Burscheider Händlerin über Krise„Von verkürzten Öffnungszeiten halte ich überhaupt nichts“

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Ute Hentschel steht hinter Büchertischen in ihrer Buchhandlung in Burscheid

Ute Hentschel in ihrer Buchhandlung in Burscheid.

Gehen in Burscheid die Lichter aus? Wie es den Burscheider Händlerinnen und Händlern aktuell geht und warum die Radrampe trotz Kritik eine gute Idee war, erklärt Ute Hentschel aus dem Vorstand der Werbegemeinschaft.

Die Stimmung sei aktuell „durchwachsen“, kein Wunder bei den Hiobsbotschaften dieser Tage. Das Rezept, um dagegen anzukämpfen? „Man muss den Leuten ein gutes Angebot machen. Ich gucke immer, dass bei uns etwas los ist“, sagt Ute Hentschel, die die Buchhandlung in der Hauptstraße betreibt. Es gehe nicht nur „um Tür auf und Tür zu“, man brauche ein Programm drumherum. Mit Aktionen die Kundschaft anziehen, wie letztens beim Martinspark, und mit langen Öffnungszeiten will sie gegen die Krise ankämpfen. Dass das bei vielen Kollegen auch an fehlendem Personal scheitert, erkennt sie an. Und dennoch: Von der aktuellen Debatte um verkürzte Ladenöffnungszeiten hält sie „überhaupt nichts“.

Restaurant-Tafel vor einer Gaststätte in der Burscheider Innenstadt.

Innenstadt Burscheid: Wie geht es den Händlern in diesen Krisenzeiten?

Wenig kann sie auch abgeschalteter Straßenbeleuchtung abgewinnen, wie sie nicht nur der Burscheider Stadtrat jüngst beschlossen hat: „Die Innenstädte müssen abends doch beleuchtet sein, um keine Angsträume zu schaffen“, betont Hentschel. Die Debatte sei „absurd“ – und „typisch deutsch“.

Schaufenster einer Burscheider Modeboutique mit Waren vor dem Eingang.

Die Stoffzaubermaus lockt Kundschaft an.

Allerdings werden auch die Burscheider Händlerinnen und Händler der Energiekrise Tribut zollen müssen. Dennoch: Die neue Weihnachtsbeleuchtung, die endlich angeschafft worden sei für 25.000 Euro – Stadt und Werbegemeinschaft teilen sich die Kosten –, soll in diesem Jahr aufgehängt werden, bestätigt Hentschel. „Die Leuchtdauer hätten wir sowieso eingeschränkt“, sagt die 57-Jährige und weist darauf hin, dass die Lichter, die an den Titel Musikstadt Burscheid angelehnt sind, komplett aus LEDs bestehen. Der Strom für die Beleuchtung koste nur einen Euro am Tag, rechnet Ute Hentschel vor.

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Innenstädte in Deutschland: Richtung Dienstleistung

Wie sich die Innenstädte in Zukunft entwickeln werden? „Es wird Richtung Dienstleistung gehen“, glaubt die Buchhändlerin. In der Kirchenkurve hat sich ein Hospizverein niedergelassen. Hentschel glaubt, dass genauso gut Vereine und Institutionen die Zentren bevölkern können wie der klassische Einzelhandel.

In den 60er-Jahren habe es geheißen: Alle raus aus den Innenstädten und große Ketten rein, jetzt müssten sich die Innenstädte wieder ändern. Vielleicht werde demnächst auch wieder mehr zentrumsnah gewohnt. Burscheid sei da in einer anderen Lage als das benachbarte Leverkusen, das gerade mit einer drohenden Pleite von Galeria Karstadt Kaufhof kämpft. „Wir kennen unsere Kunden gut, es ziehen viele junge Familien hierher.“ Allerdings gebe es durchaus ein Problem mit hohen Mieten.

Das leerstehende frühere Uhrengeschäft in der Burscheider Hauptstraße

Zwei Geschäfte stehen aktuell in der Hauptstraße leer.

Ute Hentschel, die auch bei den Grünen aktiv ist, zeigt auf das alte Optiker- und Uhrengeschäft, dessen Betreiberin vergangenes Jahr in Ruhestand gegangen sei. Das Geschäft sei verkauft, nun suche man nach einem Mieter, hat sie erfahren. Da würde eine Miete von 1600 Euro aufgerufen, die Hälfte fände sie angemessen. Viele Leerstände habe man hier in Burscheid nicht. Der zweite leere Laden ist direkt neben ihrer Buchhandlung: Die Parfümerie Becker ist nach Wermelskirchen umgezogen. Das Geschäft müsse zwar renoviert werden, aber das Lokal sei doch von der Lage her „ein Sahnestück“, vor allem, wenn das Quartier in der Montanusstraße erst einmal fertig ist.

Schaufenster der leeren Filiale der weggezogenen Parfümerie Becker in Burscheid.

Auch die Parfümerie hat zugemacht beziehungsweise ist umgezogen: nach Wermelskirchen.

Die im Sommer fertiggestellte Radrampe ist gleich nebenan. Erst kürzlich ist das Projekt im Schwarzbuch Steuerzahler aufgetaucht. Die Jury nennt sie einen „teuren Köder für Radtouristen“ und findet, dass das Geld sinnvoller ausgegeben werden könne als für die zusätzlich geplante Aussichtsplattform, „für die es bislang weder ein Nutzungskonzept noch Interessenten gibt, die diese gastronomisch nutzen wollen“. Ute Hentschel  hält vehement dagegen: „Diese Rampe hat Kundschaft in die Innenstadt gelockt.“ Die Aussichtsplattform würde sie sich auch noch wünschen, auch wenn sie sie aktuell für unwahrscheinlich hält: Es gehe um mehr Aufenthaltsqualität.

Leuchtturmgeschäfte ziehen an und werden überleben

Was in Burscheids Innenstadt grundsätzlich fehlt? Ein Schreibwaren- und Bastelgeschäft, seufzt die 57-Jährige, aber das letzte habe wohl nicht umsonst geschlossen. Als „Leuchtturmgeschäfte“ sieht sie Läden wie Planet B, Lieblingsladen, die Stoffzaubermaus und Liebevoll, das seien Läden mit innovativen Konzepten, „die werden überleben“, ist sich die Händlerin sicher.

Um ihre eigene Buchhandlung und das nahende Weihnachtsgeschäft macht sie sich keine Sorgen: „Ich habe gekauft wie verrückt, auch viel Spielzeug und Deko.“ So viel, dass es sogar für nächstes Jahr reiche, schmunzelt sie.

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