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FlutschädenWiederaufbaupläne im Kreis Euskirchen überschreiten die Milliardengrenze

7 min
NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach und die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian besichtigen ein Wiederaufbauprojekt in der Stadt Bad Münstereifel

Begleitet persönlich sehr intensiv den Wiederaufbau im Kreis Euskirchen: NRW-Ministerin Ina Scharrenbach, hier bei einem Besuch in Bad Münstereifel mit Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian.

NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach zollt dem Kreis Euskirchen Respekt. Bei der Prävention steche der Kreis hervor, allen voran Bad Münstereifel und Schleiden.

Sie hätte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, am Dienstag der Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian einen Bewilligungsbescheid über 18,7 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen persönlich in die Hand zu drücken. Doch derzeit unterzieht sich die an Krebs erkrankte Ina Scharrenbach, Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, einer viermonatigen Chemotherapie.

Bis zu der ärztlichen Diagnose war sie auch im Kreis Euskirchen Dauergast, um den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe 2021 zu fördern und zu begleiten. Parallel zu ihrer Therapie nimmt sie weiter ihre Amtsgeschäfte wahr, reduziert aber öffentliche Auftritte.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst übergibt Förderbescheid über 18,7 Millionen Euro

Bei Anlässen wie der Übergabe eines millionenschweren Förderbescheids in Bad Münstereifel wird sie meist von Staatssekretär Daniel Sieveke vertreten. Am Dienstag übernimmt aber NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst selbst diese Aufgabe. Er will sich bei einem Rundgang durch die Stadt auch ein Bild davon machen, was im Zuge des Wiederaufbaus in der Kurstadt bisher alles geschafft wurde.

Scharrenbachs Name ist mit dem Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe 2021 in NRW eng verknüpft. Ausgestattet mit einem milliardenschweren Topf von Bundes- und Landesmitteln, wurde sie zunächst von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und dann von dessen Nachfolger Hendrik Wüst mit dem Wiederaufbau in den Flutgebieten von NRW beauftragt. Sie legte von Beginn an Wert darauf, dass die Mittel dazu so schnell und unbürokratisch wie möglich zur Verfügung gestellt wurden – und musste dafür manches dicke Brett bohren und manche bürokratische sowie technische Hürde überwinden.

Auch beim Wiederaufbau spielen Schutzmaßnahmen eine große Rolle

„Schreibt alles auf einen Deckel, wir brauchen einen Rahmen“, forderte sie plakativ die Bürgermeister der betroffenen Kommunen auf. Und auch die Antragsverfahren für Bürger, die auf Wiederaufbauhilfe angewiesen waren, beschleunigte sie, indem sie die Antragsteller mit einem großen Vertrauensvorschuss ausstattete.

Stand zunächst sowohl für Bürger als auch für die Kommunen die schnelle Hilfe im Vordergrund, so war doch von Beginn an klar, dass der Wiederaufbau und die Wiederherstellung der Infrastruktur in den Kommunen nachhaltig sein mussten. Damit der nächste Starkregen und die nächste Flut nicht das nächste Unheil bringen und alles wieder zunichtemachen.

Der Schutz vor Hochwasser und Starkregen ist originär nicht in Scharrenbachs Ressort, sondern im Umweltministerium angesiedelt. Doch es war klar, dass dieser Bereich auch beim eigentlichen Wiederaufbau eine große Rolle spielen würde, um bei erneuten Ereignissen Schäden zu verhindern oder zu minimieren. Das gilt für Privatleute ebenso wie für die Kommunen.

42,7 Millionen Euro zusätzlich für Schutzmaßnahmen

Daher wurde 2024 der Wiederaufbau in den Städten und Gemeinden geöffnet für Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes. Da in den von der Flut betroffenen innerörtlichen Bereichen nur begrenzte Möglichkeiten bestehen, wurden bei der Förderung durch das Kommunalministerium „No-Regret-Maßnahmen“   aufgenommen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die zum Hochwasserschutz und Starkregenrisikomanagement beitragen, ohne Auswirkungen auf die Natur oder den Wasserhaushalt zu haben.

Im April war Ina Scharrenbach im Kreis Euskirchen, um das Prozedere in einer Runde mit den Bürgermeistern zu besprechen. Jetzt werden die ersten Bewilligungen für Förderanträge erteilt. „Und wir landen damit natürlich im Kreis Euskirchen“, so Scharrenbach im Gespräch mit der Redaktion. In den ursprünglichen kommunalen Wiederaufbauplänen für den Kreis Euskirchen und die Kommunen im Kreis hatte das Ministerium 885,4 Millionen Euro bewilligt (Stand 31. März 2024).

