Auch Kitas und Schule betroffenLeichlinger räumen nach „Jahrhundert-Unwetter“ auf

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Eimer für Eimer muss der Schlamm aus dem Keller. Wie ein Gebirgsbach rauschte das Wasser durch Büscherhöfen.

Eimer für Eimer muss der Schlamm aus dem Keller. Wie ein Gebirgsbach rauschte das Wasser durch Büscherhöfen.

Leichlingen – Sandsäcke sind zurzeit ein gefragtes Gut. Der Erzeugergroßmarkt an der Hochstraße ist ausverkauft, neue Ware ist bestellt. Zwar gilt das Unwetter am Sonntag als ein Jahrhundertereignis. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Leichlinger nicht wieder ein Jahrhundert darauf warten müssen.

„Natürlich helfen die Feuerwehr und die Verwaltung in Notfällen, aber die Menschen müssen auch dafür sorgen, sich selbst zu schützen“, sagt Bürgermeister Frank Steffes. Sandsäcke, Schaufeln und nachbarschaftliche Hilfe sind Zutaten, die es braucht, wie es am Wochenende an vielen Orten in der Stadt zu sehen war.

Große Solidarität in Leichlingen

„Die Solidarität unter den Leichlingern war enorm“, sagt Steffes. Unzählige Menschen waren im Einsatz, zusätzlich zu den 427 Kräften von Feuerwehr, Deutschem Roten Kreuz und Technischem Hilfswerk.„Normalerweise fallen im Juni durchschnittlich 85 Liter Wasser auf einen Quadratmeter“, sagt Lars Helmerichs vom städtischen Abwasserbetrieb. Am Sonntag waren es 65 Liter Regen pro Quadratmeter in 50 Minuten. „Da kann ein kleines Rinnsal zum reißenden Bach werden“, so Steffes.

Besonders problematisch waren der Welters- und Murbach sowie ein ansonsten ganz kleiner Bach in Unterberg, der noch nicht einmal einen Namen zu haben scheint. Ein Rohr war an seinem Lauf verstopft und das hat für manche Hausbesitzer zur Katastrophe geführt. Die K1 ist gesperrt. Wie in Unterberg hat das Wasser auch in anderen Stadtteilen die Bewohner bis in die Wohnräume erreicht und die Einrichtung zerstört. Stark betroffen ist auch Unterbüscherhof und die K6. Die Straße ist in Teilen weggeschwemmt.

Pilgerheim Weltersbach erneut schlimm getroffen

„In der Bevölkerung besteht weiterhin ein großer Unterstützungswille“, so Steffes. Er versucht zurzeit, ein Spendenkonto über die Bürgerstiftung einzurichten, um die Betroffenen finanziell zu unterstützen. Bei ein paar Haushalten geht es um die  Existenz. Besonders schlimm war es auch am Pilgerheim Weltersbach. „Als wir dort ankamen, kam uns ein reißender Bach entgegen“, erinnert sich der Leiter der  Feuerwehr, Björn Heitmann.  „Wir haben sechs Bewohner aus dem Seniorenheim geholt, die in den unteren Etagen schon bis zum Bauch im Wasser standen.“ Auch das Seniorenheim an der Hasensprungmühle war betroffen.

Ebenfalls stark gelitten haben Einrichtungen für die ganz jungen Leichlinger. Überschwemmt wurden verschiedene Kindertagesstätten wie die Kita Büscherhof und die Elterninitiativen Regenbogenland, Flohkiste und Arche Noah. „Hier ist sehr vieles kaputt“, berichtet Sonja Kuhlmann, die Leiterin der Arche Noah. „Der Linoleumboden, die Teppiche, die Betten der Kinder – alles ist komplett durchnässt und muss erneuert werden.“ Noch ist unklar, wie der Kitabetrieb weitergehen kann.  „Wir werden versuchen, Notgruppen in den höher gelegenen Räumen zu betreuen."

Kita Büscherhof vorerst geschlossen

Auch die Aufräumarbeiten in der Kindertagesstätte Büscherhof dauern an – voraussichtlich bis Samstag. Am Dienstag steht für die Kinder der betroffenen Gruppe ein Ausflug an. Die Verwaltung fragt darüber hinaus die Eltern, ob an den weiteren Tagen eine andere Betreuung  möglich ist und bittet um eine Rückmeldung unter 02175/5911.

Noch am Montagmorgen stand die Paul-Klee-Schule des Landschaftsverbandes Rheinland unter Wasser. „Wir haben es nicht mehr geschafft, das Wasser mit unseren Geräten abzupumpen“, so Heitmann. Die Fläche der Schule sei riesengroß. Die Folgen werden Leichlingen noch lange begleiten. „Wir werden die Straßen in der Innenstadt in den  kommenden ein bis zwei Tagen frei machen“, sagt Jürgen Scholze vom Bauhof. Bis jedoch alle Wirtschaftswege wieder ohne Schlamm und Geröll zu befahren sind, kann es bis zu einem halben Jahr dauern.

Schlamm wegkarren

Oftmals ist schweres Gerät nötig, wie etwa am Montagmorgen auf dem Lidl-Parkplatz, um die Schlammmassen zu beseitigen. Auch der Förster wird in den kommenden Tagen viel zu tun haben. Er muss Bäume prüfen, ob sie weiter standhaft und fest verwurzelt im Erdreich sind.

Nun stellt sich noch die Frage: Was kann die Stadt tun, um solche Dinge in Zukunft zu verhindern? „Wir werden uns städtebaulich fragen müssen, wie wir anders handeln können“, schaut Steffes in die Zukunft. Leichlingen sei im Bergischen Land mit vielen Bergen und Feldern. „Wir müssen uns auf die Gegebenheiten einstellen.“ Zudem wird er das Gespräch mit dem Wupperverband suchen, der für die Gewässer zuständig ist.

So hat die Feuerwehr in Weltersbach schon am Sonntag Tatsachen geschaffen und etwa eine Fußgängerbrücke zerstört, damit der Fluss sich nicht wieder so stauen kann. Aber nun muss erst noch weiter aufgeräumt werden.

Sonderabfuhren für Sperrmüll und Elektrogeräte

Der Bergische Abfallwirtschaftsverband (Bav) hat den Hilferuf des Leichlinger Bürgermeisters Frank Steffes erhört und bietet für die Hochwasser-Geschädigten zusätzliche Entsorgungsmöglichkeiten an. Der Wertstoffhof an der Walter-Frese-Straße hat verlängerte Öffnungszeiten bis Samstag, 16. Juni: Am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 15 bis 20 Uhr und am Samstag von 8 bis 15 Uhr.

Sonderabfuhren für Sperrmüll und Elektrogeräte erfolgen  nach einer telefonischen Anmeldung unter der gebührenfreien Nummer 0800 / 8058060. Die Sonderabfuhren beginnen am Dienstag. Der Bav will den Sperrmüll und die Elektrogeräte im Laufe dieser Woche so schnell wie möglich abfahren.

Der Verband bittet darum, den Hochwassersperrmüll getrennt von Elektrogeräten nach der Anmeldung sofort zur Abfuhr bereit zu stellen. Der genaue Abfuhrtag ist zurzeit nicht vorauszusagen, weil es keine Erfahrungen zu den möglichen Mengen gibt. „Ich bitte die Leichlinger aus Solidarität zu den Geschädigten nun nicht die Gelegenheit zu nutzen, um ihre Keller zu entrümpeln. Mit diesem Service wollen wir vordringlich den Hochwassergeschädigten helfen“, sagte Steffes. 

Wie konnte es zu diesen Wasser- und Schlammmassen kommen?

Man muss kein Fachmann sein, um bei einer kurzen Rundfahrt über die Leichlinger Höhen eine der maßgeblichen Ursachen für die Wasser- und Schlammmassen zu finden. Dort oben wurden viele Flächen zugebaut. Was man aber vorfindet sind vorwiegend Maisfelder, auf denen jetzt noch kleine Maispflänzchen auf dem ansonsten nackten Boden stehen. Anders als auf Wiesen und Weiden  konnte der ungewöhnlich starke Regen  kaum versickern und  floss ungebremst ab.

An tiefer liegenden Stellen der Felder sieht man jeweils sehr gut, wo die Wassermassen herausgeflossen sind. Besonders deutlich ist der Ausfluss am Bechlenberg zu sehen, wo das Wasser aus dem Feld  einen Sturzbach gebildet hat, durch die Strömung  tiefe Löcher und Furchen entstanden sind.

Viele Maisfelder am Bechlenberg

Der Höhenrücken des Bechlenbergs war lange eine Wiese, jetzt wächst dort Mais. Von da dürfte der meiste Schlamm stammen, der in den Denkmalbereich Altes Dorf und in die Marktstraße floss.

Auch auf der Höhe oberhalb des Pilgerheims Weltersbach, bei Sankt Heribert und Unterbüscherhof hätten Landwirte in den letzten Jahren mehrere Weiden umgebrochen und hätten dann dort Mais angebaut, die sie in ihren Biogasanlagen verarbeiteten, sagte der Anwohner Dieter Gilges, der in Sankt Heribert wohnt. Er wohnt zwar im Grünen, aber neben einem der vielen neuen Maisfelder und musste sich am Montag – wie viele Leichlinger – mit ausgespülten Böschungen und dicken Schlamm- und Geröllschichten auf seiner Zufahrt beschäftigen.

Die Angst vor einem erneuten Regenereignis, wie dem am Sonntag, sitzt tief bei den Hochwassergeschädigten in den Tälern Leichlingens. Damit der Sturzbach beim nächsten mal nicht ganz so gewaltig zu Tal rauscht, ließ man an der tiefsten Stelle zum Weltersbachtal hin an dem größten Maisfeld in Unterbüscherhof ein provisorisches Regenrückhalte-Loch ausheben.

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