Kliniken am Limit: Energiekosten und weiter Corona

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Düsseldorf – Drastisch steigende Energiekosten, Inflation und eine dauerhaft hohe Zahl an Corona-Patienten setzen die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen unter wirtschaftlichen Druck. „Die Welle ist aus unserer Sicht nie abgeebbt”, sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, Ingo Morell, am Freitag in Düsseldorf mit Blick auf die Corona-Lage. Die in den Vorjahren beobachtete „Sommerdelle” bei den Infektionen sei ausgeblieben. Hinzu kämen Personalausfälle infolge von Quarantäne oder Ansteckungen, so dass immer wieder Stationen geschlossen werden müssten. Die rund 340 Krankenhäuser in NRW seien von einem Normalbetrieb „weit entfernt”.

In der Spitze wurden im Juli in den NRW-Kliniken nach Angaben Morells mehr als 4500 Corona-Patientinnen und -Patienten stationär versorgt. Das sei im Vergleich zu den Juli-Monaten der beiden Vorjahre das Zwanzigfache gewesen.

377 Corona-Patienten lagen Ende Juli in NRW auf Intensivstationen, von ihnen wurden mehr als 150 beatmet. Zum Vergleich: Ende Juli 2021 wurden 77 Corona-Patienten intensiv behandelt und 55 von ihnen beatmet. Viele Klinikangestellte seien nach den vergangenen zweieinhalb Corona-Jahren „physisch und psychisch am Limit”, sagte Morell.

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Mit Zusatzkosten für die NRW-Kliniken von bis zu einer Milliarde Euro rechnet die Krankenhausgesellschaft bei den auch infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stark gestiegenen Preisen für Energie und Strom. Bei den Preisen für Lebensmittel, medizinische Güter und Dienstleistungen schlage die Inflation voll durch.

Morell rechnete die Zusatzkosten am Beispiel einzelner Klinken vor: So kletterten die Energiekosten bei der Elisabeth-Gruppe - Katholische Kliniken Rhein Ruhr von knapp 5,2 Millionen Euro 2021 auf 18,2 Millionen Euro 2023. Beim kommunalen Klinikum Oberberg im Oberbergischen Kreis sprängen die Gesamtkosten für Gas und Strom von rund 950.000 Euro auf 8,3 Millionen Euro. Rund 95 Prozent der Krankenhäuser seien auf Erdgas angewiesen.

Morell bekräftigte die Forderung der Deutschen Krankenhausgesellschaft nach einem sofortigen Inflationsausgleich für die Kliniken. Er kritisierte, dass der Aufschlag für die Behandlung von Corona-Patienten und Ausgleichszahlungen gestrichen worden seien. Für Kostensteigerungen im kommenden Jahr forderte er Lösungen von der Bundesregierung. Andernfalls drohten Insolvenzen, Wartelisten und überfüllte Notaufnahmen. Klar sei aber, dass auch die Kliniken sparen müssten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Donnerstag ein Hilfspaket für die Kliniken wegen der stark gestiegenen Betriebskosten angekündigt. Dafür sollten in den nächsten Wochen konkrete Vorschläge vorgelegt und mit den Ländern beschlossen werden.

An der beschlossenen Krankenhausreform in NRW will die Krankenhausgesellschaft nicht rütteln. Der wirtschaftliche Druck werde bleiben. „Das Land muss diese Krankenhausplanung zum Erfolg bringen”, sagte Morell. Denn es würden andere Strukturen gebraucht. Die Kliniken in NRW sollen sich laut Krankenhausplan künftig auf bestimmte Leistungen konzentrieren und nicht mehr alles anbieten.

Die oppositionelle SPD-Landtagsfraktion forderte von der schwarz-grünen Landesregierung ein Investitionsprogramm in Höhe von drei Milliarden Euro, um die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen. Für beste Gesundheitsversorgung sei gerade in der aktuellen Lage eine Kraftanstrengung auf allen Ebenen gefragt, so der gesundheitspolitische Sprecher Thorsten Klute.

Die frühere schwarz-gelbe Landesregierung hat von 2017 bis 2022 insgesamt 5,2 Milliarden Euro Investitionsmittel für die Krankenhäuser in NRW auf den Weg gebracht. Dazu kommen mehr als eine Milliarde Euro an zusätzlichen Bundesmitteln. Im Koalitionsvertrag haben die CDU und ihr jetziger Grünen-Regierungspartner vereinbart, in den kommenden fünf Jahren „erhebliche finanzielle Anstrengungen” für die Krankenhäuser zu unternehmen.

© dpa-infocom, dpa:220909-99-693631/3 (dpa/lnw)

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