Jetzt, so die Ministerin, habe man neben den diversen Änderungsanträgen, die die Kommunen eingereicht hatten, in der Bewilligung die zusätzlichen Präventionsmaßnahmen in Höhe von 42,7 Millionen Euro. Das betreffe mit rund 19,7 Millionen Euro Schleiden und mit 18,7 Millionen Euro Bad Münstereifel. Daneben gebe es aktuell noch Nettersheim mit 1,15 Millionen Euro, Mechernich mit 2,96 Millionen Euro und Dahlem mit 240.000 Euro.

Man muss herausheben, dass der Kreis Euskirchen bei der Beantragung von Präventionsmaßnahmen im Land positiv heraussticht, weil die Kommunen sich früh auf den Weg gemacht haben, diese Anträge zu stellen. Vor allem Bad Münstereifel und Schleiden gehen hier beispielhaft voran
Ina Scharrenbach, NRW-Kommunalministerin

Das Ministerium erwartet zudem angekündigte Anträge der Gemeinde Kall, der Stadt Euskirchen und des Kreises Euskirchen. Maßnahmen, wie etwa der mögliche Bau der Platißbachtalsperre in Hellenthal, fallen hingegen nicht in ihre Zuständigkeit, sondern in die des Umweltministeriums.

„Man muss herausheben, dass der Kreis Euskirchen bei der Beantragung von Präventionsmaßnahmen im Land positiv heraussticht, weil die Kommunen sich früh auf den Weg gemacht haben, diese Anträge zu stellen. Vor allem Bad Münstereifel und Schleiden gehen hier beispielhaft voran“, sagt Scharrenbach im Gespräch mit der Redaktion: „In anderen geschädigten Teilen in NRW ist man offenbar noch nicht so weit, sich damit auseinanderzusetzen.“

Wasserverbände leisten eine gute Vorarbeit

Im Kreis Euskirchen laufe es auch deshalb so gut, weil man in den Kommunen bei der Vorarbeit in Zusammenarbeit mit den Wasserverbänden weit vorne liege.

Für Bad Münstereifel nennt die Ministerin besonders Hochwasserrückhaltebecken bei Nutzung von natürlicher Topographie zum Auffangen von Wasser aus dem Hinterland in Schönau, in Eicherscheid, Gilsdorf, Hohn und Kirspenich. Mit insgesamt 3,9 Millionen Euro schlagen auch die verschiedenen Maßnahmen im Kernstadtbereich zu Buche.

Scharrenbach kündigt für September eine Info-Veranstaltung für Kommunen in Sachen Präventionsmaßnahmen an, in der Bad Münstereifel und Schleiden als positive Beispiele selbst vortragen werden.

Wiederaufbau im Kreis Euskirchen ist bei 1,028 Milliarden Euro angelangt

Die Gesamtbilanz für den Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur hat im Kreis Euskirchen zwischenzeitlich die Milliardengrenze überschritten. Mittlerweile sei man bei den kommunalen Wiederaufbauplänen insgesamt (mit den Präventionsmaßnahmen und den Änderungsanträgen, die es in den Kommunen nach dem ursprünglichen Wiederaufbauplan gegeben hat) bei 1,028 Milliarden Euro angelangt. Damit seien in den Bereichen, in den Schäden nachträglich identifiziert oder unterschätzt wurden, seit dem Schadensereignis gut 130 Millionen Euro zusätzlich bewilligt worden.

Manche Dinge hätten die Kommunen am Anfang gar nicht auf dem Schirm gehabt. Als Beispiel nennt die Ministerin in der Stadt Euskirchen den Sportpark im Auel, der nachträglich dazugekommen sei. Der sei derzeit in der Bewilligung. Es fehle aber noch der hochwassersichere Neubau des City-Forums an anderer Stelle. „Da ringen wir noch um die Aufteilung der Kosten“, so Scharrenbach: „Ich finde es schön, dass wir jetzt in eine Phase kommen, dass die Städte sagen können, man sei jetzt so weit, Präventionsmaßnahmen in Angriff zu nehmen.“

Ich habe so das Gefühl, seit Corona schreiben wir uns alle nur noch E-Mails und wundern uns, dass wir uns nicht mehr verstehen, anstatt zum Hörer zu greifen und zu sagen: Hör mal, lass uns mal eben darüber sprechen.
Ina Scharrenbach

Das sagt Scharrenbach nicht ohne Grund. Sie weiß, dass es vielen Bürgern nicht schnell genug geht. Die ganzen Vorbereitungen, die Absprachen zwischen den Kommunen, dem Kreis und den Wasserverbänden, die Planungen – all das bekämen die Bürger ja nicht mit. „Da haben die Leute dann das Gefühl, es tut sich nichts, keiner kümmert sich, aber genau das Gegenteil ist der Fall.“ Nun komme man im Kreis Euskirchen aber in die nächste Phase, in der neben dem fortschreitenden Wiederaufbau auch die Starkregenprävention vorangetrieben werde.

Angesprochen auf bürokratische Hürden bei den Maßnahmen, über die die Kommunen klagen, erklärt Scharrenbach, dass es nach der Bürgermeisterrunde im April beim Kreis Einzeltermine des Ministeriums mit den Kommunen gegeben habe. Darin seien viele genannte Störungen und Hindernisse ausgeräumt worden.

Viele Kommunen haben Planungsbüros an sich gebunden

Scharrenbach: „In Teilen wird es aber schwieriger, je weiter man von dem Ereignis weggeht und je mehr personelle Wechsel von Mitarbeitenden es etwa in den Bezirksregierungen gibt, die Wissen mitnehmen. Umso mehr wird es wieder eine Schreibtischprüfung.“

Davor warne sie unverändert. Scharrenbach: „Da sind wir unverändert auf Hinweise angewiesen, wenn was wo nicht läuft. Damit man eben nicht wieder mit der Komma-Prüfung beginnt.“

Für sie ist auch verständlich, dass kommunale Verwaltungen nicht nur in der Menge, sondern auch fachlich überfordert sein können: „In der Komplexität des Wiederaufbaus, gerade im Kreis Euskirchen, ist klar, dass man solche Planer- und Ingenieurskapazitäten, die man braucht, gar nicht haben kann. Das hätte wahrscheinlich nicht mal eine Großstadt in der Menge zur Verfügung, die man bräuchte.“

Daher hätten viel Kommunen externe Planungsbüros vertraglich an sich gebunden. Die Kommunen seien aber immer noch in einer sehr engen Betreuung durch das Ministerium.

Wiederaufbau an anderer Stelle trifft auf langwieriges Planungsrecht

Dabei empfiehlt sie den direkten Draht. „Ich habe das Gefühl, seit Corona schreiben wir uns alle nur noch E-Mails und wundern uns, dass wir uns nicht mehr verstehen, anstatt zum Hörer zu greifen und zu sagen: Hör mal, lass uns mal eben darüber sprechen“, so die Ministerin Da dürfe man ruhig mal die zwischenmenschliche Komponente bemühen, damit es schneller gehe und man von vorneherein Missverständnisse vermeide.

Zufrieden ist Scharrenbach im Hinblick darauf, was den Wiederaufbau an anderer, hochwassersicherer Stelle angeht. Die Herausforderung sei hier aber, dass ein Wiederaufbau an anderer Stelle auf ein Planungsrecht treffe, das für die Schnelligkeit nicht gemacht sei: „Dann sind wir wieder in den alten Mechanismen. Dann schieben wir die Planung wieder von links nach rechts, dann beteiligen wir wieder alle Behörden und Träger von Belangen, dann stecken wir wieder in der Mühle des Planungsrechts.“


Der aktuelle Stand des Wiederaufbaus im Kreis Euskirchen

  1. Kreis Euskirchen insgesamt: 1,028 Mrd. Euro (davon 42,7 Mio. Euro für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 885,39 Mio. Euro
  2. Bad Münstereifel: 222, 68 Mio. Euro (davon 18,7 Mio. für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 175,65 Mio Euro
  3. Blankenheim: 17,86 Mio. Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 15,49 Mio. Euro
  4. Dahlem: 23,49 Mio. Euro (davon 240.000 für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant :19,07 Mio. Euro
  5. Euskirchen: 105,41 Mio Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 96,73 Mio. Euro
  6. Hellenthal: 16,21 Mio. Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); wie ursprünglich geplant
  7. Kall: 99,36 Mio. Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 64,63 Mio. Euro
  8. Mechernich: 32,6 Mio. Euro (davon 2,96 Mio für Prävention); ursprünglich geplant: 22,15 Mio. Euro
  9. Nettersheim: 32,13 Mio. (davon 1,15 Mio. für Prävention); ursprünglich geplant: 31,0 Mio. Euro
  10. Schleiden: 227,68 Mio. Euro (davon 19,7 Mio. für Prävention); ursprünglich geplant: 202,9 Mio. Euro
  11. Weilerswist: 14,32 Mio Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); wie ursprünglich geplant
  12. Zülpich: 12,06 Mio. Euro (davon bisher 0 Euro für zusätzliche Prävention); wie ursprünglich geplant
  13. Kreis Euskirchen: 224,67 Mio. Euro (davon bislang 0 Euro für zusätzliche Prävention); ursprünglich geplant: 215,15 Mio. Euro

Alle Angaben Stand 12. August 2025