LeichlingenDach der katholischen Kirche wird ein Meisterstück des Schiefer-Handwerks

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Kirche Baptist Arbeiter

Vor allem auf der Südseite musste das Kirchendach in Handarbeit erneuert werden.

Leichlingen – Wenn im Turm von St. Johannes Baptist die Glocken läuten, sind Markus Punstein und seine Kollegen mit dem Ohr ganz nah dran. Aber das hält die Dachdecker-Crew aus und arbeitet ruhig weiter. Doch wenn unten Pfarrer Michael Eichinger den Gottesdienst zelebriert, dann müssen die Handwerker oben den Hammer mal zur Seite legen, um die Predigt nicht mit Klopfgeräuschen aus dem Himmel zu stören. Denn ihre Baustelle ist die katholische Kirche an der Lingemannstraße. Und die bleibt während der Sanierung in Betrieb.

Seit Anfang März ist die Pfarrkirche rundum eingerüstet und laufen die aufwändigen Arbeiten zur Erneuerung des Daches von St. Johannes Baptist. Die Renovierung ist auf der Zielgeraden: Mitte August soll sie planmäßig abgeschlossen werden. Dann kommen Gutachter und Bauherr, um das fertige Werk abzunehmen. Sie werden ein Meisterstück der Handwerkskunst sehen. Denn an dem Denkmal werden traditionelle Techniken der Zunft verwendet, die nicht mehr Standard sind.

Kirche Baptist Fassade

St. Johannes Baptist ist seit März eingerüstet.

„Das kann nicht jeder Dachdecker“, hatte Gerhard Standop, der Chef des mit der Planung beauftragten Architekturbüros aus Köln-Lövenich, schon vor einem Jahr angekündigt, als der Startschuss für die Arbeiten fiel. Im Mai 2021 kam NRW-Bau- und Heimatministerin Ina Scharrenbach nach Leichlingen, um der Gemeinde einen Zuwendungsbescheid über 99.900 Euro für die Denkmalsanierung zu überbringen – ein knappes Drittel der Kosten übernimmt das Land.

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Im Korb des Hubsteigers fuhr auch Pfarrer Michael Eichinger 50 Meter hoch zur Kirchturmspitze.

Damals lief noch das Ausschreibungs-Verfahren. Und im Dachdeckerbetrieb Reiner aus Dörth im Rhein-Hunsrück-Kreis hat Standop Fachleute gefunden, welche die „Altdeutsche Deckung“ beherrschen. Diese aufwändige und individuelle Verlegetechnik gilt unter Kennern als die Königsdisziplin der Deckarten.

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Dachdeckermeister Markus Punstein auf dem Arbeitsgerüst.

Dabei werden verschieden große Schieferplatten verwendet, die sich an die Dachform anschmiegen und nach oben hin kleiner werden. Das lässt die Dachfläche optisch höher und schlanker erscheinen – genau das Richtige für die 1904 erbaute himmelwärts strebende neugotische Leichlinger Kirche.

Kirche Baptist Arbeiter mit Turm

Dachdecker auf St. Johannes Baptist: Sechs Monate dauert die Sanierung.

Zwischen Gemeindebüro und Seitenschiff stehen daher mehrere Holzkisten mit Schieferplatten diverser Größen auf dem Boden. Geliefert worden sind sie aus der Eifel von der mehr als 200 Jahre alten Firma Rathscheck. Auch sie sind Experten, die bis vor wenigen Jahren selbst noch Moselschiefer abgebaut haben. Die Steine für das Leichlinger Kirchendach aber stammen aus Spanien, dem weltweit größten Exporteur.

Kirche Baptist Gauben

Maßarbeit an den Gauben leisten in altdeutscher Deckung Dachdeckermeister Anton Barth und seine Kollegen.

Sechs Dachdecker klettern zurzeit auf dem 1000 Quadratmeter großen Gerüst herum. Auch Veena Khanduri, die Architektin des Projekts, hat keine Höhenangst. Darf sie auch nicht haben, denn das Kölner Büro Standop, in dem sie seit sechs Jahren arbeitet, ist auf Höhenluft geradezu spezialisiert und überall im Erzbistum engagiert: „Wir machen fast nur Kirchen“, sagt die 44-Jährige. Deshalb war für sie auch der Aufstieg mit dem Hubsteiger zur Kontrolle der 50 Meter hohen Kirchturmspitze ein Vergnügen. Das Kreuz ist noch standfest und auch der verschieferte Turm musste nur ein bisschen ausgebessert werden.

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Aussicht von der Turmspitze: Die Leichlinger Pfarrkirche St. Johannes Baptist von oben.

Khanduri verbindet mit St. Johannes Baptist inzwischen auch eine persönliche Geschichte: Die aus Indien stammende Architektin ist Hindu und kannte Kirchen früher „nur als Touristin“, erzählt sie. In der katholischen Leichlinger Kirche aber hat sie nun auch ihren ersten christlichen Gottesdienst besucht und erlebt.

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Architektin Veena Khanduri auf dem Gerüst am Kirchendach.

Flink steigt sie beim Besuch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Gerüstleitern hoch und schaut den Handwerkern interessiert bei der Arbeit zu – etwa wenn sie nach alter Manier Bleiwolle in Fugenschlitze des Mauerwerks pressen, um darin Kupferbleche zur Ableitung des Regenwassers dicht zu befestigen. „Historisches Silikon“, sagt Meister Markus Punstein, der seit 34 Jahren sein Handwerk beherrscht, während er auf Leitern und einem kleinen Gerüst balanciert, das an Seilen aufgehängt ist und sich mit Besen am Schieferbelag abstützt.

Kirche Baptist Schieferkiste

Schieferplatten aus Spanien werden für die altdeutsche Deckung in verschiedenen Größen benötigt.

Mehrere hundert Quadratmeter Schiefer werden, vor allem auf der verwitterten Südseite des Kirchendachs, verlegt. Der für die Sanierung angepeilte Kostenrahmen von 330.000 Euro kann voraussichtlich eingehalten werden. „Damit kommen wir hin“, schätzt Khanduri. Es gab zwar ein paar Überraschungen. So mussten unvorhergesehener Weise der First über der Vierung erneuert und auch korrodierte Blitzschutz-Anlagen überarbeitet werden.

Kirche Baptist Turmspitze

Die Kirchturmspitze musste unterhalb von Kreuz und Messingkugel neu verkleidet werden.

Dafür gab es aber an anderer Stelle Einsparungen. So war die Ursache für einen bereits bis ins Innere gesickerten Wasserschaden in der Kapelle rasch gefunden: Es lag an verstopften Regenrinnen und Fallrohren an der Nordfassade, die gesäubert wurden.

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„Einmal im Jahr sollte man mit dem Hubsteiger hochfahren und das kontrollieren“, empfiehlt die Architektin Pfarrer Michael Eichinger. Das wird er machen, denn auch er nutzte jetzt gerne die Chance, im Korb einmal mit hoch zu fahren, seine Kirche von oben zu sehen – und Gott noch etwas näher zu sein.

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