Juristisches GutachtenMit Max und Moritz kritisch ins Gericht gegangen

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Jurist Jörg-Michael Günther verfasste ein Gutachten über Max und Moritz aus strafrechtlicher Sicht.

  • Waren Max und Moritz kriminell? Ja, sagt Jurist Jörg-Michael Günther.
  • Das Gutachten betrachtet das Bilderbuch aus strafrechtlicher Sicht.
  • Bei Examensprüfungen werden die Streiche gerne vorgelegt.

Leichlingen – „Ritze-ratze! voller Tücke, in die Brücke eine Lücke.“ Es gibt Geschichten, die das Gehirn gut speichert, sogar manches geflügelte Wort daraus zieht: Der Lehrer Lämpel mit seiner Meerschaumpfeife, die Witwe Bolte und ihre Hühner, die Maikäfer im Bett von Onkel Fritz. Oder der Schneider Böck, der über die angesägte Brücke böse ins Wasser fällt.

Buschs Beststeller millionenfach verkauft

Millionenfach wurden die Streiche von Max und Moritz aus der Feder Wilhelm Buschs beim Zubettgehen vorgelesen. Die Bubengeschichte in sieben Streichen zählt zu den erfolgreichsten Kinderbüchern aller Zeiten, wirft aber auch Fragen auf.

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Im Satireblatt Simplicissimus wurde der Fall 1907 bebildert.

Etwa: Waren Max und Moritz kriminell? „Durchaus“, sagt der Leichlinger Jurist Jörg-Michael Günther. Zur Warnung von Eltern und Pädagogen hat er ein juristisches Gutachten über die Umtriebe zweier jugendlicher Straftäter geschrieben. 

Fachbuch steht in berühmten Bibliotheken

„Der Fall Max und Moritz” beschäftigte ihn bereits in der Examenszeit vor 30 Jahren. Sein fachlicher Bestseller wurde rund 60.000 Mal verkauft. Exemplare stehen in den Bibliotheken von Harvard, Standford oder beim Bundesgerichtshof. Nun hat er das Buch mit 666 Fußnoten komplett überarbeitet. Es ist im Eichbornverlag erschienen.

Streiche als Prüfungsthema

„Das war ein Jahr schwerer Arbeit. Dafür gingen viele Wochenenden drauf“, sagt er. Gar nicht wohl fühle er sich in der Kategorie Klamauk. Und diese Kategorie erfüllt das Buch auch nur marginal, wenn es jedoch immer wieder zum Schmunzeln bringt. Günthers Forschung ist fundiert, dient als Lehrbuch und seine Fallbeispiele sind auch schon immer wieder einmal Prüfungsthema. „Ein Jurastudent wird vielleicht nicht jede Straftat erkennen und Fehler machen. Mir tut das aufrichtig leid. Aber wenn man mein Buch gut durchliest, ist man für jede Prüfung im Strafrecht gut gerüstet.“

Britta Bannenberg, Professorin für Kriminologie in Gießen, schrieb ein Geleitwort. Sie forscht über Amoktaten und hat Titel wie „Erfolgreich gegen Gewalt an Kindergärten und Schulen“ herausgegeben. „Bei Max und Moritz haben wir es geradezu mit Lehrbuchbeispielen der Intensivtäter zu tun. Irgendwann jedoch werden sie geschnappt“, schreibt Bannenberg.

„Erwachsene sind viel, viel grausamer”

Und für Jörg Michael Günther steht fest: „Ein Jugendgericht hätte für Max und Moritz vielleicht frühzeitig etwas bewirken können. Aber das Schlimmste ist doch, dass die Erwachsenen hier am Schluss grausame Selbstjustiz begehen.

Ein ganzes Dorf applaudiert hier den Erwachsenen. Das ist der eigentliche Skandal, dass die Erwachsenen viel schlimmere Straftaten begehen.“

Günther schürfte tief. Sogar Untersuchungen des Jugendamtes in München bezog er ein, in denen spekuliert wird, dass möglicherweise die Mutter von Moritz in der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat, so dass gewisse Schäden bei Moritz eingetreten sein könnten. „Ich habe untersucht, dass das auf keinen Fall bewiesen werden kann und daher die Schuldfähigkeit von Max und Moritz keinem Zweifel unterliegt.“

Wilhelm Busch baute Autobiografisches ein

In sein hinreißend illustriertes Buch dürfte Wilhelm Busch Autobiografisches eingebaut haben. Günther recherchierte auch das. Wilhelm Busch zog 1841 als Neunjähriger nach Ebergötzen bei Göttingen zu seinem Onkel. Dort schloss er schon am Tag der Ankunft Freundschaft mit dem Sohn des Müllers. Er hieß Erich Bachmann und ähnelte von der Optik her dem späteren Max. „Mit dem Bachmann hat er später einige Streiche in der Jugend begangen“, weiß Günther. Grundsätzlich habe zwar auch er Sympathie für Streiche, erklärt der Jurist.

„Wenn es der Witwe Boltes größter Traum ist, vier Hühner zu halten, hat man natürlich ein gewisses Gefühl von Schadenfreude und ich glaube, dass macht den Charme der Geschichte aus.“ Aber herunterspielen mag er die Straftaten nicht, zumal sie im Verlauf des Buchs immer schwerer werden. So fangen die Episoden mit Witwe Bolte vergleichsweise harmlos an und enden in schweren Delikten. Der Sprengstoffanschlag mit der Pfeife sei ein Mordversuch an Lehrer Lämpel, sagt Günther.

An hohen Feiertagen ist der Film verboten

Bestätigt sieht er sich durch das Kultusministerium: Das Feiertagsgesetz verbietet die Ausstrahlung des Films „Max & Moritz“, zugelassen ab sechs Jahren, an hohen Feiertagen. „Max und Moritz entsprechen nicht dem ernsten Charakter eines strengen Feiertags.“

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