Jugend-Kultursommer in BurscheidBowie und die Blaumänner in der Kirchenkurve

Die „Queen mades“ aus dem Megafon eröffneten das Jugendkulturfestival in der Kirchenkurve mit Hip-Hop-Dance.
Copyright: Ralf Krieger
Burscheid – Sommerlich war es klimatisch zwar nicht – das Wetter schaffte mit Mühe 17 Grad und pustete frischen Wind durch die Kirchenkurve. Der „Kultursommer 2021“ dauert in Burscheid aber noch an: Das kleine Jugendkulturfestival der gleichnamigen kreisweiten Reihe ging als Open-Air-Veranstaltung über die aufgebaute Bühne.
Und dabei erwies sich der ringsum mit Gittern gegen den Autoverkehr abgesperrte Platz der Hauptstraße einmal mehr als ideale Freiluftarena. Mit der Kulisse aus Fachwerkhäusern, Sitzmäuerchen und dem erhöhten Vorplatz der evangelischen Kirche bildet er eine schmucke Location.

Mit und ohne Behinderung kann man in der 2013 gegründeten Theatergruppe „All Inklusive GL“ mitmachen. Sie führte Szenen aus dem Götter-Olymp und einen Gebärdentanz zu Bowies „Heroes“ auf.
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„Bühne frei für die Jugend!“ lautete die Parole für das zweieinhalbstündige Programm mit Tanz, Theater und Musik bei freiem Eintritt, dem am Ende allerdings leider die Luft, nämlich das Publikum ausging, weil das Finale aus dem Rahmen fiel.
Hip-Hop aus dem Megafon
Aber der Reihe nach: Mit frenetischem Beifall begrüßten die mitgekommenen Freunde, Familien und Fans am Nachmittag die heimischen Tanz- und Theatergruppen. Dirk Gläßner, der Burscheider Frontmann der Countryband „Mavericks“, vermochte es als Moderator, Stimmung zu machen. Er führte charmant und locker mit Interviews durchs Programm. So machte er es den „Queen mades“ aus dem Jugendzentrum Megafon leicht, das Eis zu brechen. Die sieben Mädels tanzen zu Hip-Hop und Modern Dance und trauten sich auch eine Nummer zum Hit von „Mamacita“ von Ozuna und den Black Eyed Peas, die sie erst am Abend zuvor zwei Stunden lang einstudiert hatten.
Tausendsassa Giovanna Lombardo
Die kesse Truppe wird (ab November mittwochs ab 16 Uhr im Megafon in zwei Gruppen von neun bis 13 und von 14 bis 21 Jahren) von Giovanna Lombardo und Yasmin Karl trainiert. Und kann Verstärkung vertragen, nachdem in der Corona-Pause Mitglieder abgesprungen sind: „Wir brauchen Mädels und auch Jungs – wo seid ihr?“ rief Lombardo ins Publikum. Ein paar junge Zuschauerinnen signalisierten Interesse. Lombardo, die ehrenamtlich auch sozial, politisch und sportlich engagiert ist und mittlerweile sechs Romane geschrieben hat, nutzte die Bühne auch, um zu den Cheerleadern einzuladen – die „RBS Allstars“ trainiert die Tausendsassa (Gläßner: „Du machst ja alles!?“) ebenfalls.
Film statt Theater im Megafon
Andere wollen bei den Film- und Theaterprojekten im Megafon vorbeischauen, für die Lombardo und Jugendzentrums-Leiter Marc Munz warben: „Jeder der Lust hat, zu schauspielern oder vor oder hinter der Kamera zu stehen, ist willkommen“, lud Munz zu den Treffen freitags ab 17 Uhr ein. Eigentlich sollte das Megafon-Ensemble beim Festival am Samstag auch sein Stück „Plopptopia“ aufführen. Die Premiere ist wegen der unter Corona erschwerten Proben-Bedingungen jedoch nicht rechtzeitig fertig geworden, bedauerte Munz: „Theaterspiel über Bildschirme ist nicht so einfach...“ Aber die „tolle Geschichte“ von einem Alien unter Menschen soll jetzt vom hauseigenen Team „Mega Pol“ als Film gedreht werden, kündigte er an.
Aus den Musikschulen Burscheid und Wermelskirchen setzen sich die Percussion-Truppen „Die Schlagtabletten“ und die „Blaumann-Group“ zusammen. Die sieben lustigen Schlagzeuger trommelten unter Leitung von Dozent Jens Mayland in blauen Latzhosen auf Putzeimern, Blechdosen und Besenstielen mit Wonne Rhythmen und Rockhits. Geübt wird montags ab 16 Uhr im Haus der Kunst. „Das Alter ist egal – funktioniert immer“, animierte Maywald zum Mitmachen.
Inklusive Theatergruppe
Zwei Gastensembles bereicherten die Riege der Burscheider Eigengewächse. Die integrative Theatergruppe „All Inklusive GL“ aus Bergisch Gladbach führte Szenen ihres Stücks „Olympus muss fallen“ auf, in dessen griechische Götterwelt sie einen coolen Gebärdentanz zu David Bowies Song „Heroes“ eingebaut haben.
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Der künstlerisch anspruchsvollste Beitrag des Programms hatte es zum Schluss bei stark gelichteten Reihen schwer. Denn die Studiobühne Siegburg fand nicht das Publikum, das die Schauspielschüler verdient gehabt hätten. Für Jugendliche ab 14 Jahren angekündigt, blieb die Zielgruppe der Kirchenkurve fern. Ihr Stück „Woyzeck oder der Mangel an Alternativen“ basiert auf Georg Büchners Drama. Als Fragment ohnehin schon sperrig und sprachlich schwierig genug, stellte die Bühne die Tragödie um den Soldaten Franz Woyzeck auf den Kopf, indem sie die Reihenfolge der Szenen änderte und das Publikum auswählen ließ. Ein Nummerngirl rief die unter den Zuschauern verteilten Lose auf. Der an sich hübsche Regie-Einfall hatte aber zur Folge, dass die Handlung noch mehr zersplitterte.
Nichts für jüngere Kinder
Und für die Kinder im Publikum waren Mord-, Sauf- und Gewaltszenen, obwohl sie mimisch gekonnt umgesetzt wurden, ungeeignet. Deshalb zog eine Mutter mit ihrer Tochter auch empört von dannen. Die anderen, darunter neben der für die Burscheider Kultur zuständigen Amtsleiterin Renate Bergfelder-Weiss auch Kreiskulturreferentin Charlotte Loesch, spendeten den Schauspielern den verdienten Beifall. Dass ihr Woyzeck-Experiment an diesem Tag deplatziert war, dafür konnten sie nichts.