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LeichlingenErneuter Glücksfall im Sozialamt

Lesezeit 3 Minuten

Der scheidende Sozialamtsleiter Ulrich Conrads und seine Nachfolgerin Romana Arendes

  1. Romana Arendes wird Nachfolgerin von Ulrich Conrads

Leichlingen – Mit Flucht und Vertreibung, Abschiebungen und Arbeitsverbot hatte Ulrich Conrads beruflich täglich zu tun. Jetzt trifft es den Leiter des Leichlinger Sozialamtes selbst. Er wird von seinem Schreibtisch im Rathaus quasi vertrieben und zwangsweise in den Ruhestand abgeschoben. Mit 65 Jahren scheidet er zum 1. März, nach 35 Jahren bei der Stadtverwaltung, aus dem Dienst aus.

Aber in seinem Fall hat das eher den Charakter einer Ausweisung. Denn er ist in seiner Arbeit total aufgegangen. "Ich bin jeden Tag gerne hierher gekommen", bekennt er freimütig, dass er lieber noch weitergearbeitet hätte.

Freiwillig geht Conrads, der das Sozialamt seit 18 Jahren geleitet hat, nicht von Bord. Bis zum letzten Tag, Mittwoch, wird er im Rathaus bleiben. Auf seine letzten Urlaubstage hat er verzichtet, sie könnten unter den Kollegen verlost werden, hat er angeboten. Seine bisherige Stellvertreterin Romana Arendes wird seine Nachfolgerin.

Die Stadt sei ihm zu großem Dank verpflichtet, lobt Bürgermeister Frank Steffes seinen Kollegen. "Ulrich Conrads ist ein Praktiker, wie man ihn sich nur wünschen kann, hemdsärmelig packt er an, wo es nötig ist und schleppt sogar Möbel durch die Gegend." Das tat er oft, denn die Unterbringung von Flüchtlingen nahm zuletzt den größten Teil seiner Arbeits- und auch viel Freizeit in Anspruch. Er hat in den 90er-Jahren schon die erste Flüchtlingswelle aus Osteuropa miterlebt.

Kein Dienst nach Vorschrift

Mit seiner Art sei er an der Stelle, wo es um das richtige Händchen im Umgang mit Menschen geht, genau der Richtige gewesen, sagt Steffes: "Wer Dienst nach Vorschrift macht, den kann man im Sozialamt nicht gebrauchen." Bei seinen Kollegen gilt Conrads als wandelndes Lexikon der Sozialgesetzgebung. Dabei wollte der Burscheider eigentlich Gymnasiallehrer werden und kam nur durch Zufall in den öffentlichen Dienst: 1982 heuerte ihn die Stadt als Aushilfskraft für die Volkszählung an, die dann aber ausfiel. Conrads blieb, wurde als Mutterschaftsvertretung zunächst Sachbearbeiter im Sozialamt, holte den Angestellten-Lehrgang nach, wurde Sachgebietsleiter und Fallmanager bei der damaligen Kooperation Arbeit und Soziales (dem heutigen Jobcenter) und 2010 Amtsleiter.

Eine Verwaltungskarriere hatte auch Romana Arendes eigentlich nicht auf dem Plan. Die diplomierte Sozialarbeiterin war zehn Jahre lang pädagogische Mitarbeiterin der katholischen Jugendagentur, wo sie der Stadt durch ihre engagierte und auch ehrenamtliche Arbeit in der Flüchtlingshilfe auffiel.

Als der Andrang von Asylbewerbern und die personelle Not am größten war, "haben wir sie erwischt" und abgeworben, freut sich Steffes über diesen "Glücksfall für die Stadt". Zunächst auf 450-Euro-Basis, dann mit einem Zeitvertrag, wurde sie eingestellt - nur drei Jahre später werden ihre Verdienste nun mit der Beförderung zur Amtsleiterin belohnt.

An der vordersten Front in den Wohnheimen wird die neue Chefin der 15-köpfigen Behörde künftig wohl weniger häufig im Einsatz sein. Aber vor Akten ist die 60-Jährige nicht bange: "Ich habe durchaus gelernt zu knicken, lochen und abzuheften", scherzt Arendes. Nach dem Rückgang der Zuweisungen wird die Integration der Flüchtlinge noch viele Jahre eine Hauptaufgabe bleiben. Aber das ist nicht alles, was im Sozialamt erledigt wird. Neben Sozialleistungen werden Pflege-, Senioren- und Rentenberatung im Zuge des demografischen Wandels immer wichtiger. "Ich möchte dem Sozialamt ein positives Flair geben und will, dass es als Serviceleistung der Verwaltung verstanden wird", wünscht sich Romana Arendes.

Und Ulrich Conrads? Seine Pläne für den unvermeidbaren Ruhestand hören sich nicht nach Langeweile an. Der Bauernhof seiner Familie mit Pferden und Schafen in Paffenlöh verlange nach dem Heimwerker ("Bei mir geht der Trend zur Viert-Motorsäge"), für die FDP gehört er (wie schon von 2009 bis 2014) seit 2017 ehrenamtlich wieder dem Burscheider Stadtrat an, und auch beim Bergischen Geschichtsverein und in der Lambertsmühle wird Conrads künftig mehr Zeit verbringen.