ablehnen und den Fernseher aus ihrer Zelle verbannen.“ Mache zeigten auch offen Sympathie für die Anschläge des IS oder verwendeten die Symbole der Terrororganisation.

„Es gibt eine Anzahl von muslimischen Gefangenen, die wir genau im Blick behalten“, erklärt Radhan. Dazu zählen auch die 42 Häftlinge, die bereits wegen der Vorbereitung von Terroranschlägen verurteilt wurden.

Die Zahl der Gefangenen aus arabischen Ländern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Ein Teil hat keine Perspektive in unserem Land“, sagte Minister Kutschaty. Wir dürfen sie nicht den Radikalen überlassen. Zugleich machen wir ihnen aber auch unsere Hausordnung deutlich.“

Das Kompetenzzentrum Justiz und Islam wird zunächst mit acht Stellen ausgestattet und kostet pro Jahr rund 475 000 Euro. Insgesamt sollen für die Verbesserung der Integration ausländischer Inhaftierter in den Vollzugsalltag rund 7,3 Millionen Euro ausgegeben werden.

Darin sind auch die Kosten für die Anschaffung von Fingerabdruckscannern enthalten. Bislang ist es im Strafvollzug von NRW immer noch möglich, das fremde Personen für die eigentlich Verurteilten die Strafe absitzen können.

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