In Burscheider ZiegeleienWanderarbeiter schufteten 14 Stunden

Die Burscheider Ziegelei um 1940: Ein Jahr später brannte die Fabrik ab.
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Burscheid – Die Buchstaben B D Z sind auf der Rückseite des Ziegelsteins eingebrannt, den Grete Klippert in ihrem Wintergarten hütet.
Die Initialen erinnern an die Burscheider Dampf-Ziegelei, in der der Backstein einst geformt worden ist.
Auf Spurensuche in die Vergangenheit
Und sie erinnern Grete Klippert an ihren Vater Heinrich Rehmhaus, der Ziegel- und Sprengmeister in der Fabrik war. Auf 100 Jahre altem Briefpapier und Fotos, die die Hobbyhistorikerin hütet, sind die gigantischen Anlagen der Ziegel- und Klinkerwerke in Hilgen und Burscheid zu sehen.
Dieses spannende Kapitel der örtlichen Wirtschaftsgeschichte wird am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 8. September, aufgeblättert.
Seit sechs Jahren nimmt das Kulturbüro des Rheinisch-Bergischen Kreises den bundesweiten Aktionstag zum Anlass, bei der „Expedition Heimat“ in allen acht GL-Kommunen auf Spurensuche in die Vergangenheit zu gehen.
Unter wechselnden Mottos werden Ausflüge in die Geschichte angeboten. 2013 steht in Leichlingen die Wasserkraft der Wupper im Mittelpunkt (siehe „Führung durch den Wipperkotten“). In Burscheid ist es – unter dem Titel „Korallen, Kalk und Kumpel“ – die untergegangene Ziegelindustrie.
Und da Grete Klippert, die frühere Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, deren Geschichte mit am besten kennt, stellten Kreis-Kulturreferentin Susanne Bonenkamp und ihre Mitarbeiterin, die Historikerin Gabriele Emrich, das Programm des Tages gestern auch an Klipperts Wohnzimmertisch vor.
Die Burscheider Ziegelei ist 1886 begründet worden. 1912 wurde sie mit dem Hilgener Werk vereint, das seit 1898 existierte. Beide standen auf einer zusammenhängenden Tongrube.
Das heutige Naturschutzgebiet Ziegeleier Loch an der Stadtgrenze zu Wermelskirchen zeugt vom Abbau des einst begehrten Naturmaterials.
30 Millionen Steine jährlich
Es wurde zu besonders druck-, säure- und wetterfesten Tonschiefersteinen gebrannt. Die fünf riesigen Schornsteine der Brennöfen, in denen Anfang des 20. Jahrhunderts jährlich 30 Millionen Steine für Häuser, Straßen, Kanäle, Kamine, Bahnhöfe und Fabriken gefertigt wurden, prägten das Stadtbild Burscheids.
Bis die Burscheider Ziegelei 1941 bei einem Großbrand vernichtet wurde. Hartnäckig hielten sich in der Stadt Gerüchte, dass hinter der im Maschinenhaus ausgebrochenen Feuersbrunst Sabotage steckte. Wie auch immer: Das Goetzewerk nutzte die Katastrophe, um sein Betriebsgelände auf günstig am Bahnhof gelegenes Terrain zu erweitern. Heute steht auf den Ruinen der Ziegelindustrie Werk II von Federal-Mogul.
Grete Klippert blickt von der Griesberger Straße aus auf diesen Schauplatz. In ihrem Geburtshaus war früher die Werkswohnung ihres 1964 gestorbenen Vaters Heinrich Rehmhaus. Der kam 1909 aus dem Lipperland zum Arbeiten nach Burscheid.
Somit gehörte er zum Strom der „Wanderziegler“. Während Rehmhaus bald festangestellt und sesshaft wurde, sind ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Scharen von Gastarbeitern aus dem Lippischen von März bis November bis ins Rheinland gezogen, um ihre Familien daheim ernähren zu können.
12 bis 14 Stunden im Akkord geschuftet
Auch die Hilgener und Burscheider Ziegelei ist von diesen Männern aus dem Raum Lage/Detmold betrieben worden. „Sie galten als absolute Spezialisten für Mischungen und Brennverfahren. Und sie haben 12 bis 14 Stunden im Akkord geschuftet“, berichtet Bonenkamp. Gabriele Emrich hat im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Köln für die „Expedition“ nach den Arbeitern geforscht.
Die Geographin Silke Junick aus Much wird am Denkmal-Sonntag mit interessierten Bürgern eine Wanderung zu den Spuren der Tongruben unternehmen (siehe „Kulturscheune Dierath“). Die Führung soll etwa 1,5 Stunden dauern.
Als Referenten für den bebilderten Vortrag über die Burscheider Ziegelei konnte Bonenkamp in Andreas Immenkamp vom Ziegeleimuseum in Lage einen ausgewiesenen Fachmann des Metiers gewinnen.
Anmeldungen für die Führung ab Dierath sind unter der Rufnummer 02174 / 41 99 50 beim I-Punkt in Altenberg erforderlich